Britische Premier Boris Johnson
Reuters/Hannah Mckay
„No Deal“ und Neuwahl

Johnson scheitert an britischem Parlament

Die Abgeordneten im britischen Parlament haben Regierungschef Boris Johnson am Mittwoch zwei herbe Niederlagen zugefügt. Zunächst stimmte eine Mehrheit gegen den Willen des konservativen Premiers für ein Gesetz, das einen „No Deal“-Brexit verhindern soll. Am späten Abend scheiterte dann auch Johnsons Antrag auf eine Neuwahl.

Johnson reagierte wütend im Unterhaus: „Das ist ein Gesetzesentwurf, der dazu gemacht ist, das größte demokratische Abstimmungsergebnis in unserer Geschichte umzudrehen, das Referendum von 2016.“ Bevor das Gesetz in Kraft treten kann, muss es noch das Oberhaus passieren – dort warten aber weitere Fallstricke wie eine Flut von Anträgen und Dauerreden (Filibuster).

Der langjährige Tory-Abgeordnete und Alterspräsident des Unterhauses, Ken Clarke, appellierte an Johnson, mit Spielchen aufzuhören und eine „eine ernsthafte Lösung für diese unerträglichen Probleme zu finden“. Clarke hatte am Dienstag wie 20 weitere Tory-Rebellen gegen die Regierung gestimmt und war von Johnson aus der Fraktion ausgeschlossen worden. Das harsche Vorgehen gegen die Abweichler stieß auf starke Kritik bei gemäßigten Konservativen.

Britische Premier Boris Johnson im britischen Unterhaus
Reuters/UK Parliament/Jessica Taylor
Johnson: Das britische Unterhaus machte dem Premier einen Strich durch die Rechnung

Gesetz gegen ungeregelten EU-Austritt

Das Gesetz gegen den ungeregelten EU-Austritt soll Johnson dazu zwingen, eine dreimonatige Verlängerung der Brexit-Frist zu beantragen, falls bis zum 31. Oktober kein Abkommen mit der EU ratifiziert ist. Der Antrag müsste dann von den übrigen 27 EU-Mitgliedsstaaten einstimmig gebilligt werden. Johnson wollte Großbritannien Ende Oktober aus der Staatengemeinschaft führen, „komme, was wolle“. Er hofft, Brüssel damit zu Zugeständnissen bei dem bereits dreimal im Unterhaus gescheiteren Brexit-Deal bringen zu können.

Britisches Parlament für Brexit-Verschiebung

Das britische Parlament hat für die Verschiebung des Brexits bis 31. Jänner 2020 gestimmt, falls es vorher keinen Ausstiegsvertrag gibt.

Nach der Abstimmungsniederlage am Nachmittag brachte Johnson Mittwochabend einen Antrag auf eine Neuwahl ein. Zwei Drittel der Abgeordneten hätten zustimmen müssen, um dem Antrag zum Erfolg zu verhelfen – was Johnson bei Weitem verfehlte. Oppositionsführer Jeremy Corbyn von der Labour-Partei kündigte an, er werde einer Neuwahl erst zustimmen, wenn das Gesetz gegen den „No Deal“ in Kraft getreten ist.

EU bereit zu Zusammenarbeit mit Johnson

Die EU-Kommission will weiter mit der Regierung von Johnson zusammenarbeiten. Trotz des jüngsten Hin und Her und obwohl Johnson die Parlamentsmehrheit verloren habe, habe Großbritannien eine Regierung, und man sei bereit, mit ihr zusammenzuarbeiten, sagte eine Kommissionssprecherin am Mittwoch. Johnson bleibe Ansprechpartner für Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker.

Im Falle eines „No Deal“-Brexits will die EU besonders hart getroffenen Mitgliedsstaaten, Unternehmen und Arbeitnehmern mit bis zu 780 Millionen Euro helfen. Das Geld soll aus zwei bestehenden Hilfsfonds kommen. Diesem Vorschlag der EU-Kommission müssten das Europaparlament und die Mitgliedsstaaten allerdings noch zustimmen. Auch die britische Regierung kündigte zusätzliche Ausgaben in Höhe von zwei Milliarden Pfund (rund 2,2 Mrd. Euro) an, um die Brexit-Folgen zu bewältigen.

Brüssel sieht geringe Chancen auf spontanen Deal

Die Chancen für einen spontanen Brexit-Deal beim EU-Gipfel im Oktober sind nach Einschätzung von EU-Diplomaten gering. „Die Annahme, dass in nur wenigen Tagen ein Vorschlag gemacht, verhandelt, vom Gipfel unterstützt sowie vom Europaparlament und dem britischen Parlament ratifiziert werden könnte, scheint eine eher heldenhafte Annahme, um es vorsichtig auszudrücken“, hieß es am Mittwoch aus EU-Kreisen.

Die EU-Botschafter ließen sich am Mittwochnachmittag über den Stand der Gespräche mit Großbritannien unterrichten und unterstützten anschließend ausdrücklich die Verhandlungsführung von Chefunterhändler Michel Barnier, wie ein anderer EU-Diplomat sagte.

Trump stärkt Johnson Rücken

Der britische Premier erhielt unterdessen Rückendeckung von US-Präsident Donald Trump. Johnson sei sein Freund und verstehe es, hart zu ringen, um letztlich zu siegen, sagte Trump im Weißen Haus. „Boris weiß, wie man gewinnt“, so Trump. „Machen Sie sich keine Sorgen um ihn.“