Schüerinnen gestalten den Stundenplan im Klassenzimmer an der Wand
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Schulbeginn

Langes Warten auf den Stundenplan

Nach neun Wochen Sommerferien atmen viele Eltern auf: Die Urlaubstage sind fast aufgebraucht, und mit dem Start des neuen Schuljahrs muss endlich keine Kinderbetreuung mehr organisiert werden. Doch auch der Einstieg ins Schuljahr ist oft holprig – denn der Stundenplan steht in vielen Fällen erst irgendwann im Laufe des Septembers fest. Das hat mehrere Gründe.

Während der Osten des Landes schon in die zweite Woche startet, hat in Oberösterreich, der Steiermark, Kärnten, Salzburg, Tirol und Vorarlberg am Montag das neue Schuljahr begonnen. Laut Schulunterrichtsgesetz müssen Schulleiterinnen und Schulleiter den Stundenplan für alle Klassen „innerhalb der ersten beiden Tage des Schuljahres“ bekanntgeben. Doch so richtig nach Plan läuft es in vielen Schulen im September noch nicht.

„Man hängt relativ lange in der Luft“

Dass es in der Realität nur selten schon am zweiten Schultag einen Stundenplan gibt, liege daran, dass „man oft relativ lange in der Luft hängt“, so die Schulleiterin einer Pflichtschule in Oberösterreich gegenüber ORF.at. Denn der Stundenplan könne erst dann gemacht werden, wenn man wisse, wie viele Schülerinnen und Schüler und wie viele Lehrende im neuen Schuljahr an der Schule sein werden. Beides stünde am ersten Schultag aber noch nicht endgültig fest.

So sei die Klassenschülerzahl abhängig von den Ergebnissen der Wiederholungsprüfungen, die an den ersten beiden Schultagen stattfinden. Die endgültige Zuteilung der Lehrenden könne wiederum erst gemacht werden, wenn die Schülerzahl feststeht – denn „ein Schüler mehr oder weniger kann bereits ausreichen, um Klassen zusammenzulegen oder teilen zu müssen“.

Die Wiederholungsprüfungen eine Woche früher abzuhalten sei nicht möglich, „weil Lehrerinnen und Lehrer im alten Dienstrecht Anspruch auf neun Wochen Ferien haben und wir diese Kollegen und Kolleginnen nicht verpflichten können, früher zu kommen“.

Ein Puzzle aus vielen Teilen

Und auch wenn der Stundenplan bereits steht, sei sie noch immer von verschiedenen Faktoren abhängig, auf die sie keinen Einfluss hätte, so die Schulleiterin, die aus beruflichen Gründen anonym bleiben möchte. Zu Schulbeginn könne etwa die Nachricht kommen, dass der Versetzungsantrag einer Lehrerin genehmigt wurde, „weil in der Region, wo sie hinmöchte doch noch eine Stelle frei wird“.

Klassenzimmer
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Der Stundenplan ist ein mitunter schwieriges Puzzle aus Lehrenden, Fächern, Klassen und Räumen

Auch folgender Fall sei nicht ungewöhnlich: „Man hat eine Religionslehrerin, die vier Stunden an der Schule unterrichtet, aber noch in sieben anderen Schulen tätig ist. Mit diesen Schulen muss man sich beim Erstellen des Stundenplans absprechen.“ Ändert sich in einer dieser Schulen nach den Wiederholungsprüfungen die Anzahl der Klassen, bedeute das „zurück an den Anfang“.

Ministerium: „Möglich und zumutbar“

Aus dem Bildungsministerium heißt es auf Nachfrage von ORF.at, das Ressort sei „bemüht, wichtige Informationen, die für eine Planung notwendig sind, bereits vor Beginn des neuen Schuljahres zur Verfügung zu stellen“. Man gehe daher davon aus, dass die Festlegung des Stundenplans innerhalb der ersten beiden Tage „möglich und zumutbar“ sei.

Doch warum klappt es an einigen Schulen in so kurzer Zeit und an anderen nicht? „Schulen, die das Glück haben, zum Schulanfang alle Lehrerinnen und Lehrer zu haben, können recht schnell einen Stundenplan machen“, sagt Heidi Schrodt, Vorsitzende der Initiative Bildung Grenzenlos im Gespräch mit ORF.at. Gerade bei großen Schulen sei das aber oft nicht der Fall – „und der Stundenplan ist erst dann fix, wenn ich alle Lehrerinnen und Lehrer habe – erst dann kann ich sagen, wer was in welcher Klasse unterrichtet“.

Sportplatz und Schwimmbad muss eingeplant werden

Je größer eine Schule, desto mehr Parameter fließen in den Stundenplan ein, zum Beispiel Klassenteilungen im Turnunterricht, die Benutzung des Sportplatzes, Schwimmunterricht und Fragen wie „Habe ich das Amalienbad schon fix?“, erzählt Schrodt, die selbst fast 20 Jahre Schulleiterin eines Gymnasiums in Wien war.

Auch Schrodt plädiert dafür, die Wiederholungsprüfungen schon am Ende der Sommerferien durchzuführen. In vielen Ländern Europas sei am ersten Schultag nach den Ferien „alles fix und fertig“. An einer öffentlichen Schule im schwedischen Uppsala, die Schrodt als Direktorin der Wiener Partnerschule mehrmals besuchte, würden die Lehrerinnen und Lehrer etwa in der ganzen letzten Ferienwoche das neue Schuljahr planen – in Klassenlehrerteams und fächerübergreifend. Am ersten Schultag bekämen die über 1.000 Schülerinnen und Schüler ihren Stundenplan mit nach Hause.

Nur wenig Personal für Administration

Ein weiteres Problem sieht Schrodt darin, dass in Österreich nur höhere Schulen wie AHS und BHS eine fixe administrative Kraft haben, Pflichtschulen aber nicht. Und auch in den AHS und BHS seien die administrativen Kräfte eigentlich Lehrerinnen und Lehrer, die bis zu einem gewissen Grad eine Unterrichtsreduktion haben, um beispielsweise den Stundenplan zu erstellen.

Dass Österreich bei der administrativen Unterstützung im internationalen Vergleich schlecht abschneidet, zeigte auch die im Juni veröffentlichte OECD-Lehrerstudie TALIS 2018. So kommt in Österreich ein Dienstposten für administratives Personal, wie etwa Sekretariatskräfte, auf 15 Lehrerinnen und Lehrer – im EU-Schnitt sind es nur sieben.

Dass es oft kein eigenes administratives Personal an Schulen gibt, sei in Europa nahezu einzigartig, so Schrodt. „Pflichtschulen, also Volksschulen und Neue Mittelschulen, haben nicht einmal ein Sekretariat. Neuen Mittelschulen stehen zwar ab einer bestimmten Größe Sekretariate zu, das betrifft aber nur ganz wenige.“

„One-Woman-Show"

Eine Pflichtschule zu leiten sei eine „absolute One-Woman-Show“, sagt auch die Schulleiterin aus Oberösterreich: „Wir müssen alles ohne Sekretariate organisieren – ein paar hundert Kinder, ein paar Dutzend Lehrerinnen und Lehrer und zum Teil noch die Gebäudeverwaltung.“ Dazu käme „die von Ministerien und den Bildungsdirektionen vorgegebene Bürokratie“. „Wir sind in den ersten Wochen des Schuljahres oft nur überqualifizierte Schreibkräfte, die Tabellen mit Daten befüllen, anstatt mit den Kindern und Lehrern das Schuljahr planen zu können.“

„Die Schulleiterinnen und Schulleiter ersticken in Bürokratie“, sagt auch Schrodt. Gerade in Pflichtschulen seien sie zu bestimmten Zeiten des Schuljahres wegen der fehlenden administrativen Kräfte teilweise überfordert.