Ahmet Davutoglu
AP/Burhan Ozbilici
AKP-Austritt und eigene Partei

Ex-Premier fordert Erdogan heraus

Der ehemalige türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu ist aus der Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan ausgetreten. Das sagte Davutoglu am Freitag bei einer Pressekonferenz in Ankara. Er kündigte gleichzeitig die Gründung einer neuen Partei an.

Es sei sowohl eine „historische Verantwortung als auch eine Notwendigkeit“, eine „neue politische Bewegung aufzubauen und einen neuen Weg einzuschlagen“. Er lade jeden zur Zusammenarbeit ein, „dessen Herz für die Zukunft dieses Land schlägt und der Verantwortung verspürt“.

Davutoglu hielt die Pressekonferenz zusammen mit den ehemaligen AKP-Abgeordneten Selcuk Özdag, Abdullah Basci und Ayhan Sefer Üstün, die ebenfalls aus der AKP austraten. Ihre Entscheidung fiel inmitten von Zerfallserscheinungen in der mächtigsten Partei des Landes. Medien berichten seit Monaten, dass einige Persönlichkeiten in der AKP unzufrieden mit dem Kurs von Erdogan sind.

Tayyip Erdogan und Ahmet Davutoglu, 2014
Reuters/Umit Bektas
Davutoglu mit dem türkischen Präsidenten Erdogan 2014, als ihr Verhältnis noch besser war

Babacan: Zahlreiche Gräben

Im Juli war bereits der ehemalige Vizeministerpräsident Ali Babacan aus der Partei ausgetreten. In den vergangenen Jahren hätten sich Gräben aufgetan zwischen den Grundsätzen, an die er glaube, und dem Vorgehen der AKP, schrieb Babacan damals. Auch er wird Medienberichten zufolge eine neue Partei gründen.

Davutoglu hatte der AKP zuletzt mehrfach vorgeworfen, sich von ihren Grundprinzipien zu entfernen. Er hatte unter anderem die Annullierung der Bürgermeisterwahl in Istanbul im März kritisiert. Die AKP hatte die Wahl damals verloren. Bei der Wahlwiederholung Ende Juni, die auf Druck aus der Regierungsspitze zustande kam, gewann der Oppositionskandidat Ekrem Imamoglu von der sozialdemokratischen CHP dann ein zweites Mal. Mit ihrer Entscheidung kamen die vier AKP-Politiker einem Parteiausschlussverfahren zuvor, das der AKP-Vorstand unter der Leitung von Erdogan Anfang September einstimmig beschlossen hatte.

Fünf regierungskritische Journalisten frei

In der Türkei wurden derweil fünf frühere Journalisten der regierungskritischen Zeitung „Cumhuriyet“ vorzeitig aus der Haft entlassen. Nach 142 Tagen im Gefängnis wurden sie am Donnerstag von ihren Angehörigen und weiteren Unterstützern begrüßt, als sie das Kandira-Gefängnis in der Stadt Kocaeli im Nordwesten des Landes verließen. Einige Stunden zuvor hatte ein Berufungsgericht die Freilassung der Journalisten angeordnet, darunter der international bekannte Karikaturist Musa Kart.

Der Anwalt Tora Pekin sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Gerichtsentscheidung gelte Kart und vier seiner früheren „Cumhuriyet“-Kollegen. Eine niedrigere Instanz hatte die Einsprüche der fünf Journalisten gegen ihre Verurteilung vor ein paar Monaten noch zurückgewiesen.

„Unterstützung von Terrorgruppen“

Die Verurteilung der Journalisten im vergangenen Jahr war mit „Unterstützung von Terrorgruppen“ durch ihre Berichterstattung begründet worden. Damals ergingen Haftstrafen zwischen zweieinhalb und acht Jahren gegen insgesamt 14 Angeklagte, darunter neben Journalisten auch leitende Mitarbeiter der Zeitung. Wegen der Urteile wurde der Regierung von Erdogan erneut vorgeworfen, die Pressefreiheit in seinem Land auszuhöhlen.

Die bereits 1924 gegründete „Cumhuriyet“ ist eine der wenigen türkischen Zeitungen, die nicht in der Hand von Medienmogulen ist, sondern einer unabhängigen Stiftung gehört. Das Blatt geriet immer wieder mit der türkischen Regierung in Konflikt. So floh ihr früherer Chefredakteur Can Dündar nach Deutschland, nachdem er in Istanbul 2016 wegen eines Artikels über mutmaßliche Waffenlieferungen der Türkei an Islamisten in Syrien zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt worden war.

Justiz boykottiert Empfang im Präsidentenpalast

Ihren Unmut über das System Erdogan hatten auch zahlreiche Justizvertreter Anfang September deutlich gemacht. 52 von 79 Anwaltskammern boykottierten Anfang September laut „Cumhuriyet“ einen Empfang im Palast Erdogans zur Eröffnung des Gerichtsjahres nach der Sommerpause. „In der Türkei wurde ein Großteil der Grund- und Freiheitsrechte, allen voran die Meinungsfreiheit, vernichtet“, hieß es in der vor dem Gericht in Ankara verlesenen Erklärung der örtlichen Anwaltskammer. Die verbliebenen Rechte würden als „Gefälligkeit“ dargestellt.

Die Kammern kritisierten, dass die Veranstaltung im Präsidialpalast abgehalten wurde und damit die Gewaltenteilung untergraben werde. Erdogan bezeichnete die Vorwürfe als „haltlos“. Es handle sich um „fanatische und provokative Anmaßungen“.