Steinmeier gedachte der Opfer von SS-Massaker in Italien

Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat bei einem Besuch in der norditalienischen Gemeinde Fivizzano die dort begangenen NS-Verbrechen – unter Führung des österreichischen SSlers Walter Reder – als Mahnung für ein engagiertes Eintreten gegen Nationalismus und Rassismus bezeichnet.

„Nie wieder entfesselter Nationalismus“

„Unser gemeinsames Europa“ gründe „auf einem Versprechen: Nie wieder entfesselter Nationalismus, nie wieder Krieg auf unserem Kontinent, nie wieder Rassismus, Hetze und Gewalt!“, sagte Steinmeier heute bei einer Gedenkfeier.

Walter Steinmeier in Italien
APA/AFP/Quirinale Press Office

An diese Lehre müssten sich die Menschen heute wieder erinnern, „gerade in Zeiten, in denen das Gift des Nationalismus wieder einsickert in Europa“, sagte Steinmeier. Die Europäer müssten aus Respekt vor den Opfern und Überlebenden der NS-Verbrechen „streiten für Freiheit und Demokratie, für Menschenrechte und Menschlichkeit, für unser vereintes Europa – heute vielleicht sogar stärker als zuvor“.

„Recht, dass bekannt wird, was Ihnen angetan wurde“

Steinmeier hielt seine Rede auf Italienisch vor etwa 200 geladenen Gästen sowie zahlreichen Einwohnerinnen und Einwohnern von Fivizzano. Er betonte, er habe bewusst Fivizzano für das Gedenken an die Opfer deutscher Kriegsverbrechen in Italien gewählt, weil von den dort begangenen Massakern in Deutschland kaum jemand wisse. Die Opfer und ihre Nachfahren hätten aber „ein Recht darauf, dass auch bei uns in Deutschland bekannt wird, was Ihnen angetan wurde“.

Sein Besuch in Fivizzano sei für ihn als Bundespräsident und als Deutscher ein „unendlich schwerer Weg“, und er empfinde „ausschließlich Scham“ über die deutschen Kriegsverbrechen, sagte Steinmeier. Zugleich sei er „zutiefst dankbar“, „dass wir diesen Weg des Erinnerns und Gedenkens um einer besseren Zukunft willen gemeinsam gehen können“. Die SPÖ-Sprecherin für Gedenkkultur, Sabine Schatz, betonte in einer Aussendung, „es wäre ein wichtiges Signal, wenn auch das offizielle Österreich der Opfer gedenken würde“.

„Schwangere bestialisch abgeschlachtet“

Das Staatsoberhaupt erinnerte an den „unbeschreiblichen, unbändigen Hass“ der Nationalsozialisten, der zu Verbrechen wie in Fivizzano geführt habe. „Sogar Schwangere und kleine Kinder wurden bestialisch abgeschlachtet.“ Leider seien die meisten Täter nicht zur Rechenschaft gezogen worden, und auch in Deutschland habe es zu lange gedauert, bis der Verbrechen gedacht und sie juristisch aufgearbeitet worden seien.

Rache für Partisanenangriff

Aus Rache für einen Partisanenangriff hatten im August 1944 Männer der 16. SS-Panzergrenadier-Division „Reichsführer SS“ unter Führung Reders über mehrere Tage hinweg insgesamt mehr als 320 Menschen in mehreren Ortschaften von Fivizzano ermordet. Weitere Massaker begingen die SS-Männer im Mai 1944 in der Ortschaft Mommio und im September 1944 in Tenerano.

Insgesamt wurden mehr als 400 Menschen umgebracht. Bei den Opfern handelte es sich zumeist um Frauen, Kinder und ältere Menschen. Die zu Fivizzano gehörende Ortschaft Vinca wurde von den SS-Leuten völlig zerstört.

Affäre Frischenschlager

Der auch wegen anderer Gräueltaten in Italien (z. B. das Massaker von Marzabotto) als Kriegsverbrecher verurteilte Reder kehrte nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis 1985 nach Österreich zurück, wo er vom damaligen FPÖ-Verteidigungsminister Friedhelm Frischenschlager per Handschlag begrüßt wurde. Das führte zu scharfer Kritik vor allem des Koalitionspartners SPÖ wie auch der ÖVP. Die SPÖ-FPÖ-Koalition zerbrach daran beinahe. Frischenschlager überstand einen Misstrauensantrag knapp, Monate später aber trat er zurück.