Aramco-Öllager
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Saudi Aramco

Angriff überschattet Super-Börsengang

Der saudi-arabische Ölriese Saudi Aramco hat sich eigentlich auf seinen Börsengang vorbereitet. Aramco gilt als profitabelster Konzern der Welt, der Börsengang sollte der größte aller Zeiten werden. Zwar will man trotz der Attacken auf die Ölanlagen an den Börsenplänen festhalten, Investoren äußern aber Zweifel daran, ob der Zeitplan noch eingehalten werden kann.

Es wäre nicht das erste Mal, dass sich der Börsengang verzögert. Geplant war dieser eigentlich schon für 2018, aufgrund des Rückgangs der Rohölpreise auf dem Weltmarkt musste er jedoch verschoben werden. Unter Berufung auf mit der Sache vertraute Personen berichtete das „Wall Street Journal“ („WSJ“) am Montag, es werde auch diesmal eine Verschiebung des Initial Public Offering (IPO) des Ölkonzerns erwogen.

Bevor es aber zu einer Änderung der Pläne komme, müsse erst Klarheit über die Schäden an den Anlagen von Aramco herrschen. Eine Verschiebung sei aber eine Option, hieß es. Am Mittwoch sagte der Vorstandsvorsitzende Jassir al-Rumaijan, das Königreich stehe weiter zu dem Vorhaben und treibe die Pläne für einen Börsengang voran. Innerhalb der nächsten zwölf Monate solle der Gang auf das Handelsparkett vollzogen werden.

Brand in Saudi Arabien
Reuters/Planet Labs Inc
Über den angegriffenen Ölanlagen von Saudi Aramco stieg dichter Rauch auf

Zweifel an Einhaltung des Zeitplans

Nach bisheriger Planung hoffte man jedoch, dass Aramco bereits im November mit einem Prozent an die örtliche und im kommenden Jahr an eine internationale Börse gehen könnte – im Gespräch stehen laut Insidern London und Tokyo. Ein weiteres Prozent sollte 2020 folgen. Der saudische Energieminister Prinz Abdulasis bin Salman hatte in der vergangenen Woche beim Weltenergiekongress in Abu Dhabi erklärt, er solle so bald wie möglich erfolgen.

Bereits am Dienstag wurden Pläne über eine etwaige Verschiebung von Insidern dementiert – Investoren äußerten daraufhin aber ihre Zweifel, ob der Zeitrahmen eingehalten werden kann, da nicht genau bekannt ist, wann die Ölproduktion nach den Angriffen wieder starten kann.

Börse in Dubai
Reuters/Christopher Pike
Beim Weltenergiekongress vergangene Woche in Dubai wurde noch von einem baldigen Börsengang Aramcos gesprochen

Beschwichtigung als mögliche Schutzbehauptung

Nach eigenen Angaben könne Saudi-Arabien seine beschädigte Ölproduktion in kurzer Zeit wieder vollständig in Gang bringen – die Kapazität vor den Angriffen von 4,9 Millionen Barrel pro Tag werde dem Unternehmen zufolge voraussichtlich Ende September erreicht. Eine mit der Angelegenheit vertraute Person sagte der Nachrichtenagentur Reuters, eine Rückkehr zur vollständigen Produktionskapazität dürfte allerdings eher „Wochen als Tage“ dauern.

Der profitabelste Konzern der Welt

Der Nettogewinn von Aramco summierte sich im vergangen Jahr auf 111,1 Mrd. Dollar (98,8 Mrd. Euro). Zum Vergleich: Die Profite von Chevron und Exxon Mobil aus den USA, von BP aus Großbritannien, dem britisch-niederländischen Rivalen Royal Dutch Shell und Total aus Frankreich machten 2018 knapp 80 Mrd. Dollar aus – zusammengerechnet.

Auch der Ölexperte Hannes Loacker von Raiffeisen Capital Management zeigt sich gegenüber der Aussage Saudi-Arabiens zur schnellen Wiederherstellung skeptisch: „Die Frage ist, ob das nur eine Schutzbehauptung ist, weil man nicht zugeben möchte, dass die eigenen Ölanlagen so verletzlich sind.“

Denn: „Wenn man sieht, dass diese Assets sehr verletzlich sind, dann ist es schwieriger, einen guten Preis an der Börse zu bekommen“, so Loacker. Ähnlich argumentiert auch Neil Wilson, Chef-Analyst des Onlinebrokers Markets.com: Anleger registrierten mit Sorge, dass der Ölnachschub aus Saudi-Arabien so leicht unterbrochen werden könne – was einen Schatten auf den geplanten Börsengang werfe.

Die Angriffe am Wochenende legten fünf Prozent der weltweiten Rohölproduktion lahm und führten zu Wochenbeginn zu starken Preisanstiegen – was Anleger und Anlegerinnen weltweit in Unruhe versetzte. Viele nahmen Kurs auf „sichere Häfen“. So verteuerte sich die „Antikrisenwährung“ Gold um 1,6 Prozent.

Höherer Ölpreis vs. höheres Risiko

Auch wenn sich höhere Ölpreise prinzipiell positiv auf den Börsengang auswirken könnten, würden die durch die Angriffe entstanden höheren geopolitischen Risiken diese Preisanstiege in der Bewertung „wieder ausgleichen“, so ein Aramco-Berater gegenüber dem „WSJ“. Denn steigen die Risikoprämien, sinkt die Bewertung. Wenn Aramco weiterhin angegriffen wird, könnten laut einigen saudischen Beamten und Beratern weitere Preisnachlässe beim Aktienmarkt von bis zu 300 Milliarden US-Dollar erforderlich sein, so das „WSJ“.

Kronprinz will unabhängiger vom Öl werden

Saudi-Arabien ist der weltweit größte Ölexporteur. Die Pläne für den Börsengang waren bereits 2016 präsentiert worden und sind Teil des Reformprogramms Vision 2030 von Kronprinz Mohammed bin Salman. Er setzt den Gesamtwert von Aramco auf zwei Billionen Dollar – Analysten und Banker bezweifeln das aber und sehen den Wert eher bei 1,5 Billionen. Auch will der Kronprinz nicht nur mit einem, sondern gleich mit fünf Prozent an die Börse – in diesem Fall könnte der Deal ein Volumen von rund 100 Milliarden Dollar (85 Mrd. Euro) erreichen.

Mit den Erlösen will der Kronprinz das ölreiche Königreich wirtschaftlich breiter aufstellen und damit unabhängiger vom Öl zu machen. Bisher macht der Öl- und Gassektor den Großteil der Exporteinnahmen des Königreichs aus.

Saudi-Arabien solle seinen Vorstellungen zufolge zu einem Zentrum für Technologie und Innovation werden. So ist etwa ein gigantisches Infrastrukturprojekt zwischen dem Roten Meer und dem Golf von Akaba geplant, wo sich Unternehmen aus allen möglichen Branchen wie der Energie- und Wasserwirtschaft, der Biotechnologie und der Unterhaltungsbranche ansiedeln sollen.

Angriffe bisher „größte Hürde“ auf dem Weg an die Börse

Um den immer wieder verschobenen Börsengang schneller voranzutreiben, hat der Kronprinz Beobachtern zufolge auch die Absetzung des Energieministers Chaild al-Falih veranlasst und seinem älteren Halbbruder Prinz Abdulasis vergangene Woche die Verantwortung für die wichtige Ölpolitik des Landes übertragen. Die Angriffe stellen Aramco, wie das „WSJ“ schreibt, aber wohl vor die bisher „größte Hürde“ auf ihrem Weg an die Börse. Der Marktanalyst Milan Cutkovic vom Brokerhaus AxiTrader meint indes: „Höhere Ölpreise belasten zwar die Wirtschaft, die Angst, dass sich die geopolitischen Spannungen nun weiter verschärfen, wiegt aber schwerer.“