Rauch über dem Regenwald
Reuters/Ueslei Marcelino
Amazonas-Waldbrände

Globaler Streit über Regenwald

Die Brände im Amazonas-Gebiet, die die „Lunge der Welt“ gefährden, sind nun zu einem globalen politischen Streitthema geworden. Irland und Frankreich drohen Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro nun damit, das Freihandelsabkommen Mercosur zu blockieren.

Der französische Präsident Emmanuel Macron kündigte am Freitag an, das jüngst ausgehandelte Mercosur-Freihandelsabkommen zwischen EU und vier südamerikanischen Staaten, darunter Brasilien, abzulehnen. Er will zudem beim G-7-Gipfel im französischen Biarritz am Wochenende über die Feuerkatastrophe sprechen.

Macron warf Bolsonaro vor, ihn beim Gipfel der großen Industrie- und Schwellenländer (G-20) im Hinblick auf Zusagen zum Umweltschutz angeschwindelt zu haben. Er hatte bereits zuvor per Twitter erklärt, er wolle die Waldbrände auf die Agenda des G-7-Gipfels setzen. Die Brände stellten eine internationale Krise dar. „Unser Haus brennt. Wortwörtlich“, schrieb Macron am Donnerstagabend auf Twitter. Er rief die Regierungschefs der G-7-Länder auf, „diesen Notfall“ als ersten Punkt beim Gipfel zu besprechen.

Bolsonaro wirft Macron Kolonialismus vor

Bolsonaro zeigte sich empört über Macrons Tweet. „Die brasilianische Regierung ist weiterhin offen für einen Dialog, der auf objektiven Daten und gegenseitigem Respekt beruht“, schrieb der Präsident auf Twitter. „Der Vorschlag des französischen Präsidenten, die Probleme des Amazonas auf dem G-7-Gipfel zu diskutieren, ohne die Länder der Region zu beteiligen, lässt aber auf eine kolonialistische Denkweise schließen.“

Das Gipfeltreffen im südwestfranzösischen Seebad Biarritz findet von Samstag bis Montag statt. Zur G-7 gehören außer Frankreich auch Deutschland, Italien, Großbritannien, Kanada, die USA und Japan. Die EU und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel begrüßten Macrons Initiative, die Brände beim G-7-Gipfel zu besprechen.

Klima-Demonstranten in London
APA/AFP/Isabel Infantes
Proteste gibt es mittlerweile in mehreren Großstädten weltweit – hier am Freitag vor der brasilianischen Botschaft in London.

Vor Macron hatte sich auch der irische Ministerpräsident Leo Varadkar wegen der Brandrodungen besorgt gezeigt. Bis das Mercosur-Handelsabkommen in zwei Jahren ratifiziert werde, solle die brasilianische Klimapolitik genau überprüft werden. Irland werde den Deal blockieren, sollte Brasilien seine Klimaversprechen nicht einhalten.

Die deutsche Wirtschaft unterstrich dagegen die Bedeutung von Mercosur. Engere Beziehungen würden auch helfen, „gemeinsam in Umweltfragen voranzukommen“, so Volker Treier vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Auch die deutsche Regierung will den Deal nicht blockieren. Das Abkommen enthalte „ein ambitioniertes Nachhaltigkeitskapitel mit verbindlichen Regelungen zum Klimaschutz“, teilte ein Regierungssprecher in Berlin am Freitag der Nachrichtenagentur AFP mit. Ein „Nichtabschluss“ sei daher „nicht die geeignete Antwort auf das, was derzeit in Brasilien geschieht“.

Größter Tropenwald der Erde

Der Amazonas-Regenwald, der größte Tropenwald, ist für den globalen Klimaschutz von großer Bedeutung. Umweltschützer werfen Bolsonaro vor, ein politisches Klima geschaffen zu haben, in dem sich Großgrundbesitzer zu immer mehr Abholzung und Brandrodung ermutigt sehen. Der Staatschef hat immer wieder klargemacht, dass er die Amazonas-Region vor allem als ungenutztes wirtschaftliches Potenzial sieht.

Satellitenaufnahme des Amazonas
APA/AFP/NOAA/NASA
Satellitenbilder, auf denen man den Rauch sehen kann, lassen auf das Ausmaß der Brände schließen

Brüssel sieht Mercosur als Hebel

Die EU-Kommission beobachte die Feuer im Amazonas-Gebiet mit großer Sorge und sei bereit zu helfen, sagte Sprecherin Mina Andreeva. Das beste Instrument der EU, Einfluss auf die brasilianische Regierung auszuüben, sei das Mercosur-Abkommen. Dieses verpflichte die Vertragspartner, darunter Brasilien, auf Einhaltung von Umweltstandards und des Pariser Klimaabkommens von 2015.

Das Abkommen wurde bisher von den EU-Staaten nicht ratifiziert. Mit dem Vertrag wollen die EU und Argentinien, Brasilien, Paraguay sowie Uruguay die größte Freihandelszone der Welt aufbauen. Das soll Unternehmen in der EU jährlich vier Milliarden Euro an Zöllen ersparen und die Exporte ankurbeln. Brasilien und Argentinien möchten vor allem Agrarprodukte wie Fleisch und Soja an die EU-Staaten verkaufen. Fallen die Zölle auf landwirtschaftliche Erzeugnisse, könnten die argentinischen und brasilianischen Agrarunternehmen kräftig verdienen. Kritikerinnen und Kritiker des Deals betonen, die EU habe nicht auf verbindliche und einklagbare Umweltschutzstandards bestanden, sondern sich auf Versprechen Bolsonaros verlassen.

Soldaten entsandt

Angesichts der sich immer weiter ausbreitenden Brände und des internationalen Drucks machte die brasilianische Regierung aber die Brandbekämpfung nun zumindest zur Chefsache. Bolsonaro ordnete die Entsendung von Soldaten zum Kampf gegen die verheerenden Waldbrände an. Er erließ am Freitag ein Dekret, das den Einsatz von Truppen zur Verhinderung und Bestrafung von „Umweltdelikten“ und zum Kampf gegen die Flammen regelt.

Er unterzeichnete zudem eine Anordnung, die alle Minister dazu auffordert, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Brände im Amazonas-Gebiet zu überwachen und zu bekämpfen. Ziel sei die „Erhaltung und Verteidigung des Regenwaldes im Amazonas-Gebiet, unseres nationalen Erbes“, hieß es. Zudem wurden zusätzliche Feuerwehrleute in die betroffenen Bundesstaaten verlegt.

83 Prozent mehr Brandrodungen

In Brasilien wüten derzeit die schwersten Waldbrände seit Jahren. Seit Jänner nahmen die Feuer und Brandrodungen im größten Land Südamerikas im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 83 Prozent zu, wie die Zeitung „Folha de S. Paulo“ berichtete. Insgesamt wurden dem Bericht zufolge 72.843 Brände registriert. In den meisten Fällen waren Flächen in Privatbesitz betroffen, aber auch in Naturschutzgebieten und Ländereien der indigenen Bevölkerung brechen immer wieder Feuer aus.

Bolsonaro beschuldigt Umweltschützer

Bolsonaro hatte zuletzt nahegelegt, Umweltschützer hätten die Brände gelegt, um Aufmerksamkeit zu erzeugen und seine Regierung in ein schlechtes Licht zu rücken. Naturschützer hingegen gehen davon aus, dass Bauern mit den Feuern neue Weideflächen erschließen. Die Staatsanwaltschaft will nun die Verantwortlichen zur Verantwortung ziehen.

Expertin Ursula Prutsch zu den Bränden

Die Brände in der Amazonas-Region sorgen auf der ganzen Erde für Besorgnis. Ursula Prutsch vom Amerika-Institut an der Universität München kommentiert das politische Umfeld in Brasilien.

„Für die Bundesstaatsanwaltschaft ist die Bekämpfung der illegalen Entwaldung Staatsräson und keine spezifische Regierungspolitik“, hieß es in der Mitteilung der Ermittler. „Der Kampf gegen Abholzung und Brandrodung ist keine Handlungsoption der öffentlichen Hand. Es ist ihre Pflicht.“

US-Präsident Donald Trump sprang unterdessen Bolsonaro zur Seite. Trump schrieb am Freitagabend auf Twitter, er habe Bolsonaro Hilfe beim Kampf gegen die Brände im Amazonas-Regenwald angeboten. Die USA stünden bereit, Brasilien hier zu unterstützen. Trump twitterte, er habe soeben mit Bolsonaro gesprochen. Die Handelsaussichten beider Länder seien aufregend und die Beziehungen stark, „vielleicht stärker denn je“, schrieb der US-Präsident weiter.

NGOs: Keine innere Angelegenheit Brasiliens

Aktivisten forderten schnelles Handeln. Die Brände seien wegen der großen Bedeutung der Wälder für den Klimaschutz auch keine innere Angelegenheit Brasiliens, wie Bolsonaro vorgebe. „Die Welt vertrödelt die wenige verbliebene Zeit, um die Menschheit zu retten“, sagte der australische „Waldmacher“ und Agrarexperte Tony Rinaudo, der 2018 den Alternativen Nobelpreis für eine regenerative Methode der Wiederaufforstung bekommen hatte. „Jedes Großfeuer, egal wo, ist von globaler und nicht nur lokaler Bedeutung. Wir alle verlieren.“