Schwedische Banknoten
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Schweden

Schnelleres Aus für Bargeld als erwartet

Der künftige Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Robert Holzmann, hat am Freitag „Bargeld als Zahlungsmittel für unverzichtbar“ erklärt. Und während man hierzulande sogar erwägt, das Recht auf Bargeld in der Verfassung zu verankern, bereitet man sich in Schweden schon auf eine Zeit ohne Münzen und Scheine vor. Ein neuer Forschungsbericht legt nahe, dass das Ende der Krone in Bargeldform schneller eintritt als bisher angenommen.

Am 24. März 2023 soll in dem skandinavischen Land endgültig Schluss sein mit Bargeldzahlungen. Denn das sei der Stichtag, an dem es sich für heimische Händler und Händlerinnen nicht mehr rentiert, Bargeldzahlungen anzunehmen, so ein vom schwedischen Handelsrat beauftragter Forschungsbericht. Von diesem Tag an werde Bargeld im schwedischen Zahlungssystem folglich keine Rolle mehr spielen. Die Prognose der schwedischen Zentralbank ging bisher immer von einem Ende 2030 aus.

1661 war Schweden das erste Land Europas, das Banknoten druckte. Gut 350 Jahr später könnte es also die erste Nation werden, die Bargeld wieder abschafft. Egal ob in Bussen, auf Straßenmärkten, öffentlichen Toiletten oder bei der kirchlichen Kollekte – die Skandinavier zahlen fast alles mit Karte und Bezahl-Apps auf dem Smartphone. Viele Geschäfte, Restaurants, Museen und Freizeitanlagen akzeptieren Scheine und Münzen nicht einmal mehr.

Bankomat in Schweden
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Bargeldabhebungen sind in Schweden in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen

Die bargeldlose Gesellschaft

„Die Umwandlung in eine bargeldlose Gesellschaft ist in Schweden so weit fortgeschritten wie in keinem anderen Land der Welt“, schrieb etwa auch die „Neue Züricher Zeitung“ („NZZ“, Freitag-Ausgabe). Im Einzelhandel würden bereits sechs von sieben Zahlungen elektronisch getätigt. Laut Studie der schwedischen Zentralbank sind auch die Bargeldabhebungen stark zurückgegangen. Waren es im Jahr 2013 noch 209 Millionen, sind es vier Jahre später nur noch 121 Millionen gewesen. Und 2017 kamen bereits auch zwei Drittel der Konsumenten und Konsumentinnen ganz ohne Bargeld aus.

Neben Kartenzahlungen setzen Schweden und Schwedinnen vor allem auf mobile Bezahl-Apps wie „Swish“. Laut „NZZ“ haben bereits über sieben der insgesamt zehn Millionen Einwohnerinnen und Einwohner die App, die von sechs schwedischen Großbanken entwickelt wurde, auf ihrem Handy installiert. Durch sie können Zahlungen jeglicher Art innerhalb weniger Sekunden abgewickelt werden, und das – im Gegensatz zu normalen Banküberweisungen – rund um die Uhr.

Kein Sparstrumpf unter der Matratze

In einer Gesellschaft ohne Bargeld gebe es mehr Transparenz – so lautet das wichtigste Argument jener, die sich vom Bargeld verabschieden wollen. Schwarzarbeit und korrupte Machenschaften abzuwickeln wäre wesentlich schwieriger. Und die Geldpolitik hätte es wesentlich leichter, die Wirtschaft in Zeiten der Krise anzukurbeln, ist etwa Kenneth Rogoff, Geldtheoretiker an der Harvard-Universität und ehemaliger Chefökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF), überzeugt.

Gibt es kein Bargeld, ist man auf Bankkonten angewiesen. Man kann es in Zeiten schlechter Zinsen nicht unter der Matratze horten. Gibt es keine oder sogar negative Zinsen, so die Annahme des Ökonomen, würden es die Menschen vermehrt ausgeben und so die Konjunktur ankurbeln. Und das Bargeld selbst kostet auch. Guido Schäfer vom Institut für Analytische Volkswirtschaftslehre der Wirtschaftsuniversität Wien hat berechnet, das jede Bargeldzahlung in Österreich ungefähr 40 Cent kostet. „Im Umgang mit Bargeld fallen Personalkosten an, Energiekosten und Produktionskosten, die tendenziell jedes Jahr ein bisschen steigen“, so Schäfer.

„Digitale Außenseiter“ als Verlierer

Verlierer in einer bargeldlosen Gesellschaft seien, so die „NZZ“ aber „digitalen Außenseiter“: ältere Menschen, Personen mit einer Behinderung und neu Zugewanderte mit erschwertem oder ganz ohne Zugang zu elektronischen Zahlungsdiensten. In Schweden gebe es davon rund eine Million. Doch auch für alle anderen gebe es Risiken, etwa die Abhängigkeit von privaten Akteuren im Zahlungsverkehr. Die Geldinstitute könnten auch bei positiven Zinssätzen hohe Gebühren für Einlagen und Kontoverwaltung verlangen. Großflächige Stromausfälle, Internetausfälle und Serverabstürze würden die Gesellschaft zum Stillstand bringen.

Zwar gebe es ohne Bargeld keine Banküberfälle mehr, doch die Rolle von Bankräubern könnten schnell Hacker übernehmen. Genauso wichtig sei in diesem Zusammenhang der Datenschutz. Ohne Bargeld hinterlassen alle Zahlungen eine technologische Spur, meinte Stefan Ingves, der Gouverneur der Zentralbank. Die Journalistin Christy Choi berichtete etwa von Demonstrierenden in Hongkong, die sich Tickets für öffentliche Verkehrsmittel mit Bargeld kauften, damit es keine Beweise für ihre Teilnahme an den Protesten gebe.

Reichsbank will Einführung der „E-Krone“

Aufgrund der schlechten Aussichten für Bargeld erwägt die schwedische Reichsbank die Einführung einer Digitalwährung, der „E-Krone“. Sie soll eine digitale Variante zum Bargeld und ein, wie die „NZZ“ schreibt, „konkurrierender Standard für die privaten Angebote“ sein. Demnächst soll ein zweijähriges Pilotprojekt mit einer wertbasierten, zinslosen „E-Krone“ gestartet werden. Das Geld werde dabei auf einer Karte oder Mobil-App gelagert. Danach will man entscheiden, ob die Digitalwährung tatsächlich implementiert wird. Kritiker meinen, dass jedoch auch die „E-Krone“ störungsanfällig sei.

Und eine Lösung für „digitale Außenseiter“ stelle die Digitalwährung ebenso wenig dar. Die Riksbank-Vizegouverneurin Cecilia Skingsley verwies 2016 jedoch darauf, dass die „E-Krone“ nur eine Ergänzung zu Banknoten und Münzen sein werde. Scheine und Münzen werde die Riksbank so lange ausgeben, wie sie in der Gesellschaft gefragt seien.

80 Prozent der Österreicher setzen auf Bargeld

Dass Schwedens Abschied vom Bargeld allerdings ein Vorbild für andere Länder sein könnte, gilt als unwahrscheinlich. Nur in Dänemark und Japan beobachten Ökonominnen und Ökonomen eine ähnliche Entwicklung. Weltweit steigt die Bargeldmenge pro Jahr um fünf Prozent. Auch in Österreich hat sich der Bargeldumlauf seit 2002 mehr als verdoppelt. Einer Studie der Europäischen Zentralbank (EZB) zufolge verwenden die österreichischen Konsumenten und Konsumentinnen nach wie vor bei mehr als 80 Prozent ihrer Einkäufe Bargeld.

Grafik zeigt Zahlungsmethoden im Vergleich
Grafik: APA/ORF.at, Quelle: pwc

Mobile Payment nutzen einer Umfrage des Finanzdienstleisters PricewaterhouseCoopers (PwC) nur 32 Prozent aller Österreicher und Österreicherinnen. In fünf Jahren wollen aber bereits 64 Prozent der österreichischen Verbraucherinnen und Verbraucher Zahlungen mobil abwickeln, heißt es in dem „Mobile Payment Report 2019“.

„Abschaffung macht keinen Sinn“

Der künftige OeNB-Gouverneur Holzmann, der sein Amt offiziell am Sonntag antreten wird, verteidigte in einer Aussendung am Freitag Bargeld als Zahlungsmittel: „Vorstöße in Richtung Abschaffung dieses so wichtigen Zahlungsmittels machen hier keinen Sinn.“

Als sicheres und weitgehend betrugssicheres Zahlungsmittel habe Bargeld eine wesentliche Funktion in unserem Wirtschaftssystem. Bargeld sei zudem das einzige Zahlungsmittel, das – unabhängig von jedweden Voraussetzungen – von allen Menschen gleichermaßen verwendet werden könne, so Holzmann. Auch im Sinne dieser demokratiepolitischen Komponente bleibe Bargeld als wesentliches Zahlungsmittel daher selbstverständlich in absehbarer Zukunft erhalten.

Robert Holzmann
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Holzmann sprach sich dezidiert gegen die Abschaffung von Bargeld aus. Gerade in Österreich ergebe das „keinen Sinn“.

Recht auf Bargeld in die Verfassung?

Die ÖVP will das Recht auf Bargeld sogar in der Verfassung absichern. Die neue Bundesregierung soll eine entsprechende Verfassungsbestimmung ausarbeiten, hieß es Anfang August. Das „grundlegende Recht“ auf Einsatz von Bargeld sei wegen der Entwicklungen in den vergangenen Jahren immer mehr in Gefahr.

Etwa schreite die Digitalisierung voran, gleichzeitig wollten Staat und Unternehmen immer mehr Daten der Bürger bzw. Kunden sammeln. Diese Entwicklungen führten dazu, dass immer weniger Bargeld zum Einsatz komme und immer öfter digital bezahlt werde, lautet die Argumentation. Die FPÖ will die Volkspartei nun beim Wort nehmen und im September einen neuen Antrag einbringen, der eine Abstimmung vor der Wahl ermöglichen soll.