Spitzenkandidaten von NEOS, GRÜNE, SPÖ, JETZT, ÖVP und FPÖ im ORF-Studio
ORF/Hans Leitner
TV-Duelle

Emotionale Debatten zum Showdown

Eineinhalb Wochen sind es noch bis zur Nationalratswahl. Am Mittwoch lieferten sich die Parteien ihr drittes und letztes ORF-TV-Duell. Unaufgeregt ging ein Großteil der Konfrontationen über die Bühne. Für einen Stimmungsschwenk allerdings sorgten ÖVP-Chef Sebastian Kurz und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Und auch zum Auftakt lieferten sich NEOS-Kandidatin Beate Meinl-Reisinger und FPÖ-Kandidat Norbert Hofer einen Schlagabtausch.

Im Duell zwischen Meinl-Reisinger und Hofer wurden das Budget, die Sicherheitspolitik und der Rechtsstaat diskutiert. Hofer stand nach wie vor hinter dem Vorhaben der Sicherungshaft für In- und Ausländer, das im ersten Anlauf im Nationalrat gescheitert ist, da keine Oppositionspartei das im Nationalrat mitgetragen hatte. Der FPÖ-Spitzenkandidat argumentierte seine Position mit dem „Migrationsdruck“. „Das werden wir in den nächsten Monaten zu spüren bekommen“, sagte Hofer mit Hinweis auf geflüchtete Menschen, die in der Türkei und Italien ankommen.

NEOS sprach sich hingegen erneut klar gegen eine Sicherungshaft aus. Meinl-Reisinger sieht diese als „klaren Anschlag auf den Rechtsstaat“ und warf dem früheren FPÖ-Innenminister Herbert Kickl vor, damit autoritäre Politik gemacht zu haben. Das Gespräch verlief ruhig, spitzte sich aber in den letzten Minuten zu, als es um das Thema Parteienfinanzierung ging. Meinl-Reisinger kritisierte Hofer scharf für die Intransparenz der FPÖ-Parteienfinanzierung. „Ich bin der Meinung, dass Sie Rechenschaft ablegen sollten“, sagte die NEOS-Chefin.

Hofer: „Wirtschaftsprüfer prüfen die Parteien“

Hofer wies die Kritik zurück und berief sich auf Wirtschaftsprüfer, die sich den Schuldenstand der FPÖ ansehen würden. Dass der Rechnungshof, wie Meinl-Reisinger im Gespräch vorschlug, die Parteienfinanzen prüfen könnte, lehnte Hofer ab. „Wirtschaftsprüfer prüfen die Parteien“, wiederholte der FPÖ-Spitzenkandidat. Er holte zum Gegenschlag aus und warf NEOS vor, der Unternehmer Hans-Peter Haselsteiner finanziere die Partei allein. „Und warum wissen wir das? Weil wir es offenlegen im Gegensatz zu Ihnen“, reagierte Meinl-Reisinger.

Beate Meinl-Reisinger (NEOS) und Norbert Hofer (FPÖ)
ORF
Meinl-Reisinger und Hofer diskutierten unter anderem über Parteienfinanzierung

Pilz und Leichtfried: Gespräch unter Freunden

Weiter machten JETZT-Gründer Peter Pilz und SPÖ-Nationalratsabgeordneter Jörg Leichtfried, der seine Parteichefin Rendi-Wagner vertrat. Ihr Duell glich mehr einem Gespräch unter Freunden. Angriffe gab es kaum. Pilz sprach sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen aus, einen Anfang sollte man ihm zufolge bei alten Menschen (1.200 Euro) und Kindern (650 Euro) machen. „Durch die Förderung der letzten Regierung kriegen die mehr, die eh schon viel haben“, kritisierte Pilz – allerdings nicht die SPÖ, sondern ÖVP und FPÖ. „Wir haben 300.000 Kinder in Armut in Österreich. Das ist eine Schande für einen der reichsten Staaten der Welt“, so Pilz.

Meinl-Reisinger und Hofer

Meinl-Reisinger und Hofer sprachen unter anderem über die Transparenz ihrer Parteienfinanzen.

Leichtfried stimmte den Einschätzungen des JETZT-Gründers durchaus zu. „Wir sind da nicht so weit weg“, skizzierte er die Position der SPÖ. „Österreich ist aber föderalistisch. Der Peter will immer alles bundespolitisch besprechen.“ Er definiere das Thema aber eher durch Sozialleistungen, Mindestlohn und billiges Wohnen. „Es gibt eine Lösung“, zeigte sich Leichtfried optimistisch.

„So wie ein Dackel nicht fliegen kann …“

Weiter ging es mit dem Thema Fleisch und der Frage: „Darf das Schnitzel zum Luxus werden?“ Pilz sprach sich für eine höhere Besteuerung der industriellen Fleischproduktion aus, insbesondere bei Fleisch aus Argentinien und der Ukraine. Auch an der Qualität müsse sich etwas ändern, so Pilz. „Wer glaubt, dass man Sozialpolitik machen kann über Fleisch mit schlechter Qualität und billigem Diesel“, der irre.

Peter Pilz (JETZT) und Jörg Leichtfried (SPÖ)
ORF
Pilz und Leichtfried – zumeist in Übereinstimmung

Trotz des Versuchs, die SPÖ mit dieser Wortmeldung anzugreifen, pflichtete Leichtfried Pilz bei, verwies aber auf das Mercosur-Freihandelsabkommen mit lateinamerikanischen Ländern, dem der Parlamentsausschuss am Mittwoch einen Riegel vorgeschoben hatte. Für eine höhere Besteuerung sei die SPÖ aber nicht. „Das schadet den Menschen, die nicht so viel Geld haben“, so Leichtfried. Zum Thema Klimaschutz sprach sich Pilz für eine CO2-Steuer und Leichtfried für einen Lkw-Maut auf allen Straßen in Österreich aus. Pilz dazu: „So wie ein Dackel nicht fliegen kann, wird die SPÖ auch nie etwas durchsetzen, sondern immer nur davon reden.“

Pilz und Leichtfried

Soll das Schnitzel zum Luxusprodukt werden? Pilz ist der Meinung: „Da muss sich etwas ändern.“

Meinl-Reisinger: „Ausbildung statt Abschiebung“

Gelassen verlief das Duell zwischen Meinl-Reisinger und Kurz. Die NEOS-Kandidatin sprach sich für eine Fortsetzung des BVT-U-Ausschusses aus, dessen Abschlussbericht am Mittwoch präsentiert wurde. Kurz sah keinen Bedarf. „Die ständige Skandalisierung – von der halten wir nichts“, sagte er. Das Thema sei für ihn emotionslos, es würden die Gericht entscheiden. „Das meiste ist aufgeklärt.“ Meinl-Reisinger plädierte an Kurz, nicht bloß die strafrechtliche Relevanz zu sehen, sondern auch die politische Verantwortung. Es habe gesetzwidrige Hausdurchsuchungen gegeben. „Wir sind nicht gegen weitere Ermittlungen, um Licht ins Dunkel zu bringen“, so die NEOS-Parteichefin – gerade in puncto „Ibiza-Skandal“. Eine Aufklärung dessen interessiere auch ihn, sagte Kurz.

Beate Meinl-Reisinger (NEOS) und Sebastian Kurz (ÖVP)
ORF
Konservativ gegen Liberal – Meinl-Reisinger diskutierte mit Kurz

Es folgte das Thema Asylwerber in der Lehre. 900 Asylwerber in Ausbildung dürfen nun vorerst im Land bleiben. Kurz betonte diese für ihn „pragmatische“ Lösung einmal mehr. Künftig wolle er hier aber keine Aufweichung, die jetzige Regelung solle nur für die „Altfälle“ gelten. „Die ÖVP will dennoch keine Gesetzesänderung im Nationalrat mittragen“, so der frühere Bundeskanzler. Anders die NEOS-Position. Man sei für „Ausbildung statt Abschiebung“, sagte Meinl-Reisinger. „Auch wenn jemand einen negativen Bescheid hat.“

Meinl-Reisinger und Kurz

Der ÖVP-Chef ist für eine „pragmatische Lösung“ bei Asylwerbern in der Lehre. Meinl-Reisinger stellt ein anderes Modell vor.

Sie wolle außerdem an den wirtschaftlichen Mehrwert erinnern. Viele Hoteliers würden in diese jungen Menschen investieren, es sei „wirtschaftspolitischer Unfug“, in solchen Fällen abzuschieben. Kurz mahnte indes, dass Österreich nicht zum „attraktiven“ Land für Flüchtlinge werden dürfe. Die Position der ÖVP: Nur wenn Menschen Asyl bekommen, sollen sie auch einen Job bzw. eine Lehrstelle annehmen dürfen. Zum Abschluss wurde noch das Bildungsthema angesprochen, wo Kurz eine klare, konservative Richtung vertrat. Ziffernnoten auch in der Volksschule vertrat er ebenso wie die Deutschförderklassen. Meinl-Reisinger sieht in Letzteren eine Bevormundung der Lehrerinnen und Lehrer. Auch Ziffernnoten in der Volksschule lehnt NEOS ab.

Geringe Schnittmenge zwischen Hofer und Kogler

Im nächsten Duell konnten die Positionen zwischen Hofer und Grünen-Chef Werner Kogler kaum weiter auseinander gehen, Angriffe blieben aber aus. Über weite Strecken konzentrierte sich die Diskussion auf die Heeresdebatte – und hier war man sich gar nicht so uneinig. Kogler will allerdings das Bundesheer verkleinern. Erhöhungen sollten sich maximal auf den Katastrophenschutz fokussieren. In diesem Fall würde es mehr Geld brauchen, so Kogler. „Alleine wegen der Auswirkungen der Klimakrise.“ Auch in puncto Cyberkriminalität brauche das Bundesheer mehr Ressourcen.

Werner Kogler (Die Grünen) und Norbert Hofer (FPÖ)
ORF
Im Duell zwischen Kogler und Hofer ging es hauptsächlich um das Bundesheer

Einen offenbar kritischen Blick Hofers zum Thema Cyberkriminalität versuchte Kogler mit einem Scherz zu kontern: „Haben’s das in Russland diskutiert, wie der Putin das macht?“, fragte er irritiert, was Hofer ein Lachen und Kopfschütteln kostete. Jedenfalls sehe er, so Kogler, keinen Bedarf der Aufstockung von Panzern oder „Luftferraris“, wie er die Eurofighter kritisch nannte. Hofer war bemüht, das Gespräch – quasi ein Haus- und Hofthema der Freiheitlichen – an sich zu reißen. Mit „Werner, ich tu dir nichts“ startete er ins Gespräch und berief sich auf Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der sich ebenfalls für eine stärkere Finanzierung des Bundesheers ausgesprochen habe.

Kogler und Hofer

Katastrophenschutz, Kampf gegen Cyberkriminalität und Friedensmissionen durch das Bundesheer waren die größten Gesprächsthemen zwischen Hofer und Kogler.

Er könne sich außerdem vorstellen, Hacker gegen Cyberkriminalität anzuwerben, um den Staat zu schützen, sagte Hofer. Der Katastrophenschutz könne nur funktionieren, wenn auch das Militär im Rahmen der Landesverteidigung funktioniere: „Du musst die gesamte Palette anbieten“, so Hofer. „Du musst auch für Miliz Mittel frei machen, um auch im Katastrophenfall aktiv werden zu können.“ Ein eklatanter Unterschied zwischen den Parteien wurde dann aber doch noch beim Wehrdienst sichtbar: Die Grünen sind für ein Berufsheer, die FPÖ für die Wehrpflicht.

Bildungspflicht statt Schulpflicht?

Zu guter Letzt wurde zwischen Hofer und Kogler das Bildungsthema angeschnitten. Im FPÖ-Programm kommt das Thema Bildung nicht vor. Hofer konterte, der Bereich sei freilich wesentlich. Doch auch in der Familie gebe es hier Verantwortung, der Staat könne nicht alles übernehmen. Hofer wechselte das Thema und stellte die Frage: „Ist es negativ, wenn jemand einen Handwerksberuf erlernt? Es ist keine Schande.“ Kogler ermahnte Hofer daraufhin zum „sinnerfassenden Zuhören“. Der Grünen-Chef sprach sich für eine „Bildungspflicht statt Schulpflicht“ aus. Hofer sagte, er wolle, dass „jemand mit einem Abschluss die Schule verlässt“.

Anfeindungen zwischen Kurz und Rendi-Wagner

Wie erwartet kam das spannendste Duell zum Schluss: Kurz gegen Rendi-Wagner. Die Diskussion war von Emotionen und Altlasten geprägt. Das Vertrauen in einander erschien zerrütteter als je zuvor – mitunter deshalb, weil Rendi-Wagner mit Unterstützung aller Parteien bis auf ÖVP und NEOS Kurz das Misstrauen ausgesprochen hatte. Rendi-Wagner begann das Gespräch gleich auf persönlicher Ebene. Kurz ließe ihr das meiste nur über die Medien ausrichten und habe außerdem die Presse über eine Erkrankung von FPÖ-Chef Hofer informiert. Auch nachdem der „Ibiza-Skandal“ ans Tageslicht gekommen sei, habe Kurz 24 Stunden später eine Wahlkampfrede gehalten.

Rendi-Wagner und Kurz

Rendi-Wagner und Kurz fällt es schwer, Gemeinsamkeiten zu finden. Kurz bezeichnete es als richtige Entscheidung, die Regierung einst aufzukündigen.

Kurz wies das aufs Schärfste zurück und warf Rendi-Wagner „Verschwörungstheorien“ vor. „Ich hab den Norbert Hofer letztes Mal draußen getroffen, ich hab ihn bewundert, dass er das trotz Fiebers macht“, erklärte sich der Ex-Kanzler. Und bei „Ibiza“ habe er nur an die Zukunft des Landes gedacht. Er erhob indes schwere Vorwürfe gegen die SPÖ-Chefin: „Sie haben mich abgewählt und nicht ich selbst. Sie haben auch die ganze Bundesregierung abgewählt.“ Das „Ibiza-Video“ habe sich die ÖVP nicht ausgesucht.

Außerdem bereue er nicht, die Koalition mit der SPÖ einst aufgekündigt zu haben. „Es war eine Koalition des Stillstandes“, urteilte Kurz. „Ich bin froh, dass wir die Zusammenarbeit damals beendet haben.“ Anders sein Blick in Richtung FPÖ: „Ich bedaure, dass wir mit der FPÖ nicht weitermachen konnten“, sagte der ÖVP-Chef. Auf einer Regierungsebene sei alles bestens gelaufen. Rendi-Wagner holte aus: „Was haben Sie aus dem Rattengedicht gelernt? Was haben Sie aus 80 Einzelfällen gelernt?“

Großes Streitthema: Sozialversicherungsreform

Die beiden taten sich durchaus schwer, Gemeinsamkeiten zu finden und mögliche Koalitionsgespräche nicht von vornherein auszuschließen. „Es gibt viele Kontakte zwischen den Parteien“, sagte Kurz und hob mehrmals die gute Basis mit dem burgenländischen SPÖ-Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil hervor. Auch Rendi-Wagner hoffte auf professionelles Zusammenarbeiten.

Reform der Sozialversicherungen

Auch in der Frage der Reform der Sozialversicherungen unterscheiden sich die Standpunkte von Rendi-Wagner und Kurz.

Mit dem wohl größten Streitthema zwischen ÖVP und SPÖ gingen die Konfrontationen zu Ende. Was die ÖVP bei der Sozialversicherung versprochen habe, sei nicht eingetreten, so Rendi-Wagner. Die Reform mache nichts „schlanker und effizienter“, eine zusätzliche Ebene sei sogar noch eingeführt worden. „Sie haben eine Patientenmilliarde versprochen, das Gegenteil ist der Fall. Sogar eine Milliarde wurde rausgezogen aus dem Gesundheitssystem und das, obwohl die Menschen immer älter werden“, warf sie Kurz vor. 2,5 Millionen Euro habe ein neues Logo der Sozialversicherungen gekostet, so Rendi-Wagner. „Das ist rausgeschmissenes Geld, Herr Kurz.“

Analyse der dritten Wahlduelle

Politologe Peter Filzmaier schätzt die Auftritte der Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten bei den dritten Wahlduellen ein.

Kurz konterte, dass man viel für Gesundheit ausgebe – aber eben, um Missstände zu beheben. Wartezeiten, Facharzttermine, praktische Ärzte am Land – all das koste Geld. „Wir brauchen Geld. Wir haben versucht, die Sozialversicherungsträger von 21 auf fünf zusammenzulegen. Das ist logisch, dass das sparsamer ist. Eine Milliarde wird passieren“, kündigte Kurz an – wohl schon in Hinblick auf eine wahrscheinliche nächste Regierungsbeteiligung der ÖVP. Rendi-Wagner dazu: „Alle Finanz-, Sozial- und Versicherungsexperten sind sich einig. Der Rechnungshof sagt das sogar. Es wird sich nicht ausgehen mit der einen Milliarde.“