Laptop zeigt Dokument der Tageszeitung „Falter“
ORF.at/Dominique Hammer
ÖVP-Finanzen

Indiskretionen als Ärgernis für Parteien

Wenige Wochen vor der Nationalratswahl erreichen die ÖVP Vorwürfe, sie verschleiere ihre tatsächlichen Wahlkampfkosten. Das zeigten laut „Falter“ vertrauliche Dokumente aus dem inneren Kreis der ÖVP. Es wäre nicht das erste Leak, nach dem sich Parteichef Sebastian Kurz rechtfertigen muss – und nicht die erste Indiskretion, die sich auf einen Wahlkampf auswirkt. Auch die SPÖ hat damit Erfahrung.

Die Vorwürfe, die der „Falter“ am Montag kurz vor dem ORF-„Sommergespräch“ von Kurz veröffentlichte, betreffen einmal mehr die Wahlkampfkosten. Die ÖVP soll entgegen den Beteuerungen, die gesetzliche Vorgabe von sieben Millionen einzuhalten, auch dieses Mal vorhaben, die Obergrenze zu überschreiten. Laut internen Dokumenten plane die ÖVP neun Millionen Euro an Ausgaben ein, offiziell veranschlagt habe sie aber 6,3 Millionen Euro, so der „Falter“. Dazu führe die ÖVP eine „doppelte Buchhaltung“.

Obergrenze

Die Wahlkampfkosten sind gesetzlich für die Zeit vom Stichtag 9. Juli bis zur Wahl am 29. September mit sieben Millionen Euro beschränkt.

In dieser offiziellen Darstellung würden gewisse Kosten – etwa für Wahlkampfgeschenke wie Kugelschreiber, aber auch für Videoproduktionen – anders deklariert. Sie würden als allgemeine Ausgaben verbucht und damit aus dem Wahlkampfbudget herausgenommen. Außerdem habe sich die ÖVP bemüht, hohe Kosten noch vor dem gesetzlichen Stichtag 9. Juli zu verbuchen, so der „Falter“.

Rechtliche Schritte angekündigt

Kurz wies im „Sommergespräch“ die Vorwürfe zurück. Der „Falter“ bringe „teilweise unwahre Behauptungen“. Die ÖVP habe immer rechtskonform gehandelt. Die ÖVP-Praxis sei „nicht doppelte Buchhaltung, sondern Erfüllen dessen, was im Gesetz“ stehe, verwies Kurz darauf, dass gesetzlich zwischen laufenden Kosten und speziellen Wahlkampfkosten unterschieden werde. Begrenzt seien nur letztere – und jede Partei müsse auflisten, was wahlkampfkostenrelevant ist und was nicht. An die Kostengrenze von sieben Mio. Euro zwischen Stich- und Wahltag werde sich die ÖVP halten, versicherte er erneut.

Immer wieder werde versucht, etwas zu „skandalisieren“, schließlich komme aber heraus, dass alles rechtskonform sei. „Diese ständige Skandalisierung regt mich mittlerweile ein bisschen auf“, er habe „das Gefühl, dass da System dahintersteckt“. ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer kündigte am Dienstag rechtliche Schritte gegen den „Falter“ an. „Wir können nicht beurteilen, ob der Falter bewusst falsche Behauptungen aufgestellt hat oder man verfälschten oder gefälschten Unterlagen aufgesessen ist“, so Nehammer. Der Bericht entspreche aber nicht der Wahrheit und beinhalte falsche Behauptungen. „Dagegen werden wir rechtliche Schritte einleiten und auf Unterlassung klagen“, so Nehammer via Aussendung.

Auf Nachfrage der APA, ob die vom „Falter“ genannten Summen zur Wahlkampffinanzierung korrekt seien, wollte man sich in der ÖVP nicht äußern. Dazu könne man nichts sagen, da man die vom „Falter“ verwendeten Dokumente nicht kenne, erklärte ein Parteisprecher.

Spendenstückelung via Leak

Auch die Debatte über gestückelte Spenden an die ÖVP fand ihren Niederschlag erst durch geleakte Interna, wie der „Standard“ damals berichtete. Die ÖVP ging im August selbst mit einer Liste der Spenden in den Jahren 2018 und 2019 an die Öffentlichkeit. Laut „Standard“ geschah das aber erst, nachdem die Zeitung interne Dokumente aus der ÖVP zugespielt bekommen hatte und einige der Spender mit bisherigen Recherchen konfrontiert worden waren.

Darunter befand sich die Milliardärin Heidi Goess-Horten, die der ÖVP mehr als 900.000 Euro an Spenden gestückelt zukommen ließ. Der „Standard“ habe über seinen anonymen Briefkasten mehrere Dateien dazu erhalten und Personen, die darin vorkamen, kontaktiert. Danach habe die ÖVP ihre Spenderlisten veröffentlicht, „fast deckungsgleich“ mit den zugespielten Listen.

Auch hier verteidigte Kurz im „Sommergespräch“ am Montag, die Vorgänge seien gesetzeskonform. „Das Gesetz ist, wie es ist“, der einzige Vorwurf, den man der ÖVP machen könne, wäre, dass sie es nicht übererfüllt. Aber das wäre „wie wenn ich jemandem vorwerfe, warum er in der 50er-Zone nicht 30 km/h fährt“.

"Strategiepapier an Öffentlichkeit gelangt

Ärger mit dem Auftauchen vertraulicher Dokumente hatte die ÖVP auch schon 2017: Damals machte der spätere Koalitionspartner FPÖ ein vermeintliches Strategiepapier für die Übernahme der Obmannschaft in der ÖVP durch Kurz publik – lange bevor dessen Vorgänger an der Parteispitze, Reinhold Mitterlehner, abtrat. Darin wurde das „Projekt Ballhausplatz“ beschrieben, ein 200 Seiten starkes Konvolut über den Umbau der ÖVP. So wurden etwa das „Team Kurz als Wahlplattform“ und „Fundraising neu“ angekündigt.

Daneben waren inhaltliche Vorhaben für die Zeit nach der Übernahme der ÖVP sowie – nach geschlagener und gewonnener Wahl – für die ersten 100 Tage nach dem Einzug ins Bundeskanzleramt aufgelistet. Wie und durch wen das Datenkonvolut bei den Freiheitlichen landete, war nicht bekannt. Zuerst reagierte die ÖVP abwehrend und ließ verbreiten, es handle sich um Fälschungen, später räumte sie ein, dass zumindest ein Teil der Unterlagen doch aus dem „Team Kurz“ stammte.

Undichte Stelle bei der SPÖ 2017

Der Vorfall zeigte, wie schmutzig der Wahlkampf 2017 wurde. Auch die SPÖ hatte damals im Rahmen der „Silberstein-Affäre“ mit Leaks zu kämpfen. In diesem Zusammenhang waren etliche interne Mails aus dem Wahlkampfteam der SPÖ an die Öffentlichkeit gelangt. Der von der SPÖ als Berater engagierte Tal Silberstein hatte mit einem Team Dirty Camapaigning gegen die ÖVP betrieben, anonyme Facebook-Seiten richteten sich vor allem gegen ÖVP-Chef Kurz. Silberstein wurde im August 2017 wegen des Verdachts der Bestechung, Urkundenfälschung und Geldwäsche in Israel verhaftet, die SPÖ entließ ihn daraufhin.

Wenig später tauchten erste Wahlkampfunterlagen der SPÖ aus Silbersteins Umfeld in den Medien auf. Darunter etwa ein internes Dossier, das vom damaligen SPÖ-Chef Christian Kern ein wenig schmeichelhaftes Bild („Prinzessin“, „Glaskinn“) zeichnete. Vermutet wurde damals hinter der undichten Stelle eine Mitarbeiterin Silbersteins.

Affäre dominierte Wahlkampf

Was im Endspurt des Wahlkampfs 2017 folgte, war ein Wettbewerb der gegenseitigen Vorwürfe. Die SPÖ vermutete, dass die ÖVP beziehungsweise der Volkspartei nahe stehende Berater hinter den Leaks um Silberstein standen. Diese sollen die entsprechenden Dossiers von ehemaligen Silberstein-Mitarbeitern gekauft und an Medien weitergespielt haben. Auch kursierten Verschwörungstheorien, wonach die ÖVP „Maulwürfe“ im Silberstein-Team platziert haben könnte. Die ÖVP sprach wiederum von absurden Vorwürfen und einer „Opfer-Täter-Umkehr“ der SPÖ.

Heuer hat es in der SPÖ vergleichsweise nur einen kleinen Vorfall gegeben. Im Mai kamen Internetpasswörter der Partei an die Öffentlichkeit. Die „Krone“ erhielt die Daten zugespielt. Wer die Daten weitergab, wurde nicht bekannt. Die SPÖ erklärte die Angelegenheit durch das Ändern der Passwörter für erledigt.