Waldbrand im Amazonasgebiet
AP/Leo Correa
Brände am Amazonas

Aktivisten fordern sofortiges Handeln

Die Waldbrände im Amazonas-Gebiet versetzen viele Menschen weltweit in Schock über die Klimakrise und die brasilianische Wirtschafts- und Umweltpolitik. NGOs fordern nicht nur Brasilien, sondern auch die Industrienationen zum sofortigen Handeln auf. Doch Brasiliens ultrarechter Präsident Jair Bolsonaro will sich nicht von außen in die Karten blicken lassen.

Die Entwicklungsorganisation Oxfam rief zum Kampf gegen die verheerenden Waldbrände im Amazonas-Gebiet auf. Die sieben großen Industrienationen (G-7), die am Wochenende im französischen Biarritz zusammenkommen, seien gefordert, weil sie historisch verantwortlich für den Klimawandel seien, sagte Jörn Kalinski von Oxfam am Samstag.

Sie würden ihre Emissionen nicht ausreichend reduzieren und arme Länder nicht unterstützen, die Folgen der Erderwärmung zu bewältigen, kritisierte Kalinski. „Unser kaputtes und schiefes globales Wirtschaftssystem verbrennt den Planeten, und heute steht der Amazonas in Flammen.“

Oxfam: Zum Kapitalismus ermutigt

Die G-7-Länder hätten ein Modell des Kapitalismus ermutigt und weiter getrieben, das Gewinne auf Kosten der Ärmsten maximiere und jetzt von Brasilien verfolgt werde. Oxfam unterstütze die Forderungen, das Mercosur-Freihandelsabkommen zwischen der EU und vier südamerikanischen Staaten auf Eis zu legen, da es auf der Grundlage vereinbart worden sei, dass Brasilien seine internationalen Verpflichtungen im Klima- und Umweltschutz einhalte, sagte Kalinski.

Oxfam-Aktivisten mit Politikermasken
APA/AFP/Bertrand Guay
Oxfam-Aktivistinnen und -Aktivisten demonstrieren anlässlich des G-7-Gipfels in Biarritz

„Wie wir jetzt am Amazonas wie auch bei den verheerenden Fluten in Südasien sehen, sind es die Ärmsten, die an vorderster Front unserer Klimakrise stehen“, sagte Kalinski. Die G-7-Staaten, die für ein Viertel des energiebedingten weltweiten Ausstoßes von Treibhausgasen verantwortlich sind, müssten aufhören zu reden und endlich handeln.

Die Brände seien wegen der großen Bedeutung der Wälder für den Klimaschutz auch keine innere Angelegenheit Brasiliens, wie Bolsonaro vorgebe, sagte auch der australische „Waldmacher“ und Agrarexperte Tony Rinaudo. Er erhielt 2018 den alternativen Nobelpreis für eine regenerative Methode der Wiederaufforstung. „Die Welt vertrödelt die wenige verbliebene Zeit, um die Menschheit zu retten“, so Rinaudo. „Jedes Großfeuer, egal wo, ist von globaler und nicht nur lokaler Bedeutung. Wir alle verlieren.“

Macron: „Unser Haus brennt. Wortwörtlich.“

Der französische Präsident Emmanuel Macron kündigte am Freitag an, das jüngst ausgehandelte Mercosur-Freihandelsabkommen zwischen EU und vier südamerikanischen Staaten, darunter Brasilien, abzulehnen. Macron warf Bolsonaro vor, ihn beim Gipfel der großen Industrie- und Schwellenländer (G-20) im Hinblick auf Zusagen zum Umweltschutz angeschwindelt zu haben.

Er hatte bereits zuvor auf dem Kurznachrichtendienst Twitter erklärt, er wolle die Waldbrände auf die Agenda des G-7-Gipfels setzen, was viele weitere Länder wie Irland und Deutschland begrüßten. Die Brände stellten eine internationale Krise dar, so Macron: „Unser Haus brennt. Wortwörtlich“, schrieb er am Donnerstagabend auf Twitter.

Er rief die Regierungschefs der G-7-Länder auf, „diesen Notfall“ als ersten Punkt beim Gipfel zu besprechen. Irland ging sogar noch einen Schritt weiter und kündigte an, den Mercosur-Deal zu blockieren, sollte Brasilien seine Klimaversprechen nicht einhalten.

Bolsonaro zeigte sich empört über Macrons Tweet. „Die brasilianische Regierung ist weiterhin offen für einen Dialog, der auf objektiven Daten und gegenseitigem Respekt beruht“, schrieb der Präsident auf Twitter. „Der Vorschlag des französischen Präsidenten, die Probleme des Amazonas auf dem G-7-Gipfel zu diskutieren, ohne die Länder der Region zu beteiligen, lässt aber auf eine kolonialistische Denkweise schließen.“

Soldaten entsandt

Angesichts der sich immer weiter ausbreitenden Brände und des internationalen Drucks machte die brasilianische Regierung aber die Brandbekämpfung nun zumindest zur Chefsache. Bolsonaro ordnete die Entsendung von Soldaten zum Kampf gegen die verheerenden Waldbrände an. Er erließ am Freitag ein Dekret, das den Einsatz von Truppen zur Verhinderung und Bestrafung von „Umweltdelikten“ und zum Kampf gegen die Flammen regelt.

Demonstranten in Brasilien
AP/Andre Penner
Brasilianische Aktivistinnen und Aktivisten versuchten zu verdeutlichen, wie viel vom Regenwald durch die Flammen zerstört wird

Er unterzeichnete zudem eine Anordnung, die alle Minister dazu auffordert, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Brände im Amazonas-Gebiet zu überwachen und zu bekämpfen. Ziel sei die „Erhaltung und Verteidigung des Regenwaldes im Amazonas-Gebiet, unseres nationalen Erbes“, hieß es. Zudem wurden zusätzliche Feuerwehrleute in die betroffenen Bundesstaaten verlegt.

US-Präsident Donald Trump sprang unterdessen Bolsonaro zur Seite. Trump schrieb am Freitagabend auf Twitter, er habe Bolsonaro Hilfe beim Kampf gegen die Brände im Amazonas-Regenwald angeboten. Die USA stünden bereit, Brasilien hier zu unterstützen. Trump twitterte, er habe soeben mit Bolsonaro gesprochen. Die Handelsaussichten beider Länder seien aufregend und die Beziehungen stark, „vielleicht stärker denn je“, schrieb der US-Präsident weiter.

Tusk macht Mercosur-Deal von Brandbekämpfung abhängig

EU-Ratspräsident Donald Tusk machte am Samstag den Fortgang der Ratifizierung des Mercosur-Deals von einem glaubwürdigen Einsatz Brasiliens zur Bekämpfung der Brände abhängig. Zwar stehe die EU weiter zu dem Abkommen, „doch ist es schwierig, sich einen harmonischen Ratifizierungsprozess vorzustellen, solange die brasilianische Regierung die Zerstörung der grünen Lunge des Planeten Erde zulässt“, sagte Tusk vor Beginn des G-7-Gipfels.

Auch die EU-Kommission beobachte die Feuer im Amazonas-Gebiet mit großer Sorge und sei bereit zu helfen, sagte Sprecherin Mina Andreeva, verdeutlichte aber die Wichtigkeit des Mercosur-Abkommens. Das beste Instrument der EU, Einfluss auf die brasilianische Regierung auszuüben, sei eben dieses. Der Mercosur-Deal verpflichte die Vertragspartner, darunter Brasilien, auf Einhaltung von Umweltstandards und des Pariser Klimaabkommens von 2015.

Satellitenaufnahme des Amazonas
APA/AFP/NOAA/NASA
Satellitenbilder, auf denen man den Rauch sehen kann, lassen auf das Ausmaß der Brände schließen

Mit dem Mercosur-Vertrag wollen die EU und Argentinien, Brasilien, Paraguay sowie Uruguay die größte Freihandelszone der Welt aufbauen. Das soll Unternehmen in der EU jährlich vier Milliarden Euro an Zöllen ersparen und die Exporte ankurbeln. Brasilien und Argentinien möchten vor allem Agrarprodukte wie Fleisch und Soja an die EU-Staaten verkaufen. Fallen die Zölle auf landwirtschaftliche Erzeugnisse, könnten die argentinischen und brasilianischen Agrarunternehmen kräftig verdienen. Kritikerinnen und Kritiker des Deals betonen, die EU habe nicht auf verbindlichen und einklagbaren Umweltschutzstandards bestanden, sondern sich auf Versprechen Bolsonaros verlassen.

Indigene bedroht

Der brasilianische Häuptling Raoni Metuktire rief indessen die internationale Gemeinschaft zum Einschreiten gegen den brasilianischen Staatschef Bolsonaro auf. Frankreichs Staatschef Macron und weitere internationale Akteure könnten „Druck machen“, damit das brasilianische Volk Bolsonaro „loswird“ und das Parlament des südamerikanischen Staates die Absetzung des Präsidenten beschließe, sagte Raoni am Freitag.

Das Oberhaupt des Volks der Kayapo machte Bolsonaro für die Feuer im Amazonas-Gebiet verantwortlich. „Er will mit dem Wald Schluss machen, mit uns“, sagte Raoni. „Es ist wirklich schrecklich, was er macht.“ Der brasilianische Präsident stachle die Bauern dazu an, den Regenwald in Flammen zu setzen, um zusätzliches Ackerland zu gewinnen. Indigene seien in Gefahr.

Bitte um internationale Unterstützung

Zugleich bat Raoni um internationale Unterstützung bei der Bekämpfung der Brände. „Ich will, dass es eine allgemeine Mobilmachung zur Löschung dieser Feuer gibt“, sagte er. Nach eigenen Angaben hatte er nie zuvor Brände dieses Ausmaßes im Amazonas-Gebiet gesehen.

Bolsonaro hatte zuletzt nahegelegt, Umweltschützerinnen und Umweltschützer hätten die Brände gelegt, um Aufmerksamkeit zu erzeugen und seine Regierung in ein schlechtes Licht zu rücken. Umwelt-NGOs hingegen gehen davon aus, dass Bauern mit den Feuern neue Weideflächen erschließen.

Das brasilianische Weltraumforschungsinstitut (INPE) hatte Anfang der Woche alarmierende Zahlen und Satellitenbilder von Waldbränden am Amazonas veröffentlicht. In Brasilien habe es seit Jahresbeginn bereits mehr als 76.000 Waldbrände gegeben – ein Zuwachs von 84 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Hauptgrund ist die Waldrodung. Allein zwischen Mittwoch und Donnerstag kamen laut INPE rund 700 neue Brände hinzu.