Juncker vor Treffen mit Johnson skeptisch zu Nordirland-Lösung

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat sich vor seinem Treffen mit dem britischen Premierminister Boris Johnson zum Brexit skeptisch zu Fortschritten in der Nordirland-Frage gezeigt. Er sei nicht optimistisch, dass Alternativen zu der umstrittenen Auffanglösung, die Grenzkontrollen zu Irland vermeiden soll, gefunden werden könnten, sagte Juncker dem Deutschlandfunk nach Angaben von gestern. Er hoffe weiter auf alternative Vorschläge, aber „die Zeit wird knapp“.

Juncker trifft Johnson am Montagmittag in Luxemburg zu einem Arbeitsessen. Es ist das erste Mal, dass der EU-Kommissionspräsident mit dem britischen Regierungschef seit dessen Amtsantritt im Juli zusammenkommt. An dem Treffen nimmt auch der EU-Brexit-Unterhändler Michel Barnier teil.

Ziel sei es, mit Johnson zu überlegen, welche in die Zukunft reichenden Vereinbarungen denkbar seien, sagte Juncker laut Deutschlandfunk in dem Interview, das morgen gesendet werden soll. Die EU wolle mit Großbritannien ein ordentliches Verhältnis behalten. Juncker bekräftigte den Angaben zufolge, es sei ausgeschlossen, den mit Johnsons Vorgängerin Theresa May ausgehandelten Austrittsvertrag wieder aufzumachen.

„Höhepunkt einer kontinentalen Tragödie“

Juncker bedauerte in dem Gespräch erneut den Brexit. Dieser sei der „Höhepunkt einer kontinentalen Tragödie“, sagte er. Den Austritt Großbritanniens aus der EU bezeichnete Juncker als „ahistorisch“ und der Problemlage, die es in Europa zu bewältigen gebe, nicht angemessen. Die Entscheidung der Briten gelte es aber zu respektieren.

Der Kommissionschef warnte erneut vor einem ungeordneten Brexit, den Johnson in Kauf nehmen will, um sein Land am 31. Oktober aus der EU zu führen. Ein ungeordneter Brexit werde zu einem heillosen Chaos führen, auf den Inseln wie auf dem Kontinent, sagte Juncker den Angaben zufolge. Es werde Jahre dauern, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen.

Zweites Brexit Referendum?

David Cameron, der frühere britische Premier, hält unterdessen ein zweites Brexit-Referendum nicht für ausgeschlossen. Das sagte er in einem Interview der „Times“ (Samstag-Ausgabe). „Ich glaube, man kann es nicht ausschließen, weil wir in der Klemme sitzen“, sagte Cameron. Gleichzeitig kritisierte Cameron das Vorgehen des aktuellen Regierungschefs Boris Johnson.

Er unterstütze weder die von Johnson auferlegte Zwangspause des Parlaments noch den Fraktionsrauswurf von 21 Tory-Abgeordneten, die gegen die Regierung gestimmt hatten. Beides sei „nach hinten losgegangen“. Auch ein EU-Austritt ohne Abkommen, wie von Johnson angedroht, sei keine gute Idee, so Cameron.

Cameron war nach dem Brexit-Votum der Briten im Jahr 2016 zurückgetreten. Er hatte das Referendum unter anderem abgehalten, um seine Position in der Konservativen Partei gegen die EU-Kritiker zu festigen. Cameron hatte für den Verbleib Großbritanniens in der EU geworben, unterlag aber knapp den Befürworterinnen und Befürwortern eines Austritts, zu deren Wortführern Johnson gehörte.

Parlamentspräsident droht Johnson

Die Hürden für den britischen Premier, den Austritt aus der EU in jedem Fall am 31. Oktober zu vollziehen, werden jedenfalls immer höher. Auch Parlamentspräsident John Bercow warnte den Premier explizit, das Parlament zu umgehen.

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