Szene aus dem „Ibiza-Video“
Süddeutsche Zeitung/Spiegel
„Ibiza-Video“

Justiz verzichtet auf einzelne Ermittlungen

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) verzichtet im Zusammenhang mit dem „Ibiza-Video“ auf Ermittlungen bezüglich Vorteilsannahme der zurückgetretenen FPÖ-Spitzenpolitiker Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus. Die Ermittlungen wegen des Vorwurfs der Untreue laufen freilich weiter. Die FPÖ sieht Strache und Gudenus bereits entlastet.

Dabei betonte die Ermittlungsbehörde, es gebe „keine einzige Einstellung“. Nach Prüfung auf Vorliegen eines Anfangsverdachts habe man lediglich entschieden, bei einzelnen Anzeigen auf die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu verzichten, so der Sprecher. Die Behörde prüfte in den letzten Wochen alle nach Veröffentlichung des Videos eingelangten Anzeigen. Nun wurden jene ausgeschieden, die zu wenig Substanz für weitere Ermittlungen hatten.

Nicht weiter verfolgt werde der Vorwurf der Vorteilsannahme, konkret geforderte Parteispenden zwischen 500.000 und zwei Mio. Euro für künftige Bauaufträge durch Strache sowie die Übersetzung durch Gudenus ins Russische. Diesem Verdacht geht die Staatsanwaltschaft nicht weiter nach, weil solche Vergaben im Juli 2017 noch gar nicht im Aufgabenbereich von Strache und Gudenus lagen.

Verweis auf „objektive Tatseite“

Aus den veröffentlichten Ausschnitten des „Ibiza-Videos“ werde deutlich, dass Strache der vermeintlichen Oligarchin für eine verdeckte Parteispende bzw. für den Erwerb von Anteilen an der „Kronen Zeitung“ eine Bevorteilung bei der Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen in Aussicht gestellt habe, so die WKStA. Das tat er aber nur für den Fall einer künftigen Regierungsbeteiligung.

Strache und Gudenus seien als Nationalratsabgeordneter bzw. Wiener Vizebürgermeister damals (am 24. Juli 2017) zwar Amtsträger gewesen. Für das zu beeinflussende Amtsgeschäft seien sie aber nicht zuständig gewesen, „sodass eine Strafbarkeit schon auf der objektiven Tatseite scheitert“, so die Begründung.

Das Video, über das Strache stolperte

Ex-FPÖ-Chef und -Vizekanzler Heinz-Christian Strache hat in dem geheim aufgezeichneten Video offen Deals mit Staatsaufträgen und mit Wasserprivatisierung angeboten. Auch spricht er über geheime Großspenden an Parteien und Pläne für eine Umbesetzung der „Kronen Zeitung“-Redaktion.

„Allfällige Gesetzeslücke schließen“

Die Conclusio der WKStA: „Die Forderung einer finanziellen Unterstützung dafür, dass der Täter in die Position des Amtsträgers kommt, verbunden mit dem Versprechen, sich dadurch in der allfällig zu erlangenden Position als Amtsträger beeinflussen zu lassen oder einen allfälligen anderen Amtsträger zu beeinflussen, ist nach der geltenden Gesetzeslage nicht gerichtlich strafbar.“ Nachsatz: „Es wäre Sache des Gesetzgebers, diese – allfällige planwidrige – Lücke zu schließen.“

Auch weitere Vorteilsannahme-„Anzeigevorbringen“ gegen FPÖ-Politiker werden von der WKStA nicht weiter verfolgt, so etwa gegen Straches Nachfolger als Parteichef, Norbert Hofer, aber auch gegen die Generalsekretäre Harald Vilimsky und Christian Hafenecker sowie gegen Ex-Innenminister Herbert Kickl. Derzeit keinen Anfangsverdacht auf eine strafbare Handlung sieht die Staatsanwaltschaft auch beim Vorwurf, Kickl habe einen Unternehmer zu FPÖ-Parteispenden über den Verein Austria in Motion aufgefordert.

Ibiza: Justiz verzichtet auf einzelne Ermittlungen

Nicht jeder Anzeige gegen Strache und Gudenus wird nachgegangen, heißt es jetzt. Die Justiz konzentriert sich vor allem auf den Verdacht der Untreue gegen die beiden.

Üble Nachrede wäre bereits verjährt

Nicht weiter verfolgt wird zudem der Vorwurf, Strache und Gudenus hätten zusammen mit weiteren FPÖ-Mitgliedern zusammen mit Verantwortlichen von „Großspendern“ eine staatsfeindliche Verbindung gegründet. Keinen Anfangsverdacht sieht die WKStA zudem bei der vorgeworfenen Beleidigung und üblen Nachrede zulasten politischer Mitbewerber, die sich auf bisher unveröffentlichten Teilen des Videos befinden sollen. Einerseits sei das bloße Spekulation, andererseits wäre das bereits verjährt, heißt es in der mit 29. August 2019 datierten Entscheidung.

Vilimsky sieht Strache entlastet

Dass die WKStA auf Ermittlungen bezüglich Vorteilsannahme gegen Strache und Gudenus verzichtet, wurde von FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky positiv aufgenommen. In einer Aussendung sah er eine Bestätigung für die beiden. „Dies sei ein Schlag ins Gesicht derer, die mangels Inhalten das ‚Ibiza-Video‘ für einen schmutzigen Wahlkampf ausnutzen wollten“, meinte er.

NEOS wiederum nahm den Ball der WKStA auf und forderte die sofortige Schließung einer „offensichtlich massiven Gesetzeslücke“. Vizeklubchef Nikolaus Scherak sagte, es könne nicht sein, dass Aussagen wie jene Straches, der Regierungsaufträge gegen Parteispenden anbot, nicht strafbar seien. „Nicht alles, was nicht explizit verboten ist, ist politisch auch erlaubt“, meinte Scherak und kündigte einen entsprechenden Gesetzesänderungsantrag im Nationalrat an.

Auch die SPÖ ist zur Schließung der etwaigen Gesetzeslücken bereit, die Ermittlungen zum Vorteilsannahmevorwurf beim „Ibiza-Video“ unmöglich machen. „Es gilt zu prüfen, ob es eine Gesetzeslücke gibt. Wenn, dann muss diese geschlossen werden. Einen Freibrief für Korruption darf es jedenfalls nicht geben“, sagte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda.

„‚Ibiza-Video‘ wahnsinnig großer Kriminalfall“

Innenminister Wolfgang Peschorn hatte sich erst diese Woche im ZIB2-Interview beim Thema „Ibiza-Video“ geheimnisvoll geäußert. Dass es noch unbekannte Hintermänner geben könnte, bejahte er. Nennen werde er sie aber nicht, schließlich seien die Ermittlungen geheim. Dass das BVT in die Videoerstellung involviert gewesen sei oder vor dem 17. Mai von dessen Existenz gewusst habe, könne er nach den derzeit vorliegenden Informationen ausschließen. Den „Kriminalfall ‚Ibiza-Video‘“ bezeichnete Peschorn als „wahnsinnig großen“ und „wahrscheinlich einen der spannendsten der Zweiten Republik“.

Causa Casinos: Strache brachte Beschwerde ein

Der ehemalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat unterdessen wie angekündigt beim Oberlandesgericht Wien eine Beschwerde gegen die bei ihm durchgeführte Hausdurchsuchung eingebracht. Bei der Razzia war auch Straches Handy beschlagnahmt worden. Auslöser für die Razzia war die Causa Casinos. Der Verdacht steht im Raum, es habe einen „schmutzigen Deal“ zwischen FPÖ und Novomatic gegeben, um den FPÖ-Mann Peter Sidlo in den Vorstand der Casinos zu bringen. Für alle Betroffenen gilt die Unschuldsvermutung. Laut „Presse“ argumentiert Strache unter anderem damit, dass es sich bei dem Deal gar nicht um ein Amtsgeschäft gehandelt habe, weswegen auch nicht der Tatbestand der Bestechlichkeit angenommen werden könne.

Justizminister und Vizekanzler Clemens Jabloner hatte zuvor die Hausdurchsuchung verteidigt. Strache hat sein Handy mittlerweile wieder zurückbekommen, nachdem zuvor die Daten kopiert worden waren. Strache geht es aber darum, dass – im Haus und auf dem Handy – gefundene Daten für die Ermittlungen gar nicht verwendet werden dürfen.