Frachtcontainer im Hafen Wien
ORF.at/Roland Winkler
Kein Kommentar der EU-Kommission

Mercosur-Veto mit unklaren Folgen

„Österreich blockiert Handelsvertrag mit Südamerika“ und „Wien wird Mercosur-Deal wohl kippen“: Ein am Mittwoch im EU-Unterausschuss des Nationalrats getroffener Entschluss sorgt auch international für Schlagzeilen. Die Vorgangsweise überrascht auch in Österreich selbst, handelt es sich doch um eine an sich seltene Ministerbindung. Offen ist, wie der nächste Nationalrat bzw. die nächste Regierung damit umgehen wird.

Konkret ist die Regierung durch den Beschluss der Abgeordneten nun verpflichtet, in Brüssel gegen das noch nicht endgültig formulierte Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Ländern zu stimmen. Laut Regierungssprecher Alexander Winterstein ist die Verfassung hier sehr klar. Die Regierung werde somit auf EU-Ebene gegen das Mercosur-Abkommen stimmen, wie Winterstein am Donnerstag sagte.

Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass die aktuelle Übergangsregierung überhaupt in die Lage kommen wird, das geforderte Veto einzulegen. Denn für das Mercosur-Abkommen gibt es erst eine Ende Juni gefundene politische Einigung. Der Text wird derzeit ausformuliert, erst ein Bruchteil ist geschrieben. Bis es zu einer Abstimmung im EU-Rat kommt, in dem dann alle EU-Staaten einstimmig entscheiden müssen und Österreich sein Veto einlegen kann, dürfte es aus heutiger Sicht Mitte 2020 werden. Bis dahin sollte es in Österreich nicht nur einen neu zusammengesetzten Nationalrat, sondern auch eine neue Regierung geben.

Experte: Bindung für nächste Regierung strittig

Wie bindend der Beschluss für die nächste Regierung ist, sei strittig, sagt Werner Zögernitz, früherer ÖVP-Klubdirektor und Leiter des Instituts für Parlamentarismus und Demokratiefragen. Dazu gebe es unterschiedliche Ansätze. Politisch wäre aber auch ein künftiger Minister gut beraten, den Beschluss umzusetzen. Wenn nicht, drohe als Konsequenz allenfalls ein Misstrauensantrag. Möglich wäre aber natürlich auch, dass der nächste Nationalrat einen anderen Beschluss fasst.

Eine Ministerbindung, wie sie nun vom parlamentarischen EU-Ausschuss beschlossen wurde, ist nach Angaben von Zöergnitz in Österreich äußerst selten. Der Hintergrund: In der Regel haben Minister mit ihren Parteien ohnehin eine Mehrheit im Nationalrat, und diese Mehrheit verzichtet auf die Bindung, die von den Ministern nicht geschätzt wird. Diesmal sei es wohl vor allem dem aktuellen freien Spiel der Kräfte zu verdanken, dass es die Ministerbindung gegeben hat.

Originellerweise beschlossen die Abgeordneten gleich zwei leicht unterschiedliche Texte, einen von der SPÖ und einen von der FPÖ. Da sie aber in der Sache unmissverständlich die gleiche Handlungsweise der Bundesregierung fordern, dürfte das zu keinen Probleme führen.

Auch in Luxemburg „auf Eis“

Österreich ist mit seiner Ablehnung des Freihandelsabkommens mit den Mercosur-Ländern nicht alleine. Harsche Kritik gibt es von Anfang an EU-weit von Umweltgruppen und Landwirten. Das hatte schon im Juli dazu geführt, dass Frankreichs Regierungssprecherin Sibeth Ndiaye sagte: „Frankreich ist derzeit nicht bereit, das Abkommen zu ratifizieren.“ Irland hatte jüngst mit einem Veto gegen das Abkommen gedroht, sollte sich Brasilien nicht stärker für den Schutz des Regenwaldes einsetzen. Ob das 2020 noch ein Kriterium sein wird, muss sich erst zeigen.

Der „Spiegel“, der wie beispielsweise die BBC und die „Neue Zürcher Zeitung“ am Donnerstag ausführlich über das österreichische Veto berichtete, zitierte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn: Ein Handelsvertrag sei nur sinnvoll, wenn man „zumindest in großen Teilen ähnliche Werte“ habe, und diese Vorgabe werde mit Blick auf das vom ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro geführten Brasilien derzeit „nicht mehr erfüllt“. Die luxemburgische Regierung habe damit beschlossen, „die Prozedur auf Eis zu legen“.

Seit 20 Jahren laufende Verhandlungen

Die EU-Kommission wollte den in Österreich gefällten Beschluss nicht kommentieren. Eine Sprecherin verwies am Donnerstag in Brüssel lediglich darauf, dass der Ratifikationsprozess noch nicht begonnen habe. Zudem würden beide Verhandlungsseiten derzeit noch an einer juridischen Prüfung des vorgeschlagenen Textes arbeiten, um eine endgültige Version vorzulegen, die alle Handelsaspekte des Assoziierungsabkommens berücksichtige. Die EU-Behörde werde anschließend den Text in alle offiziellen EU-Sprachen übersetzen und den Mitgliedsstaaten und dem Europaparlament zur Bestätigung vorlegen.

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Grafik zu Mercosur
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: WKÖ
Grafik zu Mercosur
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: WKÖ

Schließlich sei es von Fall zu Fall zu beurteilen, welche Ratifizierungsprozesse bei einem Abkommen anzuwenden seien. Die Sprecherin sagte jedoch, dass bei ähnlichen Abkommen die Zustimmung aller EU-Länder gemäß deren nationalen Prozeduren, des Europaparlaments und der EU-Minister im Handelsrat gefordert worden sei. Das Mercosur-Abkommen sei Teil eines Assoziierungsabkommens, das Regeln für eine umfassendere politische Kooperation vorsehe.

Auch nach rund 20 Jahren ist somit weiter nicht absehbar, ob das Abkommen tatsächlich umgesetzt wird. Die Verhandlungen zwischen der EU und den Mercosur-Ländern Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay mit zusammen 260 Millionen Menschen hatten 1999 begonnen. Nach einer allfälligen Entscheidung der nationalen Minister im EU-Rat müssten noch das EU-Parlament und alle nationalen Parlamente den Text ratifizieren, damit er in Kraft treten kann.