Nicola Zingaretti
Reuters/Paolo Giandotti
PD-Chef Zingaretti

Koalition mit Fünf Sternen bleibt Option

Die italienischen Sozialdemokraten (PD) sind bereit, die Möglichkeiten für eine Regierungskoalition mit der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung zu prüfen. Das erklärte PD-Chef Nicola Zingaretti am Donnerstag nach seinem Gespräch mit Präsident Sergio Mattarella, der die Konsultationen in Rom führt. Ein wesentliches Prinzip der neuen Regierung müsse aber die loyale Zugehörigkeit zur EU sein.

„Wir haben dem Präsidenten unseren Willen bekräftigt, für eine neue politische Phase in Italien zu arbeiten“, sagte der im März zum PD-Chef gewählte Zingaretti. Er räumte eine gewisse „politische Distanz“ seiner Partei zur Fünf-Sterne-Bewegung ein, die in den vergangenen 14 Monaten mit der rechtspopulistischen Lega regiert hat.

Dennoch sei er bereit, die Möglichkeit eines Regierungsbündnisses zu prüfen. Sollten die Bedingungen für eine „Regierung der Wende“ nicht vorhanden sein, sei die PD zu vorgezogenen Parlamentswahlen bereit, so Zingaretti. Er hatte bereits gestern Bedingungen für eine mögliche Koalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung gestellt – darunter eine klare Kehrtwende in der Einwanderungspolitik, bei der Europa eine wichtige Rolle spielen soll, sowie eine Verlagerung der Wirtschafts- und Sozialpolitik hin zu mehr Umverteilung und Investitionen.

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Mandate in Abgeordnetenkammer nach Parteien – Tortengrafik
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA
Mandate im Senat nach Parteien – Tortengrafik
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Lega zu Fünf Sternen: „Tür ist noch offen“

Lega-Chef und Innenminister Matteo Salvini warnte am Abend nach seinem Gespräch mit Mattarella schließlich nicht nur vor einer Regierung aus der Fünf-Sterne-Bewegung und Sozialdemokraten – er schloss auch eine Wiederbelebung seiner gescheiterten Allianz mit der Fünf-Sterne-Bewegung weiter nicht aus. „Ich bin ein konkreter Mensch und nicht nachtragend. Ich blicke nach vorne“, sagte Salvini dazu.

Vor der im Qurinialspalast versammelten Presse würdigte Salvini zudem Fünf-Sterne-Chef und Vizepremier Luigi Di Maio, mit dem er in den vergangenen Monaten gut zusammengearbeitet habe. Die Fortsetzung der Allianz mit den Fünf Sternen sei jedoch nur dann möglich, wenn beide Parteien den gemeinsamen Reformweg durchsetzen wollten.

Salvini zeigte sich zudem zuversichtlich, dass Staatschef Mattarella eine Lösung in der Regierungskrise finden werde. „Ich bin sicher, dass Mattarella die bestmögliche Wahl im Interesse des italienischen Volks treffen wird“, sagte der 46-jährige Salvini in einer kurzen Ansprache nach dem Treffen mit Mattarella.

Fünf Sterne wollen „solide Mehrheit“

Nach dem Gespräch mit Salvini traf Italiens Staatspräsident die von Di Maio angeführte Fünf-Sterne-Delegation. Die Fünf Sterne sind strikt gegen eine vorgezogene Neuwahl. Man werde das Schiff nicht sinken lassen, sagte Di Maio nach dem Gespräch. Man habe Mattarella vielmehr einen Zehnpunkteplan für einen Neustart vorgelegt. Erklärtes Ziel sei zudem eine Regierung mit einer „soliden Mehrheit“.

Laut Di Maio wurden bereits alle notwendigen Unterredungen auf den Weg gebracht, um eine Mehrheit zu finden. Mit wem verhandelt wird, ließ Di Maio zwar noch offen – eine Koalition mit der PD schließt aber auch die Fünf-Sterne-Bewegung nicht mehr aus.

Berlusconi für Mitte-rechts-Koalition

Bereits am Vormittag hatte Mattarelle die Chefin der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia (Brüder Italiens), Giorgia Meloni, empfangen. Diese bekräftigte ihre Forderung nach einer Neuwahl, die sie im Bündnis mit der rechtspopulistischen Lega zu gewinnen hofft. Auch Forza-Italia-Chef Silvio Berlusconi sprach sich nach seinem Treffen mit Mattarella für eine Neuwahl aus. Verhindern könnte das laut Berlusconi nur die Einigung auf eine Mitte-rechts-Koalition aus Lega, Fratelli d’Italia und Forza Italia – die drei Parteien verfügen derzeit allerdings über keine Mehrheit im Parlament.

Schwabenender (ORF) über Regierungskrise in Italien

ORF-Italien-Korrespondentin Mathilde Schwabenender gibt eine Einschätzung, wie wahrscheinlich eine Koalition von Sozialdemokraten und Fünf Sternen in Italien ist.

Mattarella will in den zweitägigen Gesprächen sondieren, ob die Bildung einer tragfähigen Regierungskoalition möglich ist. Bereits am Mittwoch traf der Staatspräsident im römischen Quirinalpalast zunächst mit Senatspräsidentin Maria Elisabetta Alberti Casellati und dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses, Roberto Fico, zusammen. Außerdem führte Mattarella ein Telefonat mit seinem Vorgänger und Senator auf Lebenszeit, Giorgio Napolitano.

Dazu kamen erste Treffen mit Parteivertretern. Empfangen wurde dabei auch eine Delegation der Südtiroler Volkspartei (SVP), die sich klar gegen Neuwahlen im Oktober und für eine zweite Regierung unter Führung des am Dienstag zurückgetretenen parteilosen Giuseppe Conte ausspricht.

Spekulationen über erste Frau an Regierungsspitze

Beobachtern zufolge könnte sich dann weit konkreter als bisher auch abzeichnen, wie es in der laufenden Regierungskrise weitergeht. An kolportierten Optionen besteht indes kein Mangel, wobei sich die Spekulationen vorallem um die Zusammensetzung der weiter im Raum stehenden Übergangsregierung drehen. Neben einer erneut vom parteilosen Giuseppe Conte angeführten Regierungskoalition machte hier zuletzt auch der Name vom Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, die Runde.

Während es von diesem offenbar bereits eine Absage geben soll, wird vom „Corriere della Sera“ unter anderem auch Marta Cartabia als mögliche Kandidatin für die Regierungsspitze genannt. Mit Cartabia würde, so wie in Österreich mit Brigitte Bierlein, in Italien eine Verfassungsrichterin und erstmals eine Frau eine Regierung übernehmen.