TV-Konfrontationen zur Nationalratswahl 2019
ORF
TV-Konfrontationen

Schnelle Duelle, scharfe Scharmützel

Knapp vier Wochen sind es noch bis zur Nationalratswahl, bei der rund 6,4 Millionen Österreicherinnen und Österreicher wahlberechtigt sind. Selten war die politische Situation so turbulent wie derzeit. Eine Entscheidungshilfe sollte daher die ORF-Sendung „Wahl 19 – Die Duelle“ bieten, die am Mittwochabend erstmals über die Bühne ging. Dabei gab es mehr Dissonanzen als Gleichklang.

Die Duellantinnen und Duellanten traten in insgesamt fünf Runden gegeneinander an, jedes Gespräch dauerte 20 Minuten. Dabei wurden Gemeinsamkeiten betont, aber auch Korruptions- und andere Vorwürfe ausgesprochen. Besonders das Duell zwischen SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und dem Listenzweiten der FPÖ, Herbert Kickl, verlief spannend und kontrovers. Als Erste traten am Mittwoch aber Werner Kogler von den Grünen und NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger in den Ring – und betonten zuerst einmal, dass sie in vielen Punkten übereinstimmen. Vor allem darin, dass sie eine neue Koalition von ÖVP und FPÖ verhindern wollen.

Man habe in den vergangenen „Monaten alles getan, um zu zeigen, dass die FPÖ nicht an die Schalthebel der Republik gelassen werden darf“, so Meinl-Reisinger. Schnell kam das Thema auch auf das „Ibiza-Video“, in dem die FPÖ Interessen der Österreicherinnen und Österreicher verkaufen wollte, so die NEOS-Chefin. Am Wahltag würden die Wählerinnen und Wähler „eine Art Wegweiser“ aufstellen, in welche Richtung das Land gehen solle.

Handelsabkommen als Hebel oder Übel

Kogler stimmte überein, die Grünen würden nach der Wahl „nicht auf der Flucht sein“, wenn es darum gehe, eine Koalition von ÖVP und FPÖ zu verhindern. Das sehe aber momentan schwierig aus, konstatierte Kogler. Doch um mit der ÖVP zu sondieren, müsse sie christlich-sozialer und ökologischer werden. Mit NEOS gebe es diverse Gemeinsamkeiten, „überall, wo es um Menschenwürde geht“, bei Themen wie Demokratie und Meinungsfreiheit sowie auch bei Transparenzfragen: „Da treffen wir uns über weite Strecken.“

Differenzen aber gab es bei der Frage nach Handelsabkommen, speziell das Abkommen mit Mercosur, dem gemeinsamen Markt Südamerikas. Der Grünen-Chef trat vehement gegen das aktuelle Abkommen auf, das in seinen Augen „einen perversen Kreislauf“ befeuere. Sanktionen, etwa für das Abholzen des Regenwalds, gebe es im Vertrag nicht. Meinl-Reisinger hingegen argumentierte, Handelsabkommen würden Friedenschancen bergen, zudem könnten sie als Druckmittel fungieren.

Handelsabkommen und Umweltschutz

Umweltschutz und Wirtschaft schließen einander nicht aus, meinen sowohl die Grünen als auch NEOS. Die Ansätze dazu unterscheiden sich aber deutlich.

„Ibiza“, Schreddern und Schmutz

Das zweite Duell bestritten Karoline Edtstadler, die gar nicht kandidiert, aber von ÖVP-Chef Sebastian Kurz als Vertretung geschickt wurde, und JETZT-Gründer Peter Pilz. Dabei ging es weit weniger harmonisch zu. Jeder Partei wurde die Möglichkeit eingeräumt, sich einmal vertreten zu lassen. Edtstadler wolle „jeden Beitrag leisten“, um zu verhindern, dass an der ÖVP vorbei eine Koalition entstehen könne. Pilz wertete Kurz’ Fernbleiben als Furcht vor ihm und sprach schnell die Parteifinanzen der ÖVP an, die zuletzt wieder für Schlagzeilen sorgten.

„Wahl 19 – Die Duelle“

Weitere Termine des neuen Formats sind der 11. und der 18. September. Tarek Leitner führt durch die Sendung, Lou Lorenz-Dittlbacher und Martin Thür leiten die einzelnen Duelle. Zudem gibt es Analysen im Studio und Schaltungen zu Expertinnen und Experten in den Bundesländern.

Edtstadler ortete in Pilz’ Vorwürfen eine „Schmutzkübelkampagne“, gerade die Frage der Parteispenden seien bereits „auf- und abdiskutiert“ worden, alles sei im Rahmen des Gesetzes passiert. Auch die Causa Schreddern wurde zum Zankapfel zwischen Edtstadler und Pilz, der wissen wollte, wer den Auftrag zum Schreddern gab. Die ÖVP-Europaabgeordnete konterte, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft habe bereits festgestellt, dass zwischen dieser Causa und dem „Ibiza-Video“ kein Zusammenhang bestehe. Zudem sei ein solcher Vorgang, wie von Kanzlerin Brigitte Bierlein bestätigt, üblich.

Zwischen ÖVP und JETZT gab es am Mittwoch auch eine Kluft beim Thema Pflege. Die ÖVP will eine Pflegeversicherung, die durch Umschichtungen finanziert werden soll. Pilz sprach sich hingegen für eine Erbschaftssteuer zur Finanzierung der Pflege aus.

Schredder-Affäre

Peter Pilz kritisiert die ÖVP für das Vernichten von Festplatten. Die ÖVP sieht sich durch die Bundeskanzlerin entlastet.

Dritte Piste als Streitpunkt

Mehr Gleichklang gab es wieder beim dritten Duell, bei dem SPÖ-Chefin Rendi-Wagner gegen Grünen-Chef Kogler antrat. Ihr großes gemeinsames Thema des Wahlkampfs: das Klima. Die SPÖ fordert ein Klimaticket und die Lkw-Maut, Punkte, mit denen sie bei den Grünen offene Türen einrennt. Uneins hingegen waren sich die beiden bei der dritten Piste, die auf dem Flughafen Wien gebaut werden soll. Während Rendi-Wagner diese als Maßnahme für den Arbeitsmarkt ansah – denn sonst würde die Piste stattdessen eben in Bratislava gebaut, so das Argument –, trat Kogler vehement dagegen auf.

Flughafenausbau und Autobahnprojekte kosteten Milliarden, die aber in klimafreundlichen Verkehr investiert werden sollten. Gemeinsame Standpunkte entdeckten Rendi-Wagner und Kogler wieder bei der Seenotrettung: Beide waren für die Rettung von Menschen in Seenot, die aber prinzipiell auf staatlichen Beinen stehen sollte. Zudem sprachen sie sich für die Bekämpfung der Fluchtursachen aus.

Kampf gegen die Klimakrise

Rendi-Wagner und Kogler sprachen über Maßnahmen für den Klimaschutz. In der Praxis waren die Standpunkte weit auseinander.

Spenden auch Thema zwischen NEOS und JETZT

Sehr kontrovers lief hingegen das Gespräch von NEOS-Chefin Meinl-Reisinger und JETZT-Kandidat Pilz. Gleich bei der ersten Frage nach der Karikatur, die JETZT online über Meinl-Reisinger verbreiten ließ, gab es eine Konfrontation über das Niveau in der Politik. Das für beide Parteien aufgelegte Thema waren die Parteispenden. Es gebe niemanden, der in eine Partei „investiere“ und dabei keine Absicht habe, so Pilz in Anspielung auf den NEOS-Financier Hans Peter Haselsteiner.

Meinl-Reisinger aber wollte „sich nicht gefallen lassen“, sich in die Nähe von Korruption rücken zu lassen. Bei Haselsteiners Spenden handle es sich nicht um Investments, zudem sei alles transparent. Haselsteiner habe zudem auch an andere Politiker gespendet, etwa an Alexander Van der Bellen im Präsidentschaftswahlkampf.

Ruf nach Grundpension

Pilz, der eine Grundpension von mindestens 1.200 Euro forderte, versuchte, die wirtschaftsliberalen Ansätze der NEOS in den Vordergrund zu stellen. Es handle sich um die Partei der Investoren. Das sehe man am Pensionskassengesetz, das NEOS mitbeschlossen habe. Die Kassen sollten am Aktienmarkt investieren und hätten 2018 eine Milliarde Euro Verlust gemacht. Meinl-Reisniger warf Pilz daraufhin „kruden Unfug“ vor. Das Gesetz sei erst Ende des Jahres beschlossen worden. NEOS strebten ein nachhaltiges System an, in dem auch jüngere Generationen noch abgesichert seien. Man müsse aber das System anpassen und das Pensionsantrittsalter an das gesetzliche angleichen.

Parteienförderung als Dauerbrenner

Großspenden waren für JETZT und NEOS eine gute Starthilfe. Doch Peter Pilz sieht in der Unterstützung durch Unternehmer das Risiko der Einflussnahme.

„Eigentlich ganz sympathisch“

Die größte Spannung des Abends versprach das fünfte und letzte Duell zwischen SPÖ-Chefin Rendi-Wagner und Ex-Innenminister Kickl von der FPÖ. Der redegewaltige Freiheitliche kam als Vertretung von Parteichef Norbert Hofer und brachte ein Thema mit in die Debatten, das im Wahlkampf 2017 das einzig vorhandene war: Migration. Kickl monierte gleich zu Beginn, dass das Wort Österreicher noch gar nicht gefallen sei. Er finde Rendi-Wagner „ja eigentlich ganz sympathisch“, so Kickl. Man habe mit der SPÖ auch einiges gemeinsam, wie das Anliegen, Arbeitnehmer zu schützen. Doch wenn die SPÖ-Chefin von Solidarität spreche, meine sie „in erster Linie nicht mit den Staatsbürgern“, so der Vorwurf. „Wenn ich über Solidarität spreche, dann mit unseren eigenen Leuten.“

Das Verhältnis zwischen SPÖ und FPÖ

Beide Parteien möchten die Arbeiter und Arbeiterinnen ansprechen. Es gibt jedoch viel Trennendes.

Rendi-Wagner quittierte das mit eigenen Angriffen. Die FPÖ habe in den 18 Monaten in der Regierung den Zwölfstundentag eingeführt, die Ruhezeiten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gekürzt und die „Jobaktion 20.000“ für ältere Arbeitslose gestrichen. Die FPÖ habe Verrat an ihren Wählerinnen und Wählern begangen. Entweder habe man sich gegen die ÖVP nicht durchsetzen können, oder es müsse Absicht gewesen sein.

Von „Ibiza“ nach St. Tropez

Das Duell zwischen Rendi-Wagner und Kickl geriet zum angriffigsten am Mittwoch. Die SPÖ-Chefin warf ihrem Gegenüber Hetze vor. „Sie kultivieren die Flüchtlingsproblematik wie ein Pflänzchen, weil es Ihre politische Grundlage ist“, sagte sie. Kickl konterte, die SPÖ bewege sich gern in einer „Welt aus Luxus und Glamour“, etwa weil Rendi-Wagner im Urlaub auf St. Tropez fotografiert worden war.

Analyse der Duelle

Der Politologe Peter Filzmaier analysierte in der ZIB2 die Strategien der Parteien in den Duellen.

„Ich habe dort nicht die Republik verkauft“, konterte sie mit einer Anspielung auf das „Ibiza-Video“. Einmal mehr schloss sie zudem auf Bundesebene eine Koalition mit der FPÖ aus.

Am kommenden Mittwoch steht der zweite Duelltermin an. Dann werden auch ÖVP-Chef Sebastian Kurz und FPÖ-Chef Norbert Hofer teilnehmen – und auch gegeneinander antreten.