Waldbrand im Amazonas
Reuters/Nacho Doce
Neuer Rekordwert

Tausende Brände im Amazonas-Gebiet

In Brasilien sind heuer bereits mehr als 72.000 Waldbrände registriert worden – so viele wie noch nie zuvor. Besonders prekär ist die Lage derzeit im Amazonas-Regenwald im Norden des Landes. Die Situation facht auch die Diskussion über die Umweltpolitik des rechtsgerichteten Präsidenten Jair Bolsonaro an.

Das brasilianische Institut für Weltraumforschung (INPE) hat nach eigenen Angaben seit vergangenem Donnerstag 9.500 Feuer im Amazonas-Regenwald registriert. Auf Satellitenaufnahmen ist dichter Rauch über Roraima, Brasiliens nördlichstem Bundesstaat, zu sehen. Im benachbarten Bundesstaat Amazonas wurde der Notstand ausgerufen. Eine Zunahme der Brände ist auch in Mato Grosso und Para zu beobachten, wo die landwirtschaftlichen Flächen mittlerweile tief ins angrenzende Amazonas-Becken hineinreichen.

Die Folgen der Waldbrände sind aber auch mehrere hundert Kilometer weiter südlich sichtbar und spürbar. In Sao Paolo verdunkelte sich Montagnachmittag der Himmel. Starke Winde hatten Rauch aus den mehr als 2.500 Kilometer entfernten Brandgebieten in den Bundesstaaten Amazonas und Rondonia nach Süden getrieben.

Nicht nur natürliche Ursachen

Zwischen Jänner und August registrierte die INPE bereits mehr als 72.000 Wald- und Buschbrände in ganz Brasilien – ein neuer Rekordwert seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2013. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres seien es weniger als 40.000 gewesen, so die Weltraumbehörde.

In Brasilien sind Brände während der Trockenzeit an sich nichts Ungewöhnliches. Die heuer verzeichnete hohe Anzahl kann laut INPE allerdings nicht auf natürliche Ursachen zurückgeführt werden. Es gebe heuer keine klimatischen Besonderheiten, und auch die Regenfälle fielen nur geringfügig schwächer als im langjährigen Durchschnitt aus, so INPE-Forscher Alberto Setzer.

Eine Grafik zeigt die betroffenen Brandregionen in Brasilien
Grafik: ORF.at

Auch die Trockenzeit für die vielen Feuer verantwortlich zu machen sei nicht ganz korrekt, so Setzer: „Die Trockenzeit schafft günstige Bedingungen für das Ausbreiten des Feuers. Das Auslösen der Brände, absichtlich oder unabsichtlich, ist aber das Werk von Menschen.“

„Jetzt bin ich Nero“

Brasiliens Präsident Bolsonaro wies die Kritik zurück und präsentierte seine eigene Erklärung für die Brände. Derzeit finde die „Queimada“ statt, jene Zeit des Jahres, in der die Bäuerinnen und Bauern ihr Land abbrennen und urbar machen. „Ich wurde Kapitän Kettensäge genannt. Jetzt bin ich Nero, der den Amazonas anzündet“, sagte Bolsonaro, allerdings sei gerade die Zeit der „Queimada“.

Der Chef der Amazonas-Fonds der Umweltschutzorganisation WWF, Ricardo Mello, hingegen erklärte, die Brände seien „eine Folge der verstärkten Abholzung“, die sich auch in jüngst veröffentlichen Zahlen widerspiegle. Die Abholzung des Regenwaldes in Brasilien hat sich rasant beschleunigt, wie Zahlen der INPE zeigen. Im Juli war die Fläche des zerstörten Waldes demnach fast viermal höher als im gleichen Monat des Vorjahres.

Satellitenbild der Brände im Amazonas
NOAA
Der von den Feuern verursachte Rauch ist derzeit deutlich auf Satellitenbildern zu erkennen

Internationale Kritik an Bolsonaro

Bei seinem Amtsantritt im Jänner hatte Bolsonaro versprochen, ungeachtet der Kritik von Umweltschutzorganisationen die Landwirtschaft und den Rohstoffabbau in der Amazonas-Region zu forcieren. Mit der INPE liegt er seit Monaten im Clinch. Die Zahlen der Behörde zur Abholzung bezeichnete er als erfunden. Vor wenigen Wochen enthob Bolsonaro INPE-Chef Ricardo Galvao seines Amtes.

Die fortschreitende Abholzung des Regenwaldes hat zudem zu einem Konflikt zwischen Bolsonaro und den Regierungen Deutschlands und Norwegens geführt. Die beiden Länder hatten angekündigt, wegen der Rodungen die Förderung von Projekten zum Schutz von Wäldern und Artenvielfalt in Brasilien zu stoppen.

Bolsonaro reagierte mit polemischen Äußerungen auf die Entscheidungen aus Oslo und Berlin. „Ist Norwegen nicht dieses Land am Nordpol, das Wale tötet?“, war seine erste Reaktion. Norwegen solle „sein Geld behalten“ und Kanzlerin Angela Merkel „beim Wiederaufforsten Deutschlands helfen“.

Widerstand in betroffenen Regionen

Kritik an Bolsonaros Linie kommt aber nicht nur aus dem Ausland. Die Regierungen der neun von den Rodungen betroffenen Bundesstaaten nannten in der Nacht auf Montag (Ortszeit) die Haltung der Zentralregierung „bedauerlich“, durch die Norwegen und Deutschland dazu gebracht worden waren, Millionen für den Amazonas einzufrieren.

Der Entwicklungsfonds der neun brasilianischen Bundesstaaten solle künftig „direkt“ mit den Geberländern des Amazonas-Fonds verhandeln, hieß es. Anstelle der Staatsbank BNDES solle die regionale Amazonas-Bank das Geld verwalten. Die Gouverneure der betroffenen Bundesstaaten lehnten in ihrer gemeinsamen Erklärung „jede illegale wirtschaftliche Betätigung“ in der Region ab.