Ein Sportwagen bei der Automesse in Frankfurt
AP/Michael Probst
IAA Frankfurt

Viele „Spielverderber“ für die Automesse

Die Autobranche fiebert seit Wochen der Messe in Frankfurt entgegen. Es geht sogar die Angst vor „militanten“ Blockaden um. Auch darüber hinaus besteht Grund zur Sorge: Die Absatzzahlen sind nicht gut, der Klimaschutz tritt immer stärker in den Vordergrund, die Fahrzeughersteller stehen mehrfach unter Druck. Das verändert auch das „Gesicht“ der Internationalen Automobilausstellung (IAA) stark.

Vor 50 Jahren, bei der 44. IAA 1969, war „größer und stärker“ die Devise, heute ist einer der größten Automessen der Welt auf der Suche nach einem neuen Selbstverständnis. Statt PS, Glanz und Glamour sind Klimapolitik und trübe Absatzaussichten das Thema. Außerdem müssen sich die Veranstalter auf Proteste, Straßenblockaden inklusive, einstellen. Die Sicherheitsvorkehrungen für die am Donnerstag beginnende Messe sind streng wie noch nie.

Zuletzt wurde der – vor allem deutschen – Automobilbranche ein Absatz- und Gewinnrückgang prognostiziert, auf dem Hoffnungsmarkt China gingen die Verkaufszahlen für Neuwagen um knapp zehn Prozent zurück. Der deutsche Verband der Automobilindustrie (VDA) meldete laut Medienberichten im August ein Auftragsminus von elf Prozent aus dem Ausland. Der E-Mobilität wird seit Jahren – nicht nur auf Branchenveranstaltungen – die große Zukunft prognostiziert, der Boom lässt tatsächlich aber immer noch auf sich warten.

Aufrufe zu Protest und Blockaden

Aushängeschilder wie Daimler und BMW verkleinerten ihre Messestände. Bei der 68. Auflage der IAA werde Daimler auf 30 Prozent weniger Fläche als im Vorjahr – aber immer noch auf stolzen 8.800 Quadratmetern – vertreten sein, hieß es zuletzt. Außerdem werde auch „signifikant weniger“ finanzieller Aufwand betrieben. BMW habe seine Ausstellungsfläche noch stärker verkleinert, einige ausländische Hersteller würden heuer aus Kostengründen gleich gar nicht mehr dabei sein. Messeauftritte sind teuer.

Besucher auf der IAA in Frankfurt
APA/AFP/dpa/Arne Dedert
Die Messe 2017: Die Latte liegt hoch

Großes Thema sind in diesem Jahr allerdings die angekündigten Proteste, die laut Veranstaltern „militante“ Formen annehmen könnten. Die Polizei rüstet sich laut deutschen Medien für Großeinsätze, nicht ganz grundlos: Es wurden Proteste in einem bisher nicht da gewesenen Ausmaß angekündigt. Ein Aktionsbündnis „Sand im Getriebe“ („Autokonzerne entmachten – Klima schützen!“) hat angekündigt, die Messe am Wochenende (zu den Besuchertagen) zu blockieren und ihren Ablauf zu stören.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace veröffentlichte anlässlich der IAA eine Berechnung, laut welcher der globale Autosektor – von Produktion bis Verkehr – pro Jahr mehr Kohlendioxod in die Luft bläst als alle EU-Länder gemeinsam: 4,8 Gigatonnen (Gt) CO2-Äquivalente (CO2e) gegenüber 4,1 Gt. Laut Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) ist der globale Transportsektor für 14 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich, etwa neun Prozent entfallen auf den Pkw-Verkehr.

„Der neue Hass auf das Auto“

Außerdem sind Fahrradkonvois in Richtung Frankfurt geplant, an die 20.000 Menschen sollen an der Klimademonstration unter dem Motto „#aussteigen“ („Raus aus dem Verbrennungsmotor – Verkehrswende jetzt!“) teilnehmen. Die Konvois „vor die Tore“ der Messe dürften Hauptverkehrsverbindungen von Autobahnen bis in die Stadt Frankfurt am Samstag lahmlegen. Es handelt sich um Aufrufe zu friedlichen Kundgebungen, die Polizei befürchte allerdings auch Gewalt, hieß es im Vorfeld der IAA.

Präsentation des Audi 100 Coupe S auf der IAA 1969
Audi
Die IAA vor 50 Jahren: Audi präsentierte sein Coupe 100 S

Einen Vorgeschmack darauf habe es schon Ende Juli in einem Frankfurter Stadtteil gegeben, als Maskierte auf dem Gelände eines Autohauses im Vorort Kronberg zahlreiche teure Pkws demolierten und einen sechsstelligen Schaden anrichteten. In einem danach von deutschen Medien veröffentlichten Bekennerschreiben aus dem Internet hieß es von einer Gruppe namens „Steine ins Getriebe“: „Weil Appelle nichts nutzen“, sei es Zeit, „sichtbare Fakten zu schaffen“, man habe „versucht, so viele Luxuskarren wie möglich kaputt zu schlagen.“ Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“) schrieb Anfang September von einem neuen „Hass auf das Auto“, andere deutsche Medien schrieben von einer „Problem-IAA“.

PR-Prophylaxe: „Mobilität“ statt „Show“

Der Branchenverband VDA betonte, er habe versucht, mit Kritikerinnen und Kritikern und Diskussionen über Umwelt, Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Mobilitätskonzepte für die Zukunft in den Dialog zu treten. Einige verweigerten das aber. Sie vermuten eine Art Pseudodialog dahinter, wie oft durchklingt. Außerdem spricht man seitens der Messeveranstalter heute gerne von einer „Plattform für Mobilität“ statt einer „Autoshow“. Für Freitagnachmittag wurde ein „Bürgerdialog“ angesetzt, der VDA verspricht, die deutsche Automobilwirtschaft investiere „massiv“ in den Klimaschutz und werde alle Vorgaben bis 2030 erreichen.

Ein Lamborghini Aventator auf der IAA 2011
APA/AFP/Daniel Roland
Ein Lamborghini auf der IAA vor acht Jahren. PS sind mittlerweile nicht mehr das Thema.

Nur: Das nehmen ihr ihre Kritiker nicht ab. Sie schießen sich seit geraumer Zeit vor allem auf die oft auch als „Stadtgeländewagen“ titulierten Sport Utility Vehicles (SUV) ein, mit denen die Hersteller in den letzten Jahren viel Geld verdient haben und die sich laut ihren Kritikern immer besser verkauften und mittlerweile einen großen Teil der Neuzulassungen ausmachten.

Allerdings sind Zahlen und Statistiken oft nicht ganz nachvollziehbar, da es keine wirklich verbindliche Definition für SUVs gibt. Zahlen gab es zuletzt aber von BMW. Der bayrische Autohersteller meldete im August ein Verkaufsplus von etwas mehr als vier Prozent, verantwortlich dafür war vor allem ein Plus von über 30 Prozent beim Absatz von SUVs.

Das Konzept Messe in der Krise

Abgesehen von Protesten kämpft die Autobranche mit weiteren anderen Problem. Immer öfter wird die Frage laut, ob das „klassische“ Konzept Messe noch zieht. VDA-Präsident Bernhard Mattes räsonierte, es sei schwierig, den – teils stark gegenläufigen – Ansprüchen von Autoherstellern, Besuchern und Gesellschaft dadurch gerecht zu werden, Modelle zu „Marketingzwecken“ auf Hochglanz zu polieren. Daher habe man auch auf ein breites Rahmenprogramm gesetzt. Einige Hersteller setzen mittlerweile schlicht auf andere Marketingformate und haben ihre Messepräsenz reduziert.

Die Situation in der Branche drücke auf die Stimmung, hieß es zuletzt vom VDA. „Von den großen Märkten Europa, USA und China gehen derzeit keine Wachstumsimpulse aus.“ Der Pkw-Weltmarkt werde 2019 um vier Prozent im Vergleich zum Vorjahresniveau auf 81 Mio. verkaufte Stück rückläufig sein. Auch „Autoprofessor“ Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Hessen, der in Deutschland wohl meistzitierte Branchenexperte, stellte kürzlich fest: „Die Autoindustrie fährt in ihre größte Krise seit mehr als 20 Jahren.“

Die typischen Automessen hätten sich überlebt, meint auch er. Neuerscheinungen sind im Vorfeld bestens bekannt, die digitalen Medien machen der analogen und teuren Messe das Leben schwer. Der Experte sieht die IAA in einer Reihe mit der Detroit Motor Show, der Tokyo Motor Show und dem Pariser Autosalon: „Alle brauchen ein Konzept für die Zukunft, sonst wird es eng.“