Tausende Bauarbeiter sind auf der riesigen Baustelle des französischen Atomkonzerns EDF tätig. Dazu schweres Gerät jeder Art. Doch der Superkran SGC-250, wie „Big Carl“ offiziell heißt, stellt alles in den Schatten. Der Kran wurde vom belgischen Ghent nach Somerset gebracht – zerlegt in zahlreiche Teile, die auf 250 Lkws transportiert werden mussten.
„Big Carl“ sieht nicht wie ein traditioneller Kran aus, kann aber bis zu 5.000 Tonnen heben. Die Größendimensionen werden erst im Vergleich mit den mehr als 50 anderen Kränen erfassbar, die dagegen zwergenhaft und zerbrechlich wirken. Mit maximal 250 Metern kann sich der Kran so weit aufrichten, wie der DC-Tower in Wien hoch ist, Österreichs höchstes Hochhaus. Er ist damit höher und länger als zwei Fußballfelder. Auch drei Airbus 380 mit der gewaltigen Spannweite von jeweils rund 80 Metern kommen zusammen nicht auf die Dimension von „Big Carl“.
Riese kann herumfahren
Der Kranriese kann sich zudem – voll zusammengebaut – auf der Baustelle herumbewegen. Nach Angaben der Konstruktionsfirma Sarens ist das eine Premiere. Mehr als sechs Kilometer Schienen wurden laut dem britischen TV-Sender Skynews auf der Baustelle verlegt, damit der Kran verschiedene Orte erreichen kann. Mit dem Kranarm kann „Big Carl“ im Radius von 275 Metern jedes Ziel erreichen. Mit dem Kran werden vor allem für die anderen Kräne viel zu schwere oder große vorgefertigte Beton- und Stahlbauteile an ihre Stelle gehoben.
Vor allem nachts im Einsatz
Zwei eigene Gruppen von Rädern ermöglichen einerseits die 360-Grad-Drehung und die Bewegung von einem Ort zum anderen auf der Baustelle. Eingesetzt wird der Kran vor allem nachts, um Komplikationen bei der Koordination der Baustelle im Südwesten Englands zu verhindern.
Laut der Kranfirma Sarens geht der Trend bei Großbaustellen immer mehr zu großen, in Werken vorgefertigten Bauteilen, die dann an Ort und Stelle nur noch zusammengefügt werden. Die Bauteile sind viel schwerer als bisher und brauchen daher Kräne mit entsprechend höherer Kapazität. Als Gegengewicht dient dabei Sand – der lokal hintransportiert werden kann. Gefüllt wird dieser in jene Container, in denen die Kranteile angeliefert werden.
20,3 Mrd. Pfund
Der Superkran soll dafür sorgen, dass das erste neue britische AKW seit mehreren Jahrzehnten planmäßig bis 2025 fertiggestellt wird. Der Bau kostet allein 20,3 Milliarden Pfund (22,8 Mrd. Euro).
Die britische Tageszeitung „Guardian“ hatte vor einigen Wochen berichtet, nicht wenige der mehr als 4.000 Bauarbeiter in Hinkley Point C hätten teils gravierende psychische Probleme. Die Hauptursachen laut einem Gewerkschaftsvertreter sind Einsamkeit, das Zerbrechen der Beziehung und das Getrenntsein von der eigenen Familie. Der Baukonzern EDF verwies auf mehrere Maßnahmen, etwa ein Buddy-System auf der Baustelle für Personen mit mentalen Problemen und einen eigenen Arzt.
Rechtsstreit mit Österreich
Auch nach Baubeginn geht unterdessen der von Österreich angestrengte Kampf um EU-Finanzhilfen für den Bau des AKWs weiter. Das Europäische Gericht – das dem EuGH vorgelagerte Gericht – hatte im Juli des Vorjahres eine entsprechende Klage Österreichs auf Aberkennung der Finanzhilfen abgewiesen. Die ÖVP-FPÖ-Regierung hatte daraufhin Berufung beim EuGH eingereicht. Dessen Entscheidung steht noch aus.