Person betrachtet die Facebook-Site von Heinz-Christian Strache
ORF.at/Carina Kainz
Zwist um Facebook

Der enorme Wert von Straches Seite

Mit fast 800.000 Followern ist Heinz-Christian Straches Facebook-Seite ein mächtiges Sprachrohr der FPÖ. Unklar ist seit „Ibiza“ aber, wer die Kontrolle haben soll: Strache oder die FPÖ? Nun scheint der Streit darüber hochzukochen: Laut Medien soll die FPÖ Strache ausgesperrt haben. Der dementiert und spricht von Abstimmung. Die Frage ist jedenfalls wohlbegründet: Die Seite ist laut Fachleuten nicht nur eine „Machtbastion“, sondern auch „Gold wert“ – das auch im wahrsten Sinne des Wortes.

Die Seite existiert bereits seit zehn Jahren und ist eine wichtige Säule der FPÖ-Strategie: Keine andere politische Facebook-Präsenz ist in Österreich so erfolgreich, niemand erreicht seine Fans online so direkt wie der Ex-Parteichef. Seit „Ibiza“ hat Strache jedoch Postings abgesetzt, die in der FPÖ-Zentrale für wenig Freude gesorgt haben dürften: angefangen von einem neunmal bearbeiteten, nächtlichen Posting, in dem Strache nur drei Tage nach „Ibiza“ in der Urfassung schrieb, er habe sich außer „betrunkenen Peinlichkeiten und prahlerischen“ Aussagen „nichts zu Schulden kommen lassen“, bis hin zu vagen Andeutungen zu einer möglichen Karriere im EU-Parlament.

Vor diesem Hintergrund berichtete die Gratiszeitung „Heute“ am Mittwoch, dass die Partei Strache die Administratorenrechte der Seite entzogen habe. In dem Artikel hieß es, Strache müsse die Texte nun der Partei vorlegen. Diese würde die Postings dann freigeben, ändern oder ignorieren. Die FPÖ wollte diesen Bericht gegenüber der APA nicht bestätigen oder dementieren, betonte aber, dass die Kontrolle über „große FPÖ-Seiten“ grundsätzlich bei der Partei lägen und Postings in Wahlkampfzeiten abgestimmt würden. Die Partei trage auch die Kosten für sämtliche Werbeausgaben.

Strache will nun „Redakteur“ sein

Strache selbst schrieb am Mittwoch auf seiner privaten Facebook-Seite, dass er sich mit der Partei abgestimmt habe. Laut Strache werden „bis zu den Neuwahlen alle Inhalte, die über die Facebook-Seite verbreitet werden, akkordiert“. Die Partei steuert laut Strache „als Administrator die Verbreitung“, während er „im Status eines Redakteurs agiere“. Berichte, denen zufolge er die Kontrolle verloren habe, seien falsch und ein Versuch, Streitigkeiten innerhalb der FPÖ herbeizuschreiben. „Schon aus Gründen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und Urheberrechts ist das meine Seite“, so Strache.

Heinz-Christian Strache, Norbert Hofer und Herbert Kickl (FPÖ)
Reuters/Leonhard Foeger
Weder Norbert Hofer (340.000 Follower) noch Herbert Kickl (87.000 Follower) können Strache auf Facebook das Wasser reichen

Es geht um viel Geld

Dass sowohl die Partei als auch Strache selbst an der Kontrolle über die Seite interessiert sind, liegt angesichts ihrer Reichweite auf der Hand. Gleichzeitig geht es auch um viel Geld. Straches Facebook-Präsenz wurde mit erheblichem Aufwand und vermutlich auch beträchtlichen Investitionen aufgebaut.

Mittlerweile hat er 795.000 Fans und liegt damit knapp hinter Sebastian Kurz (ÖVP), der rund 810.000 Follower hat. Allerdings ist Strache der ungeschlagene „Interaktionskaiser“: Auf keinem anderen politischen Facebook-Profil wird so viel kommentiert, interagiert und geteilt wie bei dem Ex-FPÖ-Chef. Und auch in der FPÖ liegt er weit vor Parteikollegen wie Norbert Hofer (340.000 Follower) und Herbert Kickl (87.000 Follower).

Eine derart starke Onlinepräsenz neu aufzubauen wäre für die FPÖ wohl mit beachtlichen Kosten verbunden. Denn Straches Account ist wertvoll, wie eine Analyse der Seite durch Florian Magistris, Geschäftsführer des Digitalmarketingunternehmens Httpool Österreich, zeigt. Messen lässt sich das etwa mit dem Mediawert – jener Summe, die man insgesamt ausgeben müsste, um Straches Reichweite durch bezahlte Postings und Schaltungen zu erreichen. Dieser liegt bei rund 180.000 Euro im Monat, wie Magistris gegenüber ORF.at erklärt.

Video 4.000 Euro, Text 800 Euro pro Posting

Genauer aufgeschlüsselt: Im Schnitt postet Straches Account viermal am Tag. Teilt er Videos, haben diese zwischen 100.000 und 300.000 Views. Veranschlagt man die in der Werbung üblichen vier Cent pro Videoview, kommt man konservativ auf einen Medianwert von 4.000 Euro pro Video. Postings mit Bild und Text haben bei Strache eine Reichweite von 200.000 Sichtkontakten. Sie sind aber auch günstiger, und bei Strache durchschnittlich 800 Euro wert. Summa summarum kommt man auf einen Medianwert von 1.500 Euro pro Strache-Posting. Bei durchschnittlich 120 Postings im Monat ergeben sich 180.000 Euro.

Wirbel um Straches Facebook-Seite

In der FPÖ gab es am Mittwoch Querelen zu Heinz-Christian Straches Zugang zu seiner eigenen offiziellen Facebook-Seite. Auch in der „Ibiza-Affäre“ gibt es neue Details.

Diese Zahlen müsse man in Relation sehen, so Magistris. Denn auf Facebook lässt sich die Reichweite nicht direkt kommerzialisieren. Entscheidend ist aber das politische Kapital der Facebook-Seite. „Als Politiker oder Partei müsste man bis zu diesem Ausmaß Geld ausgeben, um die Inhalte in diesem Ausmaß zu verbreiten“, so Magistris.

Erfolgreich auch ohne Werbung

Dass Straches Facebook-Präsenz für die FPÖ „Gold wert“ sei, sagt auch Digitalexpertin Ingrid Brodnig zu ORF.at. Sie findet besonders bezeichnend, dass die FPÖ seit dem „Ibiza-Skandal“ kein Geld mehr in die Bewerbung der Seite steckt – und diese trotzdem noch außerordentlich gut funktioniert. In der Regel erreichen andere Politikaccounts weniger Interaktion als Straches Seite, selbst wenn sie für Werbung bezahlen.

Für die FPÖ sei aktuell gerade die hohe Reichweite heikel: „Solange Strache dort postet und sich nicht mit der Partei abstimmt, ist die Seite für die FPÖ eine Gefahr“, so Brodnig. „Strache will sich auch über Facebook in der ‚Causa Ibiza‘ verteidigen, während die FPÖ höchstwahrscheinlich lieber darüber schweigen möchte. Hier herrscht ein gewisses Gefahrenpotenzial.“

Aussperren wäre „Entmachtung“

Für Strache hingegen sei die Seite „eine Machtbastion“, die ihm ein Sprachrohr direkt zur Kernwählerschaft biete. Diese werde durch seine Postings „ständig befeuert“. Zum anderen konnte er laut Brodnig in der Vergangenheit über Facebook auch immer wieder Themen setzen und für Furore sorgen – nicht zuletzt auch in Verbindung mit Boulevardmedien.

Ein Aussperren Straches wäre auf gewisse Art und Weise auch eine „Entmachtung. Man nimmt ihm seine Möglichkeit, extrem sichtbar zu sein und in der Innenpolitik jederzeit mitzumischen“, so die Expertin. Sollte der Streit über den Facebook-Account jemals tatsächlich eskalieren, würde die Frage, wem die Page gehört, wohl interessante juristische Fragen aufwerfen: Einerseits biete Strache das Gesicht, andererseits habe die Partei in den vergangenen zehn Jahren wohl viel Geld in die Seite gesteckt.