Nationalpark in Thailand
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China-Syndrom

Thailands Tourismus im Umbruch

Traumhafte Strände, beeindruckende Tempel, freundliche Menschen, günstiger Urlaub – seit Jahrzehnten lockt Thailand damit Millionen Besucherinnen und Besucher an und macht so den Tourismus zur wichtigen Einnahmequelle. Für die Wirtschaft besonders unverzichtbar sind dabei Gäste aus China – doch die sind in letzter Zeit nicht besonders berechenbar. Für nachhaltig positive Zahlen sorgen soll deshalb eine Umorientierung der Tourismusbranche.

38,5 Millionen Menschen aus dem Ausland besuchten das südostasiatische Land vergangenes Jahr, davon kamen rund zehn Millionen aus China. Doch zu Beginn des Jahres 2019 folgte der Einbruch: Fast zwei Quartale lang herrschte Flaute, die Chinesinnen und Chinesen blieben aus. Die Ankünfte der wichtigsten Touristengruppe sanken in der Zeit um fast fünf Prozent.

Im Juli dann ein leichtes Aufatmen: Die verlorenen Prozent konnten langsam wieder aufgeholt werden. Für August ließ Thailand dann vermelden, man sei wieder auf gutem Kurs, was die Ankünfte der Chinesinnen und Chinesen anbelangt – man verzeichnete ein Plus von 15,6 Prozent im Vergleich zum August des Vorjahres.

Chinesische Touristen in Thailand
AP/ColorChinaPhoto/Feng Zi
Imageprobleme bereiteten Phuket immer weniger Touristinnen und Touristen aus China

Doch was war die Ursache für das Ausbleiben der Chinesinnen und Chinesen? Vermutet wird ein massives Imageproblem Thailands, das in China seit letztem Jahr die Runde macht. Denn auf der Ferieninsel Phuket hatte es im Juli 2018 ein schweres Bootsunglück gegeben, bei dem vorwiegend Urlauberinnen und Urlauber aus China betroffen waren. Ein für Tauchausflüge genutztes Boot mit rund 90 Personen an Bord war wegen eines Sturms gekentert, 47 Menschen starben. Berichte über den Unfall breiteten sich anschließend rasend schnell auf chinesischen Social-Media-Plattformen aus.

Sicherheitsbeamter schlug chinesischen Touristen

Das Drama hatte Folgen für den Tourismus. Charterflüge, die eigentlich von diversen chinesischen Städten aus nach Phuket gehen sollten, disponierten kurzerhand um und flogen stattdessen Urlaubsziele in Vietnam an. Ein Jahr später seien die Hotels in Phuket in der bei Chinesinnen und Chinesen beliebten Regenzeit bloß zu 40 bis 50 Prozent ausgebucht gewesen, berichtete die dortige Hotelvereinigung. Besonders sei ein Rückgang von Pauschalreisegruppen aus der Volksrepublik zu merken gewesen, schrieb etwa die „Bangkok Post“ Anfang August.

Wenig hilfreich für die Beziehung der beiden Länder war dann auch noch ein weiterer Zwischenfall: Im September 2018 tauchte ein Video auf, in dem ein thailändischer Sicherheitsbeamter einem chinesischen Touristen auf dem Flughafen Don Mueang in Bangkok einen Schlag versetzt. Auch dieser Clip ging in der Volksrepublik viral. Umgekehrt sind aus dem Königreich häufig Beschwerden über Chinesinnen und Chinesen zu vernehmen, die sich in Thailand rüpelhaft verhalten würden.

Filmkulissen lockten Touristen an

Davor hatte Thailand allerdings weniger ein Problem mit zu wenigen Touristinnen und Touristen, sondern eher mit zu vielen. So wurde Maya Bay auf der Insel Ko Phi Phi Le, der Traumstrand aus dem Film „The Beach“ (2000), dermaßen von Besucherinnen und Besuchern – jedoch vor allem aus westlichen Ländern – überrannt, dass der Strand nun bis 2021 geschlossen bleiben soll. Die thailändische Regierung verhängte ein Betretungsverbot wegen Umweltschäden.

Und auch die nördliche Stadt Chiang Mai konnte sich vor Gästen aus China kaum retten. Ausschlaggebend war dafür der chinesische Film „Lost in Thailand“ (2012), der zum Teil auf dem Campus der Chiang Mai University spielt. Anfangs entdeckte die örtliche Tourismusbranche zwar noch die Chance auf das große Geschäft, doch bald geriet die Situation außer Kontrolle. Besucherinnen und Besucher hinterließen Müll und schlichen sich zum Teil sogar in die Vorlesungen, was die Uni zu mehr Kontrollen zwang.

Thailand nicht mehr Low-Budget-Sieger?

Inzwischen plagt thailändische Hoteliers und Reiseveranstalter aber der globale Trend zum unabhängigen Reisen, der durch den Anstieg digitaler Anbieter und Unternehmen wie Airbnb ausgelöst wurde und auch vor Südostasien nicht haltmacht. STR, eine Daten- und Analysegruppe, die Hotelbuchungen verfolgt, teilte der „Financial Times“ („FT“) mit, die Auslastung in Thailand sei im ersten Halbjahr dieses Jahres um 3,5 Prozent zurückgegangen.

Hinzu kommt, dass Thailands Nachbarländer Laos, Kambodscha und vor allem das ebenfalls nahe gelegene Vietnam längst im Ranking der günstigen Urlaubsländer aufgeholt haben – eine Entwicklung, die sich bereits seit mehreren Jahren abzeichnet, wie Tourismusexpertinnen und -experten beobachten. „Thailand läuft Gefahr, seinen Anteil am Low-Budget-Urlaubssektor zu verlieren, da sich die Tourismusmärkte im benachbarten Vietnam und Kambodscha entwickeln“, analysierte etwa Fitch Solutions kürzlich für Thailand.

„Wir erwarten ein schwaches Tourismuswachstum“

Die mehr als 90 Mrd. Euro, die der Tourismus direkt und indirekt erwirtschaftet, tragen derzeit zu einem gesunden Leistungsbilanzüberschuss bei – der Hauptgrund, der ausländische Investorinnen und Investoren dazu veranlasst, Geld in Bhat-Wertpapiere zu investieren. Die Analysten beginnen jedoch nach und nach, ihre Prognosen für die Branche zumindest kurz- bis mittelfristig zu senken.

Grafik zu Touristen in Thailand
Grafik: ORF.at; Quelle: Ministry of Tourism and Sports

„Für die Zukunft erwarten wir ein flaches Tourismuswachstum, eine deutliche Verlangsamung des Exportwachstums und einen Rückgang der Handelsbilanz aufgrund der globalen Handelsspannungen“, kündigte Kiatipong Ariyapruchya, Senior Country Economist bei der Weltbank in Thailand, kürzlich an. „Wir gehen daher von einem geringeren Leistungsbilanzüberschuss aus.“

Thai Airways in der Krise

Der Tourismussektor beträgt derzeit rund zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Zählt man Geschäftszweige wie Produktion und Lieferketten dazu, kommt man laut World Travel and Tourism Council (WTTC) sogar auf ein Fünftel des BIP. Das BIP-Wachstum von 2,3 Prozent blieb heuer aber im zweiten Quartal hinter den Nachbarländern zurück.

Das langsamere Wachstum beginnt sich zunehmend auch auf verwandte Sektoren auszuweiten. Thai Airways International ist beispielsweise zuletzt in Schwierigkeiten geraten – die Verluste im zweiten Quartal haben sich verdoppelt, was auf sinkende Touristenzahlen und den intensiven Wettbewerb mit Billigairlines, wie Air Asia und Nok, zurückzuführen ist. Es kam zu Gehaltskürzungen und zum Einstellen von Verbindungen. Geschäftsführer Sumeth Damrongchaitham sprach von einer „Zeit der Krise“. Diese hält schon länger an. Doch auch die Billigflugkonkurrenten meldeten Verluste im zweiten Quartal 2019.

Chinas Wirtschaft wächst langsamer

In China sieht es kaum besser aus, wo sich die Wirtschaft zuletzt deutlich abschwächte. Der Handelskonflikt mit den USA lastet immer schwerer auf der Konjunktur der Volksrepublik und drückt das Wirtschaftswachstum auf das niedrigste Niveau seit 27 Jahren. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte heuer von April bis Juni nur noch um 6,2 Prozent zum Vorjahreszeitraum zu. Zu Jahresbeginn hatte es noch ein Plus von 6,4 Prozent gegeben. Auch das dürfte sich gewissermaßen auf das Reiseverhalten der Chinesinnen und Chinesen ausgewirkt haben, meinen Expertinnen und Experten.

Chinesische Touristen in Thailand
AP/ Imaginechina/Meng zhongde
Chinesische Touristinnen und Touristen posen für Fotos im Badeort Pattaya

Zumindest auf thailändischer Seite hat die Regierung vor, Touristinnen und Touristen bei Laune zu halten. Premierminister Prayuth Chan-ocha kündigte kürzlich an, den Tourismus in den Mittelpunkt seines Konjunkturprogramms im Wert von umgerechnet neun Mrd. Euro zu stellen. Die Tourismusbehörde will zudem eine Kampagne starten, die Besucherinnen und Besuchern aus Indien und sechs ASEAN-Ländern Rabatte außerhalb der Hochsaison anbietet.

Tourismusentwicklung seit Vietnamkrieg

Die Tourismusbranche in Thailand entwickelte sich ursprünglich mit Hilfe von Investitionen aus den USA zu Zeiten des Vietnamkriegs. Grund dafür waren einerseits die Militärstützpunkte im Isan, dem Nordosten des Landes, andererseits die Erholungsurlaube (R&R, Rest and Recreation) der Soldaten, vorwiegend in Bangkok und im Badeort Pattaya. Es entstand immer mehr touristische Infrastruktur, Hotels, Gasthäuser, Bars und zahlreiche Bordelle – obwohl es Prostitution freilich schon zuvor gab und sie in Thailand bis heute offiziell verboten ist.

Als der Vietnamkrieg 1975 zu Ende war und sich die US-Soldaten zurückgezogen hatten, beschloss die thailändische Regierung zusammen mit der Weltbank, die bereits bestehende Infrastruktur zu nutzen und global zu vermarkten. „Global“ bedeutete damals jedoch vor allem für Männer aus westlichen Ländern, wobei der Sextourismus seit den 1980er Jahren rückläufig ist.

Heute bemüht sich Thailand, mit dem Image vom „Land des Lächelns“ alle kaufkräftigen Bevölkerungsgruppen anzusprechen – zumindest offiziell egal, welches Geschlecht, welche sexuelle Orientierung und Herkunft. Dabei sollen insbesondere teurere Lifestyleangebote, etwa Yoga-Retreats (Rückzugsorte) und buddhistische Meditationskurse, das Königreich aus dem Billigurlaubschlamassel holen – wohl nicht zuletzt, um weniger abhängig von Gästezahlen aus China zu werden.