Die Waldfläche, die in den letzten Tagen niederbrannte, umfasse zumindest 950.000 Hektar, 9.500 Quadratkilometer, wie die bolivianische Forstverwaltung am Samstag (Ortszeit) mitteilte. Die Fläche entspricht in etwa der Kärntens. Ein Drittel des geschützten Chiquitano-Waldes sei vernichtet, knapp 1.900 indigene Familien aus Dutzenden Siedlungen hätten vor den Bränden fliehen müssen.
In Bolivien wurde zuletzt auch ein spezielles Löschflugzeug aus den USA, eine zum „Supertanker“ umgebaute Boeing 747-400 eingesetzt. Das Flugzeug kann 75.000 Liter Löschwasser fassen und auf einmal aus der Luft abwerfen. „Wir planen vier Löscheinsätze pro Tag“, hatte Boliviens Verteidigungsminister Javier Zavaleta am Samstag der Zeitung „La Razon“ gesagt. „Wir werden den Kampf gegen das Feuer gewinnen.“ Auf dem Boden kämpfen Feuerwehr, Armee, Polizei und Freiwillige gegen die Flammen.
Weniger Strafen und deutlich mehr Brände
Boliviens Präsident Evo Morales hatte die übrigen Staaten der Amazonas-Region am Freitag zu einer Krisensitzung aufgerufen. Am stärksten sind die Amazonas-Region Brasiliens und Boliviens betroffen, aber auch in anderen Ländern der Region wie Peru, Paraguay und Argentinien brennt es an vielen Stellen. Als Ursache werden Brandstiftung bzw. illegale Brandrodungen vermutet.
In diesem Kontext wies die BBC in einer Analyse am Sonntag auf einen mutmaßlichen Zusammenhang zwischen der Zahl der Strafen wegen Brandlegungen und der Zahl der Brände in den letzten Monaten in Brasilien hin. Seit der ultrarechte und in der Wirtschaftspolitik Jair Bolsonaro Präsident ist (1. Jänner), seien fast um ein Drittel weniger Strafen verhängt worden als im Vergleichszeitraum des letzten Jahres. Die Zahl der Brände sei im selben Zeitraum, von Jänner bis August, um 84 Prozent gestiegen.
Lokalaugenschein aus Manaus
ORF-Korrespondent David Kriegleder ist in der brasilianischen Stadt Manaus und hat die Menschen gefragt, wie sie selbst die Brände wahrnehmen.
Drückte Bolsonaro ein Auge zu?
Es sei nicht klar, wie viele der Brände tatsächlich absichtlich gelegt wurden, allerdings habe sich Bolsonaro mehrfach vorwerfen lassen müssen, dass er die Zerstörung des Regenwalds am Amazonas stillschweigend toleriere. Zuletzt machte auch die internationale Gemeinschaft politisch Druck auf den brasilianischen Präsidenten. Er mobilisierte schließlich die Armee, die mit 44.000 Soldaten helfen soll, die Brände zu bekämpfen und den Urwald zu retten, wie Bolsonaro sagte.
Er erließ außerdem ein Dekret, das den Einsatz von Truppen zur Verhinderung und Bestrafung von „Umweltdelikten“ und zum Kampf gegen die Flammen regelt. Er unterzeichnete zuletzt noch eine Anordnung, die alle Minister dazu auffordert, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Brände im Amazonas-Gebiet zu überwachen und zu bekämpfen. Ziel sei die „Erhaltung und Verteidigung des Regenwalds im Amazonas-Gebiet, unseres nationalen Erbes“, hieß es.
G-7 kündigen Hilfe an
Die sieben führenden westlichen Industriestaaten wollen unterdessen die Bekämpfung der Waldbrände im Amazonas-Gebiet unterstützen. Die Hilfe der G-7-Gruppe solle den betroffenen Ländern „so schnell wie möglich“ zugute kommen, sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron beim Gipfeltreffens der Staatengruppe am Sonntag in Biarritz.
Riesige Zerstörung am Amazonas
Die Brände am Amazonas haben mittlerweile riesige Waldflächen vernichtet. Im Norden Brasiliens brachen in den letzten Tagen Hunderte neue Feuer aus.
Macron sprach von einem „internationalen Mobilisierungsmechanismus“, über den finanzielle und technische Hilfe an die Staaten im Amazonasbecken fließen solle. Die G-7-Länder stünden „mit allen Ländern des Amazonas-Gebiets“ in Kontakt, dabei gehe es um die Details der Unterstützung, sagte er. Die brasilianische Regierung stellte mit sofortiger Wirkung 38,5 Mio. Reais (8,3 Mio. Euro) zur Bekämpfung der Waldbrände frei.
Über 1.600 neue Brände binnen kürzester Zeit
Die BBC bezog sich in ihrer Analyse auf offizielle Zahlen des brasilianischen Instituts für Umwelt und erneuerbare natürliche Ressourcen (Instituto Brasileiro do Meio Ambiente e dos Recursos Naturais Renovaveis, IBAMA). Die Zahl der Strafen sei die niedrigste in zehn Jahren gewesen, hieß es bei der BBC. Sie sank von fast 22.000 im Jahr 2009 auf aktuell knapp 7.000. Weder das Institut noch das brasilianische Umweltministerium hätten Fragen zu den Zahlen beantworten wollen, berichtete CNN.
Im Regenwald im Norden Brasiliens brachen laut Daten des staatlichen Weltraumforschungsinstituts Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais (INPE) allein von Donnerstag bis Freitag 1.663 neue Brände aus. Laut dem Institut gab es heuer in Brasilien bereits mehr als 76.000 Waldbrände – ein Zuwachs von besagten 84 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Hauptgrund sind Rodungen, Bolsonaro machte hingegen wiederholt Umweltschutzgruppen dafür verantwortlich.
Macron: „Unser Haus brennt. Wortwörtlich.“
Macron, Gastgeber des Gipfels der sieben wichtigsten Industrienationen am Wochenende in Biarritz hatte am Freitag angekündigt, das jüngst ausgehandelte Mercosur-Freihandelsabkommen zwischen der EU und vier südamerikanischen Staaten, darunter Brasilien, abzulehnen. Macron warf Bolsonaro vor, ihn beim Gipfel der großen Industrie- und Schwellenländer (G-20) im Hinblick auf Zusagen zum Umweltschutz angeschwindelt zu haben.
Er hatte bereits zuvor auf dem Kurznachrichtendienst Twitter erklärt, er wolle die Waldbrände auf die Agenda des G-7-Gipfels setzen, was viele weitere Länder wie Irland und Deutschland begrüßten. Die Brände stellten eine internationale Krise dar, so Macron: „Unser Haus brennt. Wortwörtlich“, schrieb er auf Twitter.
Bolsonaro antwortet mit Kolonialismusvorwurf
Bolsonaro zeigte sich empört über Macrons Tweet. „Die brasilianische Regierung ist weiterhin offen für einen Dialog, der auf objektiven Daten und gegenseitigem Respekt beruht“, antwortete er – ebenfalls via Twitter. „Der Vorschlag des französischen Präsidenten, die Probleme des Amazonas auf dem G-7-Gipfel zu diskutieren, ohne die Länder der Region zu beteiligen, lässt aber auf eine kolonialistische Denkweise schließen.“
Auch EU-Ratspräsident Donald Tusk machte zuletzt den Fortgang der Ratifizierung des Mercosur-Deals von einem glaubwürdigen Einsatz Brasiliens zur Bekämpfung der Brände abhängig. Zwar stehe die EU weiter zu dem Abkommen, „doch ist es schwierig, sich einen harmonischen Ratifizierungsprozess vorzustellen, solange die brasilianische Regierung die Zerstörung der grünen Lunge des Planeten Erde zulässt“, sagte Tusk vor Beginn des G-7-Gipfels.
Mit dem Mercosur-Vertrag wollen die EU und Argentinien, Brasilien, Paraguay sowie Uruguay die größte Freihandelszone der Welt aufbauen. Das soll Unternehmen in der EU jährlich vier Milliarden Euro an Zöllen ersparen und die Exporte ankurbeln. Brasilien und Argentinien möchten vor allem Agrarprodukte wie Fleisch und Soja an die EU-Staaten verkaufen.