Geringe Wahlbeteiligung in Tunesien

Die Präsidentschaftswahl in Tunesien mit völlig offenem Ausgang hat bei den Wählerinnen und Wählern des nordafrikanischen Landes nur geringes Interesse hervorgerufen. Zwar bildeten sich gestern Früh bereits vor Öffnung der Wahllokale an einigen Orten längere Schlangen, doch später sank das Interesse der Menschen deutlich.

Wähler vor einem Wahllokal in Sousse, Tunesien
Reuters/Amine Ben Aziza

Nach offiziellen Angaben gaben lediglich 45,02 Prozent der registrierten Wählerinnen und Wähler bis 18.00 Uhr Ortszeit ihre Stimme ab. Das teilte die Unabhängige Wahlkommission ISIE nach Schließung der Wahllokale am Abend mit. Bei der Präsidentschaftswahl vor fünf Jahren gingen noch 62,9 Prozent der registrierten Wählerinnen und Wählern an die Urnen.

Zweite freie Präsidentschaftswahl seit Revolution

Der Urnengang ist die zweite freie Präsidentschaftswahl seit der friedlichen Revolution im Frühjahr 2011. Bei der ersten Wahl 2014 waren im ersten Durchgang 64 Prozent der Wahlberechtigten zu den Urnen gegangen, diesmal lag die am Abend von der Wahlbehörde verkündete Beteiligung mit 45 Prozent also deutlich niedriger.

Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen waren knapp sieben Millionen Wahlberechtigte aufgerufen gewesen, einen neuen Präsidenten oder eine neue Präsidentin zu wählen. Etwa 100.000 Sicherheitskräfte von Polizei und Militär überwachten die Wahl.

Gesucht wird in der Wahl ein Nachfolger des verstorbenen Staatschefs Beji Caid Essebsi. Es bewarben sich zwei Dutzend Kandidatinnen und Kandidaten um den Einzug in die Stichwahl, die bis zum 23. Oktober stattfinden soll.

Jusprofessor oder Medienmogul?

Offiziell traten 26 Kandidaten zur ersten Runde der Wahl an. Sollte keiner von ihnen im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit gewinnen, kommt es zur Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen. Prognosen zufolge könnten das der unabhängige Jusprofessor Kais Saied und der im Gefängnis sitzende Medienmogul Nabil Karoui sein. Beide Lager stützten sich auf zwei nach Schließung der Wahllokale veröffentlichte gleichlautende Prognosen, wonach Saied vier Prozentpunkte vor Karoui lag.

Er sei „der Erste im ersten Durchgang“, so Saied. Der 61-Jährige hatte sich im Wahlkampf bewusst von allen Parteien distanziert und setzte auf einen Tür-zu-Tür-Wahlkampf.

Ein Vertreter von Karouis Partei sagte wiederum: „Nabil Karoui ist in der zweiten Runde.“ Der Medienmogul galt im Vorfeld als einer der Favoriten. Er sitzt in Haft, durfte aber antreten. Gegen den 56-Jährigen, der nur wenige Tage vor Wahlkampfbeginn verhaftet worden war, wird wegen des Verdachts der Geldwäsche und der Steuerhinterziehung ermittelt.