NASA-Astronautin Anne McClain
APA/AFP/Kirill Kudryavtsev
Onlinebanking auf ISS

Erste Anzeige wegen Delikts im Weltall

Die NASA und die US-Verbraucherschutzbehörde untersuchen den möglicherweise ersten Fall eines Delikts im Weltall. Eine Astronautin soll sich von der Internationalen Raumstation (ISS) aus in das Onlinebanking-Konto ihrer früheren Ehepartnerin eingeloggt und Geld überwiesen haben.

Die NASA-Astronautin Anne McClain, die heuer ein halbes Jahr auf der ISS war, gab nach einer Befragung nach ihrer Rückkehr zur Erde zu, sich in das Konto eingeloggt zu haben, berichtete am Samstag die „New York Times“. Sie leugne aber jegliches Fehlverhalten.

Ihre Ehepartnerin, Summer Worden, hatte zuvor eine Beschwerde bei der NASA und bei der US-Verbraucherschutzbehörde eingereicht. Das Paar lebt nicht mehr zusammen.

„Nie etwas Unpassendes gemacht“

McClain betonte über ihren Anwalt gegenüber der „New York Times“, dass sie nur bemüht gewesen sei, die Familienfinanzen in Ordnung zu halten und dafür zu sorgen, dass die Rechnungen und Kosten für den Sohn von Worden, den sie bis zur ihrer Trennung gemeinsam erzogen hatten, bezahlt werden. „Sie leugnet ganz dezidiert, dass sie etwas Unpassendes gemacht hat“, so McClains Anwalt Rusty Hardin.

McClain war jahrelang eine Kampfpilotin der US-Air Force und flog zahlreiche Kampfeinsätze, etwa im Irak. Worden wiederum ist Geheimdienstoffizierin bei der Air Force. Das Paar heiratete 2014, und Worden reichte im Vorjahr die Scheidung ein.

Astronautin Anne McClain
Reuters/Shamil Zhumatov
McClain ist Absolventin der Militärakademie West Point

Sie sei während der Dauer der Beziehung stets für die Finanzen der Familie zuständig gewesen und habe dafür regelmäßig auf Wordens Konto zugegriffen. Das habe diese auch nie gestört. Und Worden habe ihr nicht mitgeteilt, dass sie nicht mehr auf ihr Konto zugreifen solle, behauptete McClain.

Der Zeitung zufolge gibt es keine Anhaltspunkte, dass Geld auf dem Konto abhandengekommen ist. Die ehemalige Partnerin McClains aber beschuldigte die Astronautin den Behörden gegenüber des Identitätsdiebstahls. In einer anderen Beschwerde gegenüber der NASA heißt es, McClains Zugriff auf das Konto habe dazu gedient, Argumente dafür sammeln zu können, ihrer Ex das Sorgerecht für deren Sohn streitig zu machen. Die Untersuchungen dauern an.

Nationales Recht gilt

An der ISS sind fünf nationale Weltraumagenturen beteiligt: die USA, Kanada, Japan, Russland und mehrere europäische Staaten (via ESA). Die Regelung zwischen den Agenturen sieht vor, dass jeweils das nationale Recht Anwendung findet auf Personen und Gegenstände im All. Begeht also ein kanadischer Bürger ein Verbrechen oder Vergehen im All, so wird er nach kanadischem Recht verurteilt, bei einer russischen Staatsbürgerin käme russisches Recht zur Anwendung.

Mark Sundahl, Leiter des Zentrums für Weltraumrecht an der Cleveland University, betonte, der aktuelle Fall sei die erste ihm bekannte Anschuldigung eines Vergehens im Weltall. Auch die NASA betonte gegenüber der „NYT“, ihr sei kein Fall von Verbrechen auf der Raumstation bekannt. Das Weltallrecht regelt auch die Auslieferung zurück an die Erde, sollte ein Staat beschließen, einen Astronauten oder eine Astronautin anzuklagen.

Der kanadische Astronaut David Saint-Jacques (rechts) und die NASA-Astronautin Anne McClain während eines Spacewalks
AP/NASA/Canadian Space Agency/The Canadian Press/Ryan Remiorz
McClain mit dem kanadischen Astronauten David Saint-Jacques im Außeneinsatz

Probefall für Zukunft

Der Fall klingt zunächst obskur, könnte aber schon in naher Zukunft deutlich relevanter werden. Nämlich dann, wenn die verschiedenen Projekte für Weltraumtourismus abheben und plötzlich deutlich mehr Menschen sich – zumindest kurzfristig – im All aufhalten werden.

Der Ehestreit im Weltall dürfte der erste Fall dieser Art sein – aber wohl nicht der letzte, so die „New York Times“, die den Juristen Sundahl zitierte: „Je mehr Menschen ins All gelangen und dort Zeit verbringen, werden all die Dinge, die hier passieren, auch im Weltraum passieren.“

Passender Raumanzug fehlte

Für Aufsehen hatte McClains Einsatz übrigens bereits im Frühjahr – freilich aus ganz anderem Grund – gesorgt: Sie hätte eigentlich im März am ersten rein mit Astronautinnen besetzten Außeneinsatz an der ISS teilnehmen sollen. Dazu kam es allerdings nicht, weil nicht ausreichend passende Raumanzüge zur Verfügung standen.

Beiden, McClain und der ebenfalls US-amerikanischen Astronautin Christina Koch, hatte der Raumanzugoberteil in mittlerer Körpergröße gepasst, davon war aber nur einer einsatzfähig. McClain absolvierte aber zwei Außeneinsätze zusammen mit männlichen Kollegen. Die erste Frau auf Außeneinsatz war 1984 Swetlana Sawizkaja, den Rekord hält Peggy Whitson mit zehn Außeneinsätzen.