Kellner mit Teller
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Arbeitsklima-Index

Die Hauptgründe für den Jobwechsel

An Jobwechsel denken ist eine Sache, es tatsächlich tun eine andere. Jedenfalls überlegt laut aktuellem Arbeitsklima-Index jeder bzw. jede Fünfte, sich einen neuen Arbeitgeber oder gleich einen neuen Beruf zu suchen. In einigen Branchen ist die Unzufriedenheit besonders hoch. Die Arbeiterkammer (AK) nennt einige Gründe dafür, die Bezahlung alleine scheint es jedenfalls nicht zu sein.

Die offizielle Arbeitslosenstatistik gebe keine ausreichende Auskunft darüber, wie die „wahre Dynamik“ auf dem Arbeitsmarkt aussehe, hieß es in einer Aussendung der AK Oberösterreich am Mittwoch – laut Auswertung des aktuellen Index so, dass etwa ein Zehntel der Beschäftigten in Österreich aktuell den Job wechseln wolle, rund zwölf Prozent zogen gleich einen gänzlichen Berufswechsel in Erwägung. „In Summe denken somit rund 700.000 Personen an eine berufliche Veränderung“, schrieb die AK.

Die Ursachen aus ihrer Sicht: ein Mix aus „schlechten Arbeitsbedingungen, mäßiger Bezahlung und fehlenden beruflichen Perspektiven“. Die AK übt auch explizite Kritik an der Arbeitgeberseite. „Wer die Leistungen der Beschäftigten nicht respektiert, darf sich nicht wundern, wenn sie die Firma verlassen oder gar den Beruf wechseln wollen“, wurde AK-Präsident Johann Kalliauer zitiert.

Besonders Junge überlegen

Die AK zitierte auch Zahlen des Arbeitsmarktservice (AMS) für das vergangene Jahr. Laut diesen wurden 2018 ganze 46 Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse in Österreich beendet und neu begonnen. Etwa 650.000 Personen hätten aus der Arbeitslosigkeit heraus einen neuen Job gefunden, 300.000 direkt aus ihrem alten in einen neuen Job gewechselt.

Der Index zeige außerdem, so die AK, dass „etwa 20 Prozent“ aller Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen – oder ungefähr 700.000 Beschäftigt – in Erwägung zogen, „ihre jetzige Beschäftigung oder sogar ihren Beruf“ zu wechseln. Unter den Jungen (unter 25 Jahre) sei der Anteil mit 35 Prozent besonders groß. „Auffällig“ seien auch geografische Unterschiede: In Wien wollten 30 Prozent Firma oder Beruf wechseln, in Salzburg 24 Prozent. In allen anderen Bundesländern lägen die Anteile unter dem Durchschnitt.

Große Unzufriedenheit in Tourismus und Handel

AK und die Gewerkschaft vida sind sich einig einig: Besonders groß ist die Unzufriedenheit mit dem Job in Gastronomie, Tourismus und Handel. Beinahe 40 Prozent aller Kellnerinnen und Kellner, 36 Prozent der Regalbetreuer und Regalbetreuerinnen und ein Drittel des Personals in Gasthäusern und Hotels „wollen künftig etwas anderes arbeiten“, hieß es von der AK.

Für die vida verwundert das nicht wirklich, wie die Gewerkschaft (Fachbereich Tourismus) ebenfalls am Mittwoch in einer Aussendung schrieb. Die Arbeitgeber müssten „Gas geben, damit sie Personal langfristig an sich binden“.

Für Gewerkschaft „dramatische Zahlen“

Die „dramatischen Zahlen“ bewiesen, dass die „Work-Life-Balance für die Beschäftigten“ stimmen müsse, dann werde die Branche auch keine Personalprobleme mehr haben (wie sie es immer wieder beklagt). Dazu gehörten etwa akzeptable Dienstpläne, die sich mit dem Familienleben vereinbaren lassen, und ausreichende Ruhephasen. Wer außerdem Wertschätzung empfinde, dessen Drang, den Job zu wechseln, werde eher gering sein, so die Gewerkschaft. Wer Mitarbeiter und Lehrlinge „fair behandelt und entlohnt, der braucht sich vor Personalmangel sicher nicht zu fürchten“.

Am anderen Ende der Zufriedenheitsskala stehen laut AK etwa Bankangestellte und Polizisten. Nur ganz wenige wollten den Job wechseln. Auch interessant: Im Mai hatte ein Arbeitsklima-Index der AK gezeigt, dass Lehrlinge zufriedener sind, die sich für „atypische“ Jobs jenseits der Geschlechterklischees entschieden hätten, also Frauen, die in „klassischen“ Männerberufen arbeiteten, und umgekehrt.

Branche will sich nicht „anschwärzen“ lassen

Die Wirtschaftskammer (WKÖ) reagierte verärgert. Man lasse sich die „erfolgreiche Branche nicht anschwärzen“, wurde Tourismussprecherin Petra Nocker-Schwarzenbacher in einer Aussendung zitiert. Der „Jobmotor Tourismus“ laufe „auf vollen Touren“, und es gebe seit Jahren einen stetigen Beschäftigungszuwachs im Gastronomie- und Hotelgewerbe. „Jedes Jahr wird aufs Neue mit einer undurchsichtigen Befragung, die mit wesentlichen Parametern – wie beispielsweise der Anzahl der Befragten – hinter dem Berg hält, eine ganze Branche und deren Leistungen angeschwärzt. Beschädigung statt Beschäftigung – ist das das Motto der Gewerkschaft?“

„Erstaunlicherweise" würden „wesentliche Tatsachen geflissentlich verschwiegen.“ Angesichts aktueller Daten und der aktuellen Arbeitsmarktsituation „sollte man der Branche – ihren Unternehmern und deren Mitarbeitern – Anerkennung zollen“. Man könne „mit konstruktiver Kritik leben, aber das Verbreiten schlechter Stimmung hat bis jetzt noch niemanden weitergebracht“, so die WKÖ.

Zwischen Optimismus und Resignation

„Hauptgrund“ für den Gedanken an den Jobwechsel sei eine „negative Einschätzung der wirtschaftlichen Situation des Betriebs“, weitere Motive etwa „schlechter Führungsstil und mangelnde Zufriedenheit mit der eigenen Tätigkeit“, hatte es von der AK zuvor geheißen. . Eine wesentliche Rolle spiele natürlich das Einkommen, außerdem das Betriebsklima, Zeit- und Arbeitsdruck sowie Karriere- bzw. Entwicklungsmöglichkeiten. Alle diese Faktoren hätten einen „spürbaren Einfluss auf die Höhe der Fluktuation in den Berufen und Branchen“, so die AK.

Gleichzeitig suchten „vor allem jene (unzufriedenen) Beschäftigten nach neuen Jobs, die sich gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt ausrechnen“. Das heiße aber im Umkehrschluss auch: „Wer nicht daran glaubt, eine neue Arbeitsstelle finden zu können, resigniert im Berufsleben und fängt trotz Unzufriedenheit erst gar nicht an, nach Alternativen zu suchen.“

Der Index wird von der AK seit 1997 erhoben, vierteljährlich und gemeinsam mit dem Institut für empirische Sozialforschung (IFES) und dem Institute for Social Research and Analysis (SORA). Er soll als „Messsonde“ für Veränderungen in der Arbeitswelt funktionieren. Grundlage der Erhebung sind Befragungen von jeweils 900 Personen.