Ursula Stenzel
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Rechtsextremen-Aufmarsch

Stenzel denkt nicht an Rücktritt

Der Auftritt der Wiener FPÖ-Politikerin Ursula Stenzel bei einem Gedenkmarsch der rechtsextremen Identitären hat am Sonntag für heftige Wortwechsel gesorgt. Nicht nur die ÖVP forderte Stenzels sofortigen Rücktritt als nicht amtsführende FPÖ-Stadträtin. Doch Stenzel denkt nicht an Rücktritt. Die FPÖ-Parteispitze schweigt bisher.

Stenzel, die bei der Veranstaltung auch eine Rede hielt, behauptete in einer Stellungnahme, ihr sei nicht bewusst gewesen, dass der Aufmarsch zum Jahrestag des Endes der Türkenbelagerung Wiens von Rechtsextremen organisiert worden sei. „Dass auch Vertreter der Identitären Bewegung anwesend gewesen sein sollen, war mir nicht bewusst. Hätte ich davon Kenntnis erlangt, hätte ich diese Veranstaltung selbstverständlich nicht besucht“, so Stenzel in einer Aussendung.

Im Ö1-Sonntagsjournal schloss sie einen Rücktritt aus: „Nein, sicherlich nicht“, so Stenzel. Die Rücktrittsforderungen nannte sie „lächerlich“. Auch eine in einer Aussendung ausgesprochene Entschuldigung relativierte sie: „Ich entschuldige mich nicht für die Teilnahme“ an einer Veranstaltung, die „dieses Thema hat“, so Stenzel. „Aber ich habe nichts mit den Identitären zu tun – und das möchte ich klarstellen“, so Stenzel – Audio dazu in oe1.ORF.at.

In der Aussendung hatte sich Stenzel zuvor gerechtfertigt, sie habe auch in den Jahren davor an der Veranstaltung teilgenommen. Die „Erinnerung an dieses Datum gerade in Zeiten der Ausbreitung des politischen Islam in Europa und der Allmachtsphantasien des türkischen Präsidenten Erdogan“ seien für Stenzel von „enormer Bedeutung“, weswegen sie teilgenommen habe.

Ursula Stenzel
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Stenzel mit Fackel beim Umzug mit den Rechtsextremen

Einhellige Kritik

Am Sonntag übte die gesamte österreichische Innenpolitik – mit Ausnahme der FPÖ – scharfe Kritik an Stenzel. So bezeichnete der ehemalige Koalitionspartner ÖVP die Teilnahme Stenzels an dem Aufmarsch als „inakzeptabel“. Sie forderte den neuen FPÖ-Chef Norbert Hofer zum Handeln auf.

„Der Auftritt der FPÖ-Stadträtin Ursula Stenzel bei den rechtsextremen Identitären ist inakzeptabel“, so Generalsekretär Karl Nehammer in einer Aussendung. „Parteichef Norbert Hofer kann nun unter Beweis stellen, wie ernst es ihm mit dem Durchgriffsrecht in seiner Partei ist. Wir erwarten uns den Ausschluss von Ursula Stenzel aus der FPÖ und ihren Rücktritt.“

Drozda: Rücktritt „einzig mögliche Konsequenz“

Die SPÖ forderte ebenfalls den Rücktritt Stenzels. In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Wiens Bürgermeister Michael Ludwig sagte Parteichefin Pamela Rendi-Wagner: „Das sind keine Einzelfälle, das ist System.“ Sie warnte vor einer Rückkehr der FPÖ in die Bundesregierung. „Die einzig mögliche Konsequenz ist Frau Stenzels sofortiger Rücktritt und endlich eine klare Distanzierung der FPÖ von den Identitären“, sagte zuvor SPÖ-Geschäftsführer Thomas Drozda. Ludwig fragte in Richtung FPÖ, ob nun Hofer oder die Identitären die Richtung bestimmten – mehr dazu in wien.ORF.at.

Stenzel mit Rede vor Identitären

Ein Auftritt der nicht amtsführenden Wiener Stadträtin Ursula Stenzel von der FPÖ am Samstagabend sorgt für politischen Wirbel.

JETZT-Gründer Peter Pilz schrieb in einer Aussendung, dass FPÖ-Chef Hofer „die Kontrolle über die FPÖ verloren“ habe. „Wenn Hofer jetzt nichts tut, haben sich Rechtsextremismus und Korruption endgültig in der FPÖ durchgesetzt.“ NEOS-Wien-Klubobmann Christoph Wiederkehr forderte ebenfalls den Rücktritt Stenzels: „Wer mit den Rechtsextremen marschiert und dort auch noch Reden hält, hat in der Politik nichts verloren“, so Wiederkehr.

„Wieder beweist die FPÖ, welch Geistes Kind sie ist“, so Oskar Deutsch, Präsident der Isrealitischen Kultusgemeinde (IKG). „In jedem europäischen Staat wäre ein Rücktritt von allen Ämtern und ein Parteiausschluss die logische, unmittelbare Folge. Nur bei der FPÖ nicht“, meinte Deutsch. Hintergrund für den Aufmarsch der Rechtsextremen ist die Erinnerung an den Sieg über das Osmanische Reich im Jahr 1683 und das Ende der Belagerung Wiens. Laut dem Impressum der Seite zu der Veranstaltung „Gedenken 1683“ wird diese vom Sprecher der rechtsextremen Identitären, Philipp Huemer, veranstaltet.

Wahlplakat mit Ursula Stenzel aus 2015
ORF.at/Peter Pfeiffer
2015 trat Stenzel bei der Wien-Wahl für die FPÖ an

Vilimsky: Vorwurf der Nähe zu Identitären „absurd“

Rückendeckung bekommt Stenzel hingegen aus ihrer Partei. In einer Aussendung bezeichnete Generalsekretär Harald Vilimsky den Vorwurf der Nähe zu den rechtsextremen Identitären gegenüber Stenzel als „absurd“. „Richtig“ sei nur, dass Stenzel an der Veranstaltung teilnahm und dort das Wort ergriffen habe. „Alles andere“ sei „böswillige Unterstellung“, so Vilimsky. Auf die Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer habe Stenzel „nicht den geringsten Einfluss“ gehabt. Der Wiener Vizebürgermeister Dominik Nepp (FPÖ) kündigte via Aussendung an, kommendes Jahr wieder eine „eigene Veranstaltung“ zum Gedenken abzuhalten.

Der Pressesprecher der Landespartei, Michael Stumpf, kündigte am Sonntag im „Kurier“ ein Gespräch mit Stenzel an. Man werde sich am Montag mit ihr zusammensetzen. „Leider können wir nicht von allen unseren Abgeordneten immer alle Termine wissen“, so Stumpf.

Stenzels Auftritt bei den Rechtsextremen kommt für ihre Partei, die FPÖ, denkbar ungelegen. Die Freiheitlichen versuchen sich – nach dem Aufkündigen der Koalition durch die ÖVP wegen der „Ibiza-Affäre“ – im Wahlkampf gerade wieder für die Volkspartei als Koalitionspartner anzudienen. Dementsprechend warnte FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker am Sonntag umgehend vor einer „schwarz-grünen Wende“. Die Koalition von ÖVP und Grünen sieht Hafenecker als „wahrscheinlichste“ Variante. Das sei der „Weg des geringsten Widerstandes“ für ÖVP-Chef Sebastian Kurz.

Nächster „Einzelfall“

Der neue FPÖ-Parteichef Hofer hatte sich selbst in den letzten Wochen von den Rechtsextremen distanziert und angekündigt, künftig bei rechtsextremen „Ausrutschern“ radikaler durchgreifen zu wollen. So kündigte er an, sich vom FPÖ-Parteitag am 14. September ein Durchgriffsrecht bei Parteiausschlüssen geben zu lassen. Während der eineinhalb Jahre ÖVP-FPÖ-Koalition hatte es immer wieder rechtsextreme, rassistische und nationalistische Sager von FPÖ-Funktionären gegeben, die von ÖVP und FPÖ jeweils zu „Einzelfällen“ erklärt wurden. Am meisten in Erinnerung ist wohl das „Rattengedicht“ des in der Folge zurückgetretenen Braunauer Vizebürgermeisters Christian Schilcher (FPÖ).

Die FPÖ hatte sich nach dem Christchurch-Attentat in Neuseeland – der Attentäter hatte E-Mail-Kontakt mit dem Identitären-Chef und spendete den Identitären Geld – um eine Abgrenzung und Distanzierung bemüht. Auch zwei Mietverhältnisse, die zuvor kein Problem darstellten, wurden aufgelöst. Hofer betonte im April im Magazin „News“ auf die Frage nach der Abgrenzung zu den Identitären, es sei „für mich unvorstellbar, dass jemand, der bei uns aktiv ist – egal auf welcher Ebene –, sagt: ‚Ich spende etwas oder ich gehe zu einer Veranstaltung oder Demo.‘“

Eine klare Trennlinie zu den Rechtsextremen hat die FPÖ bisher jedenfalls nicht gezogen. So kritisierte die NGO SOS Mitmensch erst diese Woche, dass die FPÖ ein ganzseitiges Inserat mit Hofer im rechtsextremen Magazin „Info-Direkt“ geschaltet habe.

Aufmarsch nicht auf dem Kahlenberg

Der Journalist und Autor eines kritischen Buches über die FPÖ, Michael Bonvalot, verfolgte den Aufmarsch am Samstag und berichtete auf dem Kurznachrichtendienst Twitter laufend darüber.

Auch Anhänger der Identitären posteten zum Aufmarsch. Die Spitzenkandidatin der burgenländischen Grünen, Irmi Salzer, postete eine Audioaufnahme eines Teils von Stenzels Rede:

Der Aufmarsch der Rechtsextremen war vom Kahlenberg, wo die entscheidende Schlacht zwischen den osmanischen Truppen und dem deutsch-polnischen Entsatzheer stattfand, in die Innenstadt verlegt worden. Die Polizei berichtete von einem Zwischenfall: Gegendemonstrantinnen und -demonstranten hätten Wanderer für Teilnehmer des Identitären-Aufmarsches gehalten.