House of Lords in London
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Gegen „No Deal“-Brexit

Oberhaus stimmt Gesetz zu

Das britische Oberhaus hat versprochen, bei dem am Mittwoch im Unterhaus eingebrachten Gesetz gegen einen „No Deal“-Brexit keine Tricks anzuwenden, und sich auch daran gehalten. Am Freitag wurde das Gesetz im Oberhaus verabschiedet. Nun fehlt noch die Unterschrift von Queen Elizabeth II., damit es in Kraft treten kann.

Mit diesem Gesetz wird Premier Boris Johnson verpflichtet, die EU um eine Aufschiebung des Austritts von Großbritannien zu ersuchen, wenn bis zum 19. Oktober keine Vereinbarung über den Brexit geschlossen wurde. Johnson kündigte aber bereits an, dass er „lieber tot im Straßengraben liegen“ wolle, als in Brüssel eine weitere Brexit-Verschiebung zu beantragen.

Johnson denkt eigenen Worten zufolge nicht über einen Rücktritt nach. „Ich werde nach Brüssel gehen. Ich werde ein Abkommen erreichen, und wir werden am 31. Oktober austreten, das müssen wir machen“, sagte Johnson am Freitag. Auf die Frage, ob er zurücktritt, sollte er diese Ziele nicht erreichen, sagte Johnson: „Das ist keine Hypothese, über die ich bereit bin nachzudenken.“

Klage gegen Zwangspause von Parlament abgewiesen

Das Parlament hatte Zeitdruck, das von Johnson bekämpfte Gesetz zu beschließen, da bereits in der kommenden Woche die vielfach kritisierte Zwangspause des britischen Parlaments bis zum 14.Oktober beginnen soll. Mit dem Gesetz wollen die Parlamentarier einen ungeregelten EU-Austritt am 31. Oktober verhindern.

Brexit: Gericht gibt Johnson recht

Der High Court in London hat eine Klage gegen die Zwangspause des Parlaments abgewiesen. Die Richter ließen jedoch eine Berufung am höchsten britischen Gericht zu.

Zuvor hatte der High Court in London eine Klage gegen die Zwangspause abgewiesen, wie das Gericht am Freitag bekanntgab. Die Richter ließen jedoch eine Berufung am höchsten britischen Gericht, dem Supreme Court, ausdrücklich zu. Dort soll es am 17. September weitergehen. Geklagt hatten unter anderem die Geschäftsfrau und Anti-Brexit-Aktivistin Gina Miller und Ex-Premierminister John Major von den Torys des jetzigen Premiers Johnson. Sie sehen in der bis zu fünf Wochen langen Sitzungsunterbrechung ein unzulässiges politisches Manöver von Johnson, um seinen Brexit-Kurs durchzudrücken.

Miller: Kampf für Demokratie nicht aufgeben"

Miller kündigte an, gegen die Entscheidung des High Courts Berufung einzulegen. „Meine Anwälte und ich werden unseren Kampf für Demokratie nicht aufgeben“, sagte die Geschäftsfrau vor dem Gerichtsgebäude. „Wir treten für alle ein. Wir treten für zukünftige Generationen ein. Jetzt aufzugeben wäre eine Verletzung unserer Pflichten“, sagte Miller, die schon 2017 einen juristischen Erfolg im Brexit-Streit errungen hatte. Damals hatte sie mit einer Klage erzwungen, dass Johnsons Vorgängerin Theresa May das britische Parlament in den Prozess zur Vorbereitung des EU-Austritts einbeziehen musste.

Das oberste schottische Zivilgericht hatte bereits am Mittwoch eine Klage gegen die Zwangspause des Parlaments abgelehnt. Das berichtete die Nachrichtenagentur PA am Mittwoch aus dem Gerichtssaal in Edinburgh. Geklagt hatten etwa 75 Parlamentarier und Parlamentarierinnen. Sie sehen in der von Johnson erwirkten wochenlangen Schließung eine unzulässige Einschränkung des Parlaments.

Schottland denkt an neues Unabhängigkeitsreferendum

Vor einem Besuch von Johnson in Schottland hat die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon ihre Pläne für ein neues Unabhängigkeitsreferendum 2020 bekräftigt. Sie strebe „schon nächstes Jahr“ ein neues Referendum an, sagte Sturgeon der „Welt“ vom Freitag.

Boris Johnson
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Johnson bei seinem Schottland-Besuch am Freitag. Regierungschefin Sturgeon denkt an ein neues Unabhängigkeitsreferendum.

„Ich denke, und die Umfragen zeigen das auch, dass die Schotten unabhängig sein wollen“, fügte die Chefin der Schottischen Nationalpartei (SNP) hinzu. Es sei seit Jahren „höchst frustrierend“, dass „über Schottlands Schicksal ohne unsere Kontrolle bestimmt“ werde, sagte Sturgeon. „Es ist viel besser, selber die Kontrolle zu haben, und die kommt mit der Unabhängigkeit.“

Bei einem Auftritt im nordenglischen Leeds wurde Johnson zeitweise aus dem Konzept gebracht. Bei einem Auftritt vor Polizeibeamten verlor er teilweise den Faden und verfehlte die Pointen, wenn er einen Scherz machen wollte. Von einem Passanten wurde er gefragt, warum er hier sei und nicht in Brüssel. Der Mann bringt Johnson in dem auch via Twitter verbreiteten Video in Erklärungsnot.

EU will Abkommen „verteidigen“

Nach Ansicht des finnischen EU-Vorsitzes ist keine Einigung mit Großbritannien in Sicht, um einen ungeregelten Brexit noch zu verhindern. Er hoffe, dass „Chaos“ verhindert werden könne, „aber das scheint jetzt nicht möglich“, sagte Regierungschef Antti Rinne am Freitag in Helsinki. „Wir wissen nicht, was dort passiert. Es scheint sehr offensichtlich, dass wir keinen Brexit mit einer Vereinbarung bekommen.“

Rinne äußerte sich nach einem Treffen mit EU-Parlamentspräsident David Sassoli und den Vorsitzenden der Parlamentsfraktionen in der finnischen Hauptstadt. Sassoli sagte, die EU wolle das mit London ausgehandelte Austrittsabkommen „verteidigen“. Es sei „der bestmögliche Deal“. Die EU sei aber offen für Vorschläge aus London.

Bruder legt Amt aus Protest nieder

Johnson stand in den vergangenen Tagen wegen seines harschen Vorgehens gegen parteiinterne Gegner in der Kritik. Am Donnerstag legte sogar sein Bruder, Jo Johnson, aus Protest sein Amt als Staatssekretär und auch sein Abgeordnetenmandat für die Torys nieder. „Ich war in den vergangenen Wochen zerrissen zwischen Loyalität zur Familie und dem nationalen Interesse – es ist eine unauflösbare Spannung“, schrieb Jo Johnson zur Begründung auf Twitter.

Sein Bruder hatte zuvor 21 Tory-Rebellen und Rebellinnen aus der Fraktion geworfen, die im Streit über den Brexit-Kurs des Premiers gegen die eigene Regierung gestimmt hatten. Darunter sind so prominente Mitglieder wie der Alterspräsident und ehemalige Schatzkanzler Ken Clarke und der Enkel des Kriegspremiers Winston Churchill, Nicholas Soames.

Stanely Johnson , Rachel Johnson und Jo Johnson
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Boris Johnsons Vater Stanley neben Schwester Rachel und Bruder Jo beim Tory-Parteikongress im Juli

Opposition gegen Neuwahl

Trotz aller Widrigkeiten wird Johnson am Montag einen neuen Anlauf starten, um eine Neuwahl durchzusetzen. Der Premier will am 15. Oktober wählen lassen, um dann zwei Tage später beim EU-Gipfel mit einem Mandat für seinen Brexit-Kurs zu erscheinen. Bei einem ersten Versuch am Mittwoch war Johnson mit seinem Antrag krachend im Parlament durchgefallen. Er hätte eine Zweidrittelmehrheit benötigt.

Die britischen Oppositionsparteien einigten sich darauf, den geplanten Antrag von Johnson auf eine Neuwahl abzulehnen. Stattdessen solle es eine Neuwahl geben, sobald sichergestellt sei, dass es keinen „No Deal“-Brexit gebe, teilte Labour am Freitag mit. Auch die schottische SNP lehnte den Termin ab.