FPÖ-Chef Norbert Hofer
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Marsch mit Rechtsextremen

FPÖ-Chef Hofer hält an Stenzel fest

Der Auftritt der FPÖ-Politikerin Ursula Stenzel treibt einen immer tieferen Keil zwischen FPÖ und ÖVP: Die Rücktrittsforderung der Volkspartei (und der anderen Parteien) hat FPÖ-Chef Norbert Hofer, der aktiv um die Neuauflage der Koalition mit der ÖVP wirbt, am Montag zurückgewiesen.

FPÖ-Chef Hofer und -Generalsekretär Herbert Kickl stellten sich am Montag in Innsbruck schützend vor Stenzel. Hofer sagte, er habe Stenzels Erklärung für den Auftritt akzeptiert. „Sie hat glaubhaft gemacht, dass sie nicht gewusst hat, wer der Veranstalter ist“, so Hofer. Und Hofer erklärte sich dieses vorgebliche Nichtwissen damit, dass Stenzel 73 Jahre alt sei und eben nicht jeden Tag im Internet surfe, um zu recherchieren, wer hinter einem Verein stehe. Die rechtsextremen Identitären nehmen seit Jahren aktiv an dem Gedenkmarsch teil – so wie Stenzel auch.

Ihr Auftritt sei nicht abgesprochen gewesen, so Hofer gegenüber der APA: „Wenn sie uns gefragt hätte, hätten wir ihr sagen können, wer hinter dem Verein steht.“ Der Anlass des Auftritts bei der Veranstaltung der Rechtsextremen – der Jahrestag des Endes der „Türkenbelagerung“ – sei aber wichtig genug für ein Gedenken. Sollte das offizielle Wien dazu nichts machen, werde die FPÖ das kommendes Jahr übernehmen.

Ursula Stenzel
APA/EXPA/Michael Gruber
Stenzel mit Fackel beim von Rechtsextremen organisierten Marsch

„Nichts Verwerfliches“

Ex-Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), der selbst 2016 beim Rechten-Kongress „Verteidiger Europas“ eine Rede gehalten hatte, an dem auch Identitäre teilnahmen, legte noch nach: An Stenzels Rede sei „nichts Verwerfliches“. „Alles, was Stenzel gesagt hat, hat Hand und Fuß“, meinte Kickl am Montag bei einer Pressekonferenz in Innsbruck. Es komme weniger darauf an, wo jemand etwas sagt, sondern was er sage, so der ehemalige Innenminister.

FPÖ-Spitzenkandidat Hofer hatte sich zu Stenzels Auftritt das ganze Wochenende über nicht geäußert. Dabei hatte er – im Werben um die ÖVP – zuletzt Distanz zu den rechtsextremen Identitären signalisiert. Und er will sich vom Parteitag mit einem Durchgriffsrecht bei Parteiausschlüssen ausstatten lassen. Die ÖVP wies Hofer am Sonntag umgehend darauf hin. Dieser könne nun zeigen, wie ernst es ihm damit sei. Auch die anderen Parteien forderten von der FPÖ, Stenzel auszuschließen. Diese nahmen die Causa Stenzel zudem zum Anlass, die FPÖ erneut für regierungsunfähig zu erklären.

Heikler „Einzelfall“ im Wahlkampf

Die ÖVP ihrerseits stellte bereits mehrere Bedingungen für eine Neuauflage der ÖVP-FPÖ-Koalition. Rassistische, ausländerfeindlich und rechtsextreme Aussagen und Vorfälle innerhalb der FPÖ waren von der ÖVP während der gemeinsamen Regierungszeit als „Einzelfälle“ bezeichnet worden. Stenzels Auftritt könnte ÖVP-intern die – laut Medienberichten deutlich gewachsenen – Bedenken gegen eine Neuauflage der ÖVP-FPÖ-Koalition weiter erhöhen. Auch ein Salzburger FPÖ-Funktionär nahm an Stenzels Seite an dem Rechtsextremen-Aufmarsch teil – mehr dazu in salzburg.ORF.at.

Stenzel, die bei dem rechtsextremen Marsch mitging und eine Rede hielt, hatte trotz heftiger Kritik die Forderung nach ihrem Rücktritt am Sonntag als „lächerlich“ zurückgewiesen. Alle Parteien mit Ausnahme der Freiheitlichen forderten den Rücktritt Stenzels von ihrer Funktion als nicht amtsführende Wiener Stadträtin.

Geteiltes Echo auf ÖVP-Vorstoß

Dass die ÖVP den Auftritt Stenzels beim Gedenkmarsch der Rechtsextremen zum Anlass nimmt, erneut eine Änderung des Vereinsrechts zu fordern, stößt bei den anderen Parteien auf geteilte Meinung. Faktum ist: Die Frage, wie die heimische Politik mit Rechtsextremen umgehen soll, ist nach Stenzels Auftritt und dem Festhalten der FPÖ an ihr als nicht amtsführende Wiener Stadträtin nun Thema in der heißen Phase des Wahlkampfs.

Kundgebung der Identitären in der Wiener Innenstadt
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Rechtsextreme zogen mit Fackeln durch die Wiener Innenstadt

ÖVP bringt Änderung auf Vereinsrecht vor Wahl ein

Die ÖVP will nun offenbar Handlungswillen signalisieren und noch vor der Nationalratswahl über die von ihr geforderte Änderung des Vereinsrechts abstimmen lassen. Die Änderung – sie braucht eine Zweidrittelmehrheit – soll ein Verbot der rechtsextremen Identitären ermöglichen. Die FPÖ lehnt ein solches Verbot ab. Auch Fachleute und Justizminister Clemens Jabloner zeigten sich skeptisch und warnten vor möglichen negativen Folgen eines solchen Grundrechtseingriffs. Und die Auseinandersetzung mit Rechtsextremen würde auf anderer Ebene weitergehen müssen.

„Wir werden im September-Plenum einen Antrag auf Änderung des Vereinsrechts und damit für ein Verbot der Identitären Bewegung stellen“, so ÖVP-Klubobmann August Wöginger, der laut „Kurier“ dem rechtsextremen Magazin Info-Direkt selbst zuletzt ein Interview gab, in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der APA. Es sei nach der Teilnahme Stenzels am Marsch der Identitären „nötig und unabdingbar“, so schnell wie möglich zu reagieren. Ein Verein kann derzeit nur aufgelöst werden, wenn er gegen Strafgesetze verstößt. Laut ÖVP-Wunsch sollen Behörden einen Verein auch auflösen können, wenn er genutzt wird, um extremistisches oder staatsfeindliches Gedankengut zu verbreiten.

SPÖ will prüfen

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sprach sich Montagfrüh für eine Verbotsprüfung für die Identitären „unter Wahrung der Grundrechte“ aus. Sie will allerdings, dass Justiz- und Innenminister initiativ werden, ein Verbot prüfen und eine Änderung des Vereinsgesetzes vorschlagen. Eine solche sollte noch vor der Wahl beschlossen werden, so Rendi-Wagner.

Der Wiener SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig zeigte sich dagegen deutlich skeptischer. „Bei einem Eingriff ins Vereinsrecht sollte man sehr sensibel vorgehen und alle verfassungsrechtlichen Bestimmungen einhalten. Denn wenn man einmal bei einer Organisation beginnt, ist die Frage, wo das endet“, gab Ludwig am Rande einer Pressekonferenz am Montag zu bedenken – mehr dazu in wien.ORF.at.

FPÖ dagegen

FPÖ-Chef Hofer warnte dagegen vor einer „Gesinnungsdiktatur“. Mit seiner Skepsis sieht sich Hofer auf einer Linie mit Fachleuten, Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Justizminister Jabloner. Hofer plädierte dafür, trotz des Wahlkampfs „im Sinne der Verantwortung der Verfassung“ keine kopflose Entscheidung zu treffen. FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky warf der ÖVP vor, diese wolle nur von „dubiosen internen Vorgängen“ wie Großspenden und der „mehr als zweifelhaften Hack-Story“ ablenken.

Kickl betonte, der Verfassungsschutz habe bereits festgestellt, keine Handhabe gegen das Symbol der Identitären zu haben – und wenn man schon keine Handhabe gegen das Symbol habe, wie solle man dann eine gegen den Verein haben, so Kickl. Er warf dem bisherigen Koalitionspartner vor, die Änderung des Vereinsrechts nicht zu Ende gedacht zu haben.

Grüne sehen „Doppelspiel“

Die Grünen sehen im Vorgehen der FPÖ mit den Identitären ein „Doppelspiel“: „Ein sich gemäßigt gebender Norbert Hofer soll ÖVP-FPÖ-Wechselwähler ansprechen, gleichzeitig sollen Rechtsverbinder wie Kickl und Stenzel die extreme Rechte bei Laune halten“, so Grünen-Chef Werner Kogler am Montag via Aussendung. Kritik übte er auch an der ÖVP, deren Verbotsrufe er als „Antragsaktionismus“ kritisierte. „Wie lange bleibt die FPÖ noch ein ernsthafter Koalitionspartner für Sie, Herr Kurz?“, fragte Kogler in einer Aussendung.

JETZT-Gründer Peter Pilz kündigte seinerseits einen eigenen Antrag auf Verbot des rechtsextremen Vereins an.

NEOS will Aus für nicht amtsführende Stadträte

Neben der ÖVP kündigte auch NEOS einen Antrag für die kommende Nationalratssitzung an. Man will die langjährige Forderung nach Abschaffung der nicht amtsführenden Wiener Stadträte aufs Tapet bringen. Dafür wäre eine Änderung der Bundesverfassung nötig.

„In Summe zeigen die letzten Vorfälle, dass die Position der auch ehemaligen nicht amtsführenden Stadträte (neben Stenzel erinnere ich an Johann Gudenus und Eduard Schock) eine völlig unsinnige ist“, hieß es in einem Statement von NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger.

„Es handelt sich um Versorgungsjobs, die den Steuerzahler viel kosten, aber gar nichts bringen“, stellte sie fest. „Wir werden überprüfen, ob das bisherige Mantra von Sparen im System von der ÖVP wirklich ernst genommen wird und diese Position endlich abgeschafft wird“, so Meinl-Reisinger.