Lega-Chef Matteo Salvini bei einer Parteiveranstaltung in der lombardischen Ortschaft Pontida
Reuters/Flavio Lo Scalzo
Gegen Mitte-links-Regierung

Salvini prophezeit baldige Rückkehr

Italiens früherer Innenminister Matteo Salvini hat der neuen Mitte-links-Regierung in Rom den Kampf angesagt und seine baldige Rückkehr prophezeit. Besonders stört sich der rechtspopulistische Lega-Chef daran, dass die neue Mitte-links-Regierung Geflüchtete auf der „Ocean Viking“ an Land gelassen hatte. Bei einer Kundgebung in der Kleinstadt Pontida betonte Salvini, er wolle kein Aufweichen der italienischen Migrationspolitik dulden.

Er werde ein Referendum starten, sollte die neue Regierung seine Sicherheitspakete abschaffen, kündigte Salvini an. Die beiden vom Parlament verabschiedeten Gesetze sehen drakonische Strafen für Rettungsschiffe vor, die ohne Genehmigung in Italien landen. „Wenn die Sicherheitsdekrete abgeschafft werden, können wir ein Referendum in die Wege leiten“, so der Lega-Chef. „Das Volk hat das Recht, sich gegen die Beschlüsse der Machtzentralen zu wehren.“

Der Rechtspopulist sprach vor Zehntausenden Anhängerinnen und Anhängern seiner Partei in der lombardischen Kleinstadt Pontida. Das Treffen findet dort jährlich statt. Am Rande der Kundgebung wurde der für die linksliberale Zeitung „La Repubblica“ arbeitende Videojournalist Antonio Nasso der Nachrichtenagentur ANSA zufolge von Teilnehmern tätlich angegriffen und sein Mikrofon zerstört. „Repubblica“-Journalist Gad Lerner wurde von mehreren Dutzend Menschen beschimpft und bedrängt.

Rettungsschiff durfte vor Lampedusa landen

Die zweite Regierung unter Giuseppe Conte, die vergangene Woche unter Ausschluss der Lega gebildet wurde, hatte eine Abwendung von Salvinis Migrationspolitik der „geschlossenen Häfen“ angekündigt. Nachdem in Abstimmung mit den italienischen Behörden das Rettungsschiff „Ocean Viking“ 82 Menschen an Bord zum Hafen der Insel Lampedusa gebracht hatte, warnte Salvini am Sonntag vor einer radikalen Wende im Einwanderungskurs Italiens. „Ich sehe schwarz. Das Problem ist, dass Italien bald wieder zu Europas Flüchtlingslager werden könnte. Die NGOs haben den Regierungswechsel in Italien gefeiert“, kommentierte der 46-jährige Salvini vor seinen Anhängerinnen und Anhängern.

Flüchtlinge vom Rettungsschiff „Ocean Viking“ werden von der Küstenwache in den Hafen der Insel Lampedusa gebracht
Reuters/Mark Zammit Cordina
Boote der italienischen Küstenwache brachte Dutzende Männer, Frauen und Kinder zum Hafen in Lampedusa

Boote der Küstenwache begannen in der Nacht zum Sonntag damit, die Menschen der „Ocean Viking“ auf italienischen Boden zu bringen. Bis zum Vormittag hatte die Mehrzahl der Männer, Frauen und Kinder das Rettungsschiff verlassen, die vor dem Hafen auf der Reede blieb. „Nach 14 Monaten ist die Ocean Viking das erste zivile Rettungsschiff, das autorisiert Menschen an einen sicheren Ort in Italien bringt“, schrieb die Hilfsorganisation SOS Mediterranee.

Die NGO begrüßte die Entscheidung der neuen Regierung in Rom als ermutigendes Signal. Laut italienischen Presseberichten werden Deutschland und Frankreich je 24 der 82 Menschen übernehmen, weitere 24 bleiben in Italien. Acht gehen nach Portugal und zwei nach Luxemburg.

Seehofer: „Können 25 Prozent der Geretteten aufnehmen“

Der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) bot tags zuvor überraschend an, künftig jeden vierten Geretteten aus Italien zu übernehmen. Man könne „25 Prozent der aus Seenot geretteten Menschen übernehmen, die vor Italien auftauchen. Das wird unsere Migrationspolitik nicht überfordern“, sagte der deutsche Innenminsiter. Seehofers öffentliches Angebot kann als Signal vor dem Besuch der neuen italienischen Innenministerin Luciana Lamorgese in Deutschland am Mittwoch gewertet werden.

Lega-Chef Matteo Salvini bei einer Parteiveranstaltung in der lombardischen Ortschaft Pontida
Reuters/Flavio Lo Scalzo
Tausende Anhängerinnen und Anhänger der Lega kamen nach Pontida, um Salvini zu treffen

Während Salvini Innenminister in Italien war, hatte das Land Rettungsschiffen mehrfach die Einfahrt verweigert und gefordert, dass andere EU-Staaten vorher die Aufnahme der Menschen an Bord zusagen. Das wurde jeweils mühsam im Einzelfall ausgehandelt – die Geretteten mussten teils wochenlang auf dem Mittelmeer ausharren. Abhilfe soll ein temporärer Mechanismus schaffen, der die Menschen auf EU-Länder verteilt, die dazu bereit sind. Am 23. September wollen Deutschland, Frankreich, Italien und Malta bei einem Treffen mit dem EU-Ratsvorsitzenden Finnland im maltesischen Vittoriosa einen gemeinsamen Vorschlag abstimmen.

Großdemo in Rom geplant

Salvini bekräftigte unterdessen seine Forderung nach einer Neuwahl, nachdem er im August die Koalition mit der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung hatte platzen lassen. Derzeit stärkt der Lega-Chef seine Allianz mit der rechtskonservativen Forza Italia um Ex-Premier Silvio Berlusconi und mit der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia (FdI, Brüder Italiens) in Hinblick auf Regionalwahlen, die in den nächsten Monaten in mehreren Regionen geplant sind.

Den Anfang macht Umbrien am 27. Oktober, bis Jahresende folgen Regionalwahlen in der Emilia Romagna und in Kalabrien. Auch dort will sich der Lega-Chef aktiv in den Wahlkampf einbringen. Für den 19. Oktober rief Salvini außerdem seine Anhängerinnen und Anhänger zu einer Großdemonstration in Rom gegen die Regierung auf. Mit den Veranstaltungen will der Rechtspopulist offensichtlich wieder Tritt finden.

Unter Salvinis Führung hat sich die Lega von einer separatistischen Partei mit Fokus auf Norditalien in eine gesamtstaatliche rechtspopulistische und ausländerfeindliche Partei nach dem Modell des Rassemblement National (RN, vormals Front National) gewandelt. Bei der EU-Wahl im Mai – anders als bei der Parlamentswahl 2018 – wurde sie mit 33 Prozent stärkste politische Kraft des Landes. Seit Salvini die Regierung gesprengt hatte, büßte er an Popularität ein. Die Fünf-Sterne-Bewegung regiert nun nach einem fliegenden Wechsel mit den Sozialdemokraten weiter.