EZB-Chef Mario Draghi
Reuters/Kai Pfaffenbach
EZB-Kurs

Lagarde droht die Draghi-Falle

Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, dürfte auf den letzten Metern seiner Amtszeit noch einmal ein großes geldpolitisches Feuerwerk zünden. Damit könnte er auch den Kurs für seine Nachfolgerin, die ehemalige Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, einzementieren, berichtete die „Financial Times“.

Ökonomen gehen davon aus, dass der EZB-Rat auf seiner Zinssitzung am Donnerstag in Frankfurt die bereits sehr offenen Geldschleusen noch weiter aufreißen wird. Erwartet wird bei der EZB-Sitzung ein ganzes Bündel an Schritten zur Stützung der Konjunktur. Eingetrübte Konjunkturaussichten, eine aus Sicht der EZB viel zu schwache Inflation und dazu die US-Handelskonflikte und der nahende Brexit: All das setzt die Währungshüter unter Zugzwang. Für Draghi ist es bereits das vorletzte Zinstreffen. Ende Oktober läuft seine Zeit am Steuer der Euro-Notenbank nach acht Jahren ab.

Laut „Financial Times“ ist es Draghis Plan, über seine Amtszeit hinaus nachzuwirken, denn Lagarde erbe die Konsequenzen von Draghis Maßnahmenbündel, so die Zeitung bereits im Sommer. Das könnte es für Lagarde am Anfang schwermachen, eine eigene Handschrift zu finden und der Institution ihren Stempel aufzudrücken. Lagarde gilt in Sachen Währungspolitik einigen Fachleuten als unbedarft.

Ehemalige Chefin des Internationalen Währungsfonds Christine Lagarde
APA/AFP/John Thys
Die ehemalige Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, soll Draghi nachfolgen

Strafzins könnte größer werden

EZB-Beobachter sind sich so gut wie sicher, dass die Notenbank den Strafzins verschärfen wird, den Banken zahlen müssen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken. Derzeit liegt dieser negative Einlagensatz bei minus 0,4 Prozent – eine Milliardenbelastung für die Finanzbranche im Euro-Raum. Im Raum steht eine weitere Senkung auf minus 0,5 Prozent oder gar minus 0,6 Prozent. Ziel der Währungshüter ist, die Institute dazu zu bringen, die Gelder in Form von Krediten an Unternehmen und Verbraucher weiterzugeben, um die Wirtschaft anzukurbeln.

EZB-Chef Mario Draghi
Reuters/Ralph Orlowski
Draghi bei einem seiner öffentlichen Auftritte

Zumindest diskutiert wird eine Staffelung des Strafzinses, um die Belastungen aus dem Negativzins für die Kreditwirtschaft zu reduzieren. Über Freibeträge könnte die EZB einen Teil der Überschussreserven von Banken von dem Negativzins ausnehmen. Aufgrund der ungleichen Verteilung der Überschussreserven im Euro-Raum gilt eine solche Maßnahme jedoch als relativ kompliziert.

Was passiert mit Staatsanleiheprogramm?

Seit Jänner fließt kein frisches EZB-Geld mehr in den Kauf von Staatsanleihen – doch das könnte sich ändern. „Alle Instrumente sind auf dem Tisch“, hatte Draghi betont – also auch eine Neuauflage der Wertpapierkäufe. Solche Käufe helfen Staaten, sich günstiger frisches Geld zu besorgen. Denn wenn die EZB große Bestände aufkauft, müssen sie für ihre Anleihen nicht so hohe Zinsen bieten. Zugleich pumpt die EZB über Wertpapierkäufe viel Geld auf den Markt. Das soll der Inflation auf die Sprünge helfen. Von März 2015 bis Ende 2018 steckte die EZB rund 2,6 Billionen Euro in Anleihen.

Allerdings hat sich die Notenbank für die umstrittenen Käufe selbst Grenzen gesetzt. So will sie zum Beispiel nicht mehr als ein Drittel aller Staatsanleihen eines Landes erwerben. Nach Berechnungen der deutschen Landesbank BayernLB ist diese Grenze in einigen Euro-Ländern nahezu erreicht. Insbesondere in den Niederlanden würden die kaufbaren Staatspapiere knapp.

Zinserhöhung könnte in weiter Ferne sein

Die Notenbank könnte sich daher gezwungen sehen, die Kaufgrenze anzuheben. Damit würde sie sich allerdings erneut dem Vorwurf aussetzen, ihr gesetzliches Mandat zu überschreiten und Staatsfinanzierung mit Hilfe der Notenpresse zu betreiben. Volkswirte spekulieren daher über ein abgespecktes Kaufprogramm, beispielsweise von monatlich 30 Mrd. Euro über einen Zeitraum von einem Jahr.

Zuletzt gaben Europas Währungshüter zu Protokoll, sie gingen davon aus, dass die Leitzinsen im Euro-Raum „mindestens über die erste Hälfte des Jahres 2020 … auf ihrem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau bleiben werden“. Diese „Forward Guidance“ könnte zeitlich noch ausgeweitet werden. Möglicherweise verschiebt die Notenbank die Aussicht auf eine erste Zinserhöhung also weiter in die Zukunft.