Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron
Reuters/Christian Hartmann
Handelsstreit

Angst vor Rezession überschattet G-7-Gipfel

Der Handelsstreit zwischen den USA und China und die damit verbundene, wachsende Sorge vor einer weltweiten Rezession haben den G-7-Gipfel zum Auftakt überschattet. Die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrienationen versuchen im französischen Biarritz in Zeiten von Us- Präsident Donald Trump einmal mehr einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden.

Der Gastgeber, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, versuchte noch vor Beginn mit einem ungewöhnlichen Schritt Bewegung in die mittlerweile recht zerstrittene Gruppe der G-7 zu bringen. So lud er Trump sofort nach dessen Ankunft spontan – und entgegen der minutiös und mit dem Weißen Haus abgestimmten Planung – zu einem Lunch ein. Nur zu zweit, ohne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Anschließend gaben sich beide optimistisch, dass man sich in wichtigen Fragen einigen oder zumindest näherkommen könne. Was das wiegt angesichts von Trumps ansatzlosen Positionswechseln, bleibt abzuwarten.

„Schädlich für die ganze Welt“

Vor Beginn des Gipfels hatten die europäischen Vertreter Trump jedenfalls via Medien ins Gewissen geredet: Eine konfrontative Handelspolitik sei „schädlich für die ganze Welt“, sagte Macron. EU-Ratspräsident Donald Tusk warnte vor Handelskriegen, die „zur Rezession“ führen. Ähnlich äußerte sich der britische Premierminister Boris Johnson. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte vor nationalen Alleingängen bei globalen Problemen.

Trump legt nach

Trump hatte kurz vor seinem Abflug nach Biarritz die Strafzölle auf chinesische Waren erhöht. Seit Monaten belegen sich die beiden weltgrößten Volkswirtschaften mit immer neuen Steuern, während die Weltwirtschaft immer klarere Signale einer Schwächephase aussendet. Der US-Präsident drohte zudem Frankreich mit Strafzöllen auf Wein, wenn das Land weiter eine Digitalsteuer auf US-Internetkonzerne wie Google und Apple erhebt.

Nach der weiteren Zuspitzung des Handelsstreits zwischen den US und China warnte zu Beginn des G-7-Gipfels eine Vertreterin der US-Notenbank unterdessen vor Gefahren für die US-Wirtschaft. Je mehr dieser Handelskrieg eskaliere, desto mehr müsse das für ein Szenario eines schwachen Wachstums berücksichtigt werden, sagte die Präsidentin des regionalen Fed-Ablegers aus Cleveland, Loretta Mester, am Samstag am Rande der Fed-Konferenz in Jackson Hole der Nachrichtenagentur Reuters.

US-Präsident Donald Trump und der französische Präsident Emmanuel Macron
AP/Andrew Harnik
Macron überredete Trump vor dem Gipfelstart zu einem spontanen Lunch zu zweit

„Gibt großes Abwärtsrisiko“

Wenn es viele Unsicherheiten gebe, vor allem von der Handelsseite, würden viele Unternehmer und Verbraucher erwägen, sich besser zurückzuhalten: „Ich glaube, hier gibt es ein großes Abwärtsrisiko.“ Trump macht seit Wochen Druck, dass die Fed die Folgen des von ihm angezettelten Handelskrieges abfedert, indem sie die Zinsen senkt.

Das hatte Fed-Chef Jerome Powell erst am Freitag verweigert und sich dafür von Trump den Vorwurf eingehandelt, ein „Verräter“ zu sein. Dass Trump mit seinen Dauerattacken die für die US-Wirtschaft entscheidende Unabhängigkeit unterminiert, ist ihm offenbar egal bzw. nimmt er es in Kauf. Die Konjunktur ist eines seiner zentralen Wahlkampfthemen. Ein Abschwung wäre für Trump politisch vor der Präsidentschaftswahl 2020 ein schwerer Rückschlag.

Macron: „Brauchen Deeskalation“

Auf diese angespannte Ausgangslage nahm Macron in einer TV-Ansprache in Biarritz Bezug: „Wir müssen es schaffen, zu einer Form der Deeskalation zu kommen (…) und diesen Handelskrieg zu vermeiden, der sich überall abzeichnet.“ EU-Ratspräsident Tusk warnte seinerseits: „Handelskriege führen zur Rezession, Handelsverträge beleben die Wirtschaft.“

Der britische Premierminister Johnson warnte in Biarritz: „Diejenigen, die Strafzölle unterstützen, laufen Gefahr, später für den Abschwung der Weltwirtschaft verantwortlich gemacht zu werden.“ Merkel mahnte eine „gemeinsame Herangehensweise“ bei globalen Streitfragen an. Kein Land könne die Rahmenbedingungen „alleine festlegen“.

Demonstration in Hendaye
APA/AFP/Georges Gobet
Tausende hatten nachmittags friedlich in Hendaye protestiert. Später kam es Bayonne zu Ausschreitungen. Auf Steinwürfe reagierte die Polizei mit Tränengas.

Werben um Abstimmung bei Iran

Macron appellierte auch an Trump, eine Annäherung im Konflikt um den Iran zu ermöglichen: Nötig sei eine „enge Abstimmung“, denn allen gehe es um das gleiche Ziel: „Sicherzustellen, dass der Iran keinen Zugang zu Atomwaffen bekommt.“

Trump hatte einseitig das internationale Abkommen aufgekündigt, das den Iran vom Bau einer Atombombe abhalten soll. Der US-Präsident reagierte ausweichend auf Macrons Vorstöße als G-7-Gastgeber: „Manchmal geraten wir ein wenig aneinander“, sagte Trump vor dem Mittagessen mit Macron auf der Terrasse des Luxushotels Hotel du Palais, wo der Gipfel stattfindet. „Aber das Wetter ist perfekt, und alle verstehen sich.“

Lange Liste an Themen

Bei dem bis Montag dauernden Treffen soll eine lange Liste von Themen angesprochen werden: die Konflikte in Syrien und der Ukraine, die Brände im Amazonas-Urwald, Entwicklungspolitik, die Chancen und Risiken der Digitalisierung und die Lage in Afrika, insbesondere in der Sahelzone. Auch die schwierigen Brexit-Verhandlungen dürften zur Sprache kommen.

Mit Blick auf die Kriege in Syrien und in der Ostukraine sagte Macron: „In diesen Bereichen sind wir uns manchmal nicht einig.“ Die Europäer hoffen, die USA zur Abschwächung ihrer „Politik des maximalen Drucks“ auf den Iran zu bewegen. Das soll den Weg zu neuen Verhandlungen mit Teheran ebnen.