NGO: Erbärmliche Zustände in libyschem Flüchtlingscamp

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (Medecins Sans Frontieres, MSF) hat entsetzliche Zustände und willkürliche Internierungen in einem Lager für Geflüchtete im Westen Libyens beklagt. Sie forderte heute, im Mittelmeer aufgenommene Menschen nicht mehr in das nordafrikanische Bürgerkriegsland zurückzubringen. Libyen ist eines der wichtigsten Transitländer für Geflüchtete, die über den Seeweg nach Europa wollen.

Die Räume in dem Lager der international anerkannten Regierung in der Stadt Sintan seien nicht belüftet, Duschen und Toiletten in einem erbärmlichen Zustand, sagte Christoph Hey, MSF-Projektkoordinator im Westen Libyens, in Berlin. Die Wasserversorgung funktioniere nur teilweise.

Keine Gerichtsverfahren

Alle insgesamt rund 600 Geflüchteten in dem Lager, fast ausschließlich Männer, würden willkürlich festgehalten, weil sie keine Aufenthaltspapiere haben. Es gebe weder Anklage noch Gerichtsverfahren noch Aussicht auf Freilassung. Libyen betrachtet Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere als illegal Eingewanderte.

MSF hat in Sintan nach eigenen Angaben im Juni angefangen, medizinische Hilfe zu leisten. In den Monaten zuvor seien 22 Menschen gestorben, die meisten von ihnen vermutlich an Tuberkulose. Noch immer litten rund 70 Menschen an der Infektionskrankheit. Die Enge und die schlechten Bedingungen machten die Menschen anfällig.

Kritik auch von UNO

So seien in einem Raum 45 Somalier auf 70 Quadratmetern untergebracht. „Sie sehen die ganze Woche kein Tageslicht und haben keine frische Luft“, so Hey. „Die einzige Toilette und die einzige Dusche in diesem Raum sind durch die Überbeanspruchung die Hälfte der Zeit defekt.“ Es herrsche hohe Luftfeuchtigkeit. „Dieser Raum ist für mich das Sinnbild für die Internierung in Libyen.“

In Libyen herrschen seit dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 chaotische Bürgerkriegszustände. Zwei Regierungen konkurrieren um die Macht. Der einflussreiche General Chalifa Haftar hatte im April eine Offensive auf die Hauptstadt Tripolis begonnen, wo die internationale anerkannte Regierung ihren Sitz hat. Diese arbeitet mit zahlreichen Milizen zusammen.

Libyens Küstenwache fängt regelmäßig im Mittelmeer Menschen ab, die nach Europa wollen. Immer wieder gibt es Berichte über katastrophale Zustände in libyschen Internierungslagern. Auch die UNO hatte im Juni die miserablen Zuständen in dem Lager in Sintan beklagt.