USPS-Packerln auf einem Stapel in einem Verteilungszentrum
Reuters/John Gress
Packerlstreit

Turbulenzen im Weltpostverein

Die USA stehen kurz davor, nach 144 Jahren aus dem Weltpostverein (UPU) auszusteigen. Auslöser ist abermals ein Streit mit China: Denn Pakete aus der Volksrepublik in die USA kosten häufig weniger als Pakete, die innerhalb der USA verschickt werden. Grund dafür ist eine jahrzehntealte Regel für den Postverkehr. Diese ist nun Thema auf einem Sondergipfel – gibt es dort keine Einigung, könnte sich das stark auf die Preise auswirken.

Wer einen Brief oder ein Paket ins Ausland schickt, erteilt zwei Postunternehmen einen Auftrag: Das eine ist für die Beförderung vom Inland ins Ausland zuständig, das andere für die Zustellung im Ausland. Für diesen zweiten Teil der Zustellung gibt es eine Regelung, die festlegt, wie viel Geld die Postbehörde des Ursprungs- an jene des Ziellandes zahlt.

Eingeführt wurden diese „Abschlussvergütungen“ („terminal dues“) für Briefe und kleine Pakete unter zwei Kilogramm bereits im Jahr 1969. Grundlage für die Berechnung sind dabei nicht unbedingt die tatsächlichen Kosten des Ziellandes, vielmehr die Situation des Absenderlandes. Auf der Homepage der UPU heißt es: „Nicht alle Länder sind auf derselben Entwicklungsstufe“ – Kriterium ist dabei etwa das Postaufkommen des Landes. Der zugehörige Index wird regelmäßig angepasst – doch auch nach der letzten Angleichung im Jahr 2018 ist China nicht gleichauf mit den USA.

Versand von China ins Ausland deutlich günstiger

Für China bedeutete das bisher, dass Pakete sehr günstig ins Ausland verschickt werden können. Beim Versand eines Pakets in die USA waren die Kosten sogar so niedrig, dass oft der Versand innerhalb der USA teurer war. Die Situation ist auch bei chinesischen Versandhändlern wie AliExpress zu sehen: Oft ist der Versand nach Österreich trotz großer Distanz gratis. Die USA zahlen für den Postverkehr ins Ausland hingegen deutlich mehr als China.

Chinesische Arbeiterinnen verpacken Ware
APA/AFP
Der Versand von Packerln aus China ins Ausland, hier zum „Singles Day“ 2019, sei viel zu günstig, so der Vorwurf

US-Präsident Donald Trump kündigte daraufhin im Vorjahr an, nach knapp eineinhalb Jahrhunderten als Gründungsmitglied aus dem Weltpostverein auszuscheiden. Einige der „aktuellen internationalen Postreglements stimmen nicht mit den wirtschaftlichen Interessen und nationalen Sicherheitsinteressen der USA überein“, hieß es in der Aussendung Trumps.

Die US-Post (USPS) machte schon 2015 auf die Lage aufmerksam: Vor allem bei kleinen Sendungen würden die chinesische Post und dort ansässige Versandhändler von den niedrigeren Preisen profitieren, hieß es in einem Bericht. Bei wertvolleren und größeren Gütern wird der Abstand jedoch kleiner.

Sondergipfel soll Lösung finden

Von 24. bis 26. September findet nun in Genf ein außerordentlicher Kongress statt, um eine Lösung zu finden, die den Verbleib der USA in der UPU doch noch sichern könnte. Es ist erst der dritte Sondergipfel in der Geschichte der UNO-Organisation.

Die Mitgliedsländer müssen unter drei verschiedenen Regeln für die Gebühren im Zielland abstimmen. Eine der Lösungen sieht vor, dass die USA und andere Staaten die Tarife für die Zustellung innerhalb ihrer Landesgrenzen selbst bestimmen können – mit einer Obergrenze, um extreme Kosten zu vermeiden. Die anderen zwei Lösungen zielen auf eine schnellere Angleichung der Ländertarife ab – unklar ist jedoch, wie sich so eine Angleichung auf ärmere, kleine Staaten auswirken würde.

Die österreichische Post hofft jedenfalls auf ein Übereinkommen. Auf dem Kongress in Genf solle „eine Einigung hinsichtlich der Thematik erzielt werden“, so Post-Pressesprecher David Weichselbaum gegenüber ORF.at. „Ziel ist es, den langfristigen Fortbestand dieses globalen Netzwerkes zu garantieren.“

Hoffnung für private Paketboten

Sollte man sich in Genf jedoch nicht einigen können, würden die USA ein Jahr nach ihrer ursprünglichen Ankündigung, am 17. Oktober, aus der UPU austreten. Das US-Branchenportal FreightWaves zitiert einen Experten mit der Aussage, dass das einen Anstieg der Preise beim Paketversand in die USA um mindestens 300 Prozent bedeuten könnte.

Auch der Versand von den USA ins Ausland könnte – zumindest kurzfristig – teurer werden, da die US-Post bisherige Verträge neu aushandeln müsste. Das könnte vor allem private Lieferdienste freuen, denn diese befänden sich dann im direkten Konkurrenzkampf mit der staatlichen Post.

Verein besteht seit 1874

Damit stünde gleichzeitig jedoch der gesamte internationale Briefverkehr vor einem möglichen Umschwung, denn immerhin sind die USA als Gründungsmitglied der 1874 gegründeten UPU ein wesentlicher Bestandteil dieser UNO-Behörde, die ihren Hauptsitz in Bern hat. Sie koordiniert seither die internationale Zusammenarbeit der Postbehörden. Zumindest bis zum 18. Oktober hat sie noch 192 Mitgliedsstaaten.

Handelsverband fordert faire Tarife

Der österreichische Handelsverband kritisierte die niedrigen Tarife für für chinesische Händler am Sonntag als „wettbewerbsverzerrend und klimaschädlich“.

„2018 gelangten über eCommerce-Plattformen wie AliExpress oder Wish mehr als 7,5 Millionen Pakete nach Österreich, die jährliche Wachstumsrate liegt bei 30 Prozent. Damit wirkt der Weltpostvertrag nicht nur wettbewerbsverzerrend, sondern auch klimaschädlich. Allein die Zahl der weltweiten Retouren pro Jahr ist im eCommerce mittlerweile so groß, dass alle Pakete drei Mal die Erde umrunden könnten“, so Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will in einer Aussendung.

Der Handelsverband wünscht sich ein entschlossenes Vorgehen der europäischen Entscheidungsträger. „FairCommerce heißt auch faire Versandtarife für Pakete. Kein Mensch versteht, warum chinesische Webshops für den Auslandsversand von Kleinpaketen um 50 bis 60 Prozent weniger bezahlen müssen als heimische Händler“, so Will.