Demonstranten in Frankfurt am Main
APA/AFP/Daniel Roland
Frankfurt

Tausende demonstrieren gegen Automesse

Tausende Menschen haben am Samstag vor den Toren der Internationalen Automobilmesse (IAA) in Frankfurt für eine Verkehrswende demonstriert. Sie forderten ein sofortiges Ende von Verbrennungsmotoren, einen starken Ausbau von Bus und Bahn sowie Vorrang für Fußgänger und Radfahrer.

An einem Kundgebungszug und einer Fahrradsternfahrt zum Messegelände beteiligten sich am Samstag nach Angaben der Veranstalter 25.000 Menschen, davon hätten sich rund 18.000 mit dem Rad auf den Weg gemacht. Die Polizei sprach von 15.000 Teilnehmern und Teilnehmerinnen.

Die Demonstrierenden zogen nach Polizeiangaben auf dem Fahrrad und zu Fuß friedlich aus mehreren Richtungen zum IAA-Gelände. Kurzzeitig mussten Autobahnabschnitte für die Teilnehmer der Fahrradsternfahrt gesperrt werden. Die Sternfahrt stand unter dem Motto „Raus aus dem Verbrennungsmotor – Verkehrswende jetzt!“ und richtete sich sowohl an die Autoindustrie als auch an die Politik. Die IAA wird von den Demonstrierenden als Symbol einer klimaschädlichen Mobilität gesehen.

Demonstranten mit Fahrrädern auf der Autobahn A 648 in Frankfurt am Main
APA/AFP/Daniel Roland
25.000 Menschen, großteils mit dem Rad unterwegs, haben sich laut Veranstaltern an der Demo beteiligt

Die Stadt zu Fuß und mit dem Rad „zurückerobert“

Bei der Abschlusskundgebung vor der IAA-Messe trug das Demobündnis seine Forderungen vor. „Die Zeit für protzige Spritschlucker und immer größere SUVs ist vorbei“, erklärten die Organisatoren. „Heute haben sich Zehntausende Menschen zu Fuß und auf dem Fahrrad die Stadt von der Autoindustrie zurückerobert.“

Mit der Verkehrswende soll der Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) gesenkt und die Erderwärmung gebremst werden. „Schluss mit der Autovorrangpolitik in Städten und Gemeinden“, forderte Ernst-Christoph Stolper, stellvertretender Chef des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

Michael Müller, Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands, prangerte den Anstieg der CO2-Emissionen des Verkehrssektors seit 1990 an. Die Autokonzerne täuschten und tricksten aus Profitgier, sagte er mit Blick auf den Dieselabgasskandal. Auch der Trend zu SUVs wurde scharf kritisiert.

Demonstranten in Frankfurt am Main
APA/AFP/Daniel Roland
„Verkehrswende jetzt“, „Frische Luft“ und „Stop SUV“ war auf den Plakaten und Fahnen zu lesen

Klimaschutzmaßnahmen von der Politik gefordert

Neben der IAA-Messe hatten die Demonstranten und Demonstrantinnen auch den 20. September im Blick, an dem die deutsche Bundesregierung ihre Maßnahmen zum Klimaschutz vorstellen will. „Jetzt muss die Regierung liefern und den Rahmen setzen für eine Wende weg von der autofixierten Verkehrspolitik und hin zu klimafreundlichen, sauberen und lebenswerten Städten“, erklärten die Organisatoren. Die Demonstrierenden forderten vor allem Maßnahmen für einen klimaneutralen Verkehr bis 2035.

Transportsektor mit schlechter CO2-Bilanz

Laut Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) ist der globale Transportsektor für 14 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich, etwa neun Prozent entfallen auf den Pkw-Verkehr.

Am Freitag wurde bekannt, dass die CDU plant, die Ticketsteuer für Inlandsflüge deutlich anzuheben. Diese soll verdoppelt, bei Kurzstreckenflügen unter 400 Kilometer sogar verdreifacht werden. Die Bahn soll im Gegenzug durch die Reduzierung der Mehrwertsteuer auf den Fernreiseverkehr günstiger werden, heißt es in einem Konzept der CDU. Am Freitag will die deutsche Bundesregierung ein Klimapaket verabschieden.

„Autokonzerne entmachten!“

Die Kundgebung unter dem Motto „Aussteigen“ hatte mit einer Aktion in der Innenstadt begonnen: Die Demonstranten stellten eine mit den Logos von Autokonzernen beklebte Großpuppe auf, aus deren Schritt phallusartig ein Auspuff hervorragte. Dieser wurde von einem Demonstranten abgesägt – die Säge trug die Aufschrift „Autokonzerne entmachten!“.

Zu den Protesten hatte ein Bündnis aufgerufen, in dem sich ADFC, BUND, Campact, Deutsche Umwelthilfe, Greenpeace, NaturFreunde Deutschlands und VCD engagieren. Am Sonntag wollen Mitglieder der Organisation Sand im Getriebe mit friedlichen Blockaden den Ablauf der Messe stören. Die Organisation Attac hält zudem zwei Mahnwachen ab. Die IAA öffnete am Samstag für das breite Publikum. Sie endet kommende Woche am Sonntag.

„Fridays for Future“ sagt IAA-Auftritt ab

Am Freitag hatten bereits Teilnehmer der Klimaschutzbewegung „Fridays for Future“ in Frankfurt gegen die IAA protestiert und den geplanten Auftritt von zwei ihrer Mitglieder auf der Automesse abgesagt. Die IAA sei „nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems“, erklärte die Bewegung auf Twitter. Geplant war ein Redebeitrag der „Fridays for Future“-Mitglieder Kira Geadah und Carla Reemtsma.

Die Bewegung sei der Einladung, auf der Messe zu sprechen, „von Anfang an kritisch“ gegenübergestanden, so Geadah. So sei „Fridays for Future“ skeptisch gewesen, ob Interesse der Branche an einem Austausch und an Veränderung bestehe oder ob der Auftritt dazu diene, der Messe einen grünen Anstrich zu verleihen.

Autoverband: Investieren „massiv“ in Klimaschutz

„Wir werden nicht auf einer Bühne für Phrasen und Klimaschutzbekundungen herhalten“, sagte Geadah in einem auf Twitter veröffentlichten Beitrag. Reemtsma ergänzte, das Problem sei die Autoindustrie selbst, denn sie trage „massiv zu jetzigen Umweltproblemen bei“ und mache keine Anstalten, daran etwas zu ändern. „Das Idealbild der Automobilindustrie – schnellere, größere und vor allem mehr statt weniger Autos – lässt keinen Platz für eine klimagerechte Zukunft.“

Besucher bei der Automobilmesse in Frankfurt
APA/AFP/Daniel Roland
Die Automesse gilt bei Demonstrierenden als Symbol einer klimaschädlichen Mobilität

Der deutsche Verband der Automobilindustrie (VDA) betonte im Vorfeld, er habe versucht, mit Kritikerinnen und Kritikern sowie Diskussionen über Umwelt, Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Mobilitätskonzepte für die Zukunft in den Dialog zu treten – doch eben erfolglos. Der VDA versprach zudem, die deutsche Automobilwirtschaft investiere „massiv“ in den Klimaschutz und werde alle Vorgaben bis 2030 erreichen.

Mehr Treibhausgase „durch Autoindustrie als durch EU“

Anders sieht das Greenpeace: „Die Autoindustrie nimmt die Klimakrise noch immer nicht ernst“, so Greenpeace-Sprecher Herwig Schuster. Der im Rahmen der Automesse präsentierte Greenpeace-Report „Mit Vollgas in die Klimakrise“ kommt etwa zum Ergebnis, dass der CO2-Fußabdruck der globalen Autoindustrie für neun Prozent der jährlichen weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. „Das ist mehr als die gesamte EU zur Klimakrise beiträgt“, heißt es dort.

Der Verkehr sei auch das größte Problemfeld der österreichischen Klimaschutzpolitik, so Schuster. In keinem anderen Sektor seien die Emissionen während der letzten Jahre so dramatisch gestiegen wie im Verkehr. Die zukünftige österreichische Regierung müsse ein Aus für Verbrennungsmotoren ab 2028 als „oberste Klimapriorität“ betrachten, forderte Schuster.