Niederösterreich Zeitung
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Parteienfinanzierung

Inserate als Schlupflöcher

2012 wurde die Rechenschaftspflicht für Inserate – ein bis dahin beliebtes Schlupfloch – ins Parteigesetz aufgenommen. Doch das Gesetz lässt sich umgehen, berichtete das Ö1-Mittagsjournal am Freitag am Beispiel der „Niederösterreich Zeitung“, für die die ÖVP Niederösterreich eine besondere juridische Konstruktion gefunden hat. Politikwissenschaftler Hubert Sickinger sieht ähnliche „Schmähs“ bei SPÖ und FPÖ.

Wie Parteien Spenden am Rechnungshof vorbeimanövrieren, ist spätestens seit dem „Ibiza-Video“ ein großes Thema. Doch während Konstruktionen über parteinahe Vereine beleuchtet wurden, sind Inserate in parteinahen Medien kaum ein Thema. Eigentlich müssen Parteien Inserateneinnahmen ab einer Höhe von 3.500 Euro dem Rechnungshof bekanntgeben – allerdings nicht, wenn der Medieninhaber ein privater Verlag ist.

Genau das ist bei der unregelmäßig und vor allem in Wahlkampfzeiten erscheinenden „Niederösterreich Zeitung“, die an alle Haushalte des Bundeslandes geht, der Fall: Herausgeberin ist zwar die ÖVP Niederösterreich, die inhaltlich verantwortlich ist. Medieninhaber ist aber der private Innova Verlag. Die letzte Ausgabe erschien im Mai, kurz vor der EU-Wahl, als Mischung aus Informationen und Wahlwerbung. Die 44 Seiten wurden durch 13 Seiten Inserate finanziert, der Tarif pro Seite betrug 9.670 Euro.

Nicht nur Inserate aus Privatwirtschaft

„Das sind Gelder, mit denen eine Zeitung finanziert wird, die offensichtlich den Zweck der Wahlwerbung hat für die EU-Wahl“, sagte der Parteienforscher Laurenz Ennser-Jedenastik gegenüber Ö1. Problematisch werde es immer dann, wenn Unternehmen im öffentlichen Eigentum oder teilweise im öffentlichen Eigentum Inserate schalten. „Da kann man sich schon fragen: Warum muss eine Bank, die im Eigentum des Landes steht, eine Parteizeitung finanzieren?“, so Ennser-Jedenastik – Audio dazu in oe1.ORF.at.

In der Mai-Ausgabe der „Niederösterreich Zeitung“ stammten fünf Seiten Inserate nicht aus der Privatwirtschaft, sondern von politiknahen Unternehmen: der Niederösterreichischen Versicherung, Wohnbaugesellschaften, dem Energieversorger EVN, der mehrheitlich dem Land gehört, und der Hypo Niederösterreich.

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Rund 130.000 Euro wurden mit Inseraten lukriert

ÖVP verteidigt Vorgehen

ÖVP-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner verteidigte das Vorgehen gegenüber Ö1: Natürlich halte man sich an das Gesetz. „Bei der ‚Niederösterreich Zeitung‘ ist alles mit rechten Dingen zugegangen. Die ganzen wirtschaftlichen Agenden haben wir ausgelagert, das hat mit uns in Wahrheit nichts zu tun“, so Ebner. Er sieht keine Umgehungskonstruktion: Es wäre schlichtweg nicht zu bewältigen, wenn sich die ÖVP auch selbst um Inserate kümmern müsste.

Auch die Inserate von Landeshypo und EVN sind für Ebner kein Problem: Die Zeitung habe eine hohe Auflage und damit einen großen Werbewert. „Daher ist es auch sinnvoll, in so einer Zeitung zu inserieren.“

Medieninhaber: Dank Inseraten kostendeckend

Die Inserenten sehen das ähnlich: Die EVN sagte gegenüber Ö1, der Preis für das Inserat sei marktkonform. Man habe im Rahmen einer Werbekampagne im Frühsommer auch in anderen großen Zeitungen inseriert. Von der Hypo Niederösterreich hieß es, die Zeitung sei an alle 700.000 Haushalte in Niederösterreich gegangen. Hätte die Hypo selbst einen Postwurf bezahlt, wären die Kosten fünfmal so hoch gewesen.

Vonseiten des Medieninhabers, des Innova Verlags, heißt es gegenüber Ö1, der Gewinn bleibe beim Verlag. Dank rund 130.000 Euro aus Inseraten sei die Zeitung kostendeckend, sagte Geschäftsführer Peter Madlberger zu Ö1. Allerdings: Die Partei musste damit für die Werbung nichts zahlen, folgerte Politologe Ennser-Jedenastik.

Sickinger: „Listige Umgehungskonstruktion“

Sickinger sagte, dass man die Schwachstellen des Gesetzes besonders deutlich sehe: „Also, hier hat man diese listige Umgehungskonstruktion geradezu im Impressum drinnen.“ Ganz neu ist eine derartige Konstruktion nicht: Die Rechercheplattform Dossier hatte im Vorjahr berichtet, dass zwei Magazine – „Arbeiten für Niederösterreich“ des Niederösterreichischen Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerbundes (NÖAAB) der ÖVP und „NÖ Gemeinde“ des Gemeindebundes, des Gemeindevertreterverbandes der ÖVP Niederösterreich, ähnlich organisiert waren.

SPÖ Wien und „ihre“ Medien

Parteifinanzexperte Sickinger sagte gegenüber Ö1, dass ähnliche Beispiele auch bei SPÖ und FPÖ zu finden seien. So stand der Verlag echo medienhaus indirekt im Eigentum der Wiener SPÖ. Über eine Tochterfirma habe der Verlag das „Wiener Bezirksblatt“ produziert, in dem die Stadt Wien und ihre Unternehmen inseriert hätten. Das habe „stark den Geruch der Parteienfinanzierung“ gehabt, so Sickinger – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Der Verlag wurde nach der Gesetzesänderung 2012 verkauft – an „parteinahe Persönlichkeiten“, so der Politikwissenschaftler. Die Partei habe rein juridisch mit dem Verlag nichts mehr zu tun. Die Wiener SPÖ setze seit damals auf „unabhängige Medien“, die man allerdings mit „Inseraten füttert“, so Sickinger. Die größten Brocken von Inseratenschaltungen der Stadt Wien finden sich bei Tageszeitungen.

FPÖ-Mitarbeiter mit eigenen Medien

Die Freiheitlichen setzen laut Sickinger wiederum auf Unzensuriert.at, „Info-Direkt“ und „Wochenblick“ – Medien, die laut Sickinger Parteimitarbeitern gehören, die auch die Artikel schreiben. Die Parteimitarbeiter hätten „genügend Tagesfreizeit“, um mehr oder weniger hauptberuflich diese Medien zu machen.

Wenn diese Personen eigentlich in Kommunikationsabteilungen der Partei oder im Parlamentsklub beschäftigt sind, liege der Schluss nahe, dass das Parteimedien sind, so Sickinger. Wenn dann freiheitliche Ministerien in den Medien Inserate schalten, würden diese im FPÖ-Rechenschaftsbericht trotzdem nicht auftauchen.