Wikipedia-Gründer Wales: „Sind nicht in einer postfaktischen Welt“

„Ich bin zwar ein pathologischer Optimist, aber ich bin mir sicher, dass wir nicht in einer postfaktischen Welt leben." Auf der „Darwin’s Circle“-Konferenz in Wien hat Wikipedia-Gründer Jimmy Wales gestern ein leidenschaftliches Plädoyer für das Wiki-Prinzip eines gemeinsamen Wissensspeichers gehalten. Jeder kann Wissen editieren, aber“, so Wales: „Wir filtern Meinung von Fakten aus.“ Mittlerweile würden 600 Millionen Menschen Wikipedia weltweit nutzen. Die höchste Nutzung von Wikipedia: in Island, Estland, Schweden und Finnland. „Vielleicht auch, weil dort das Wetter so schlecht ist“, scherzte Wales.

„Darwin’s Circle“-Konferenz in Wien
ORF.at

„Wiki-Tribune“ startet im Oktober

Als wichtigstes Zukunftsprojekt nennt Wales das Projekt der „Wiki-Tribune“, die im Oktober starten soll. Qualität soll auf der „Wiki-Tribune“ der treibende Faktor des Algorithmus sein. Adds und Paywalls soll es auf dieser Plattform nicht geben. Allerdings: Wales’ Idee, dass die Nutzer der „Tribune“ ihre favorisierten Artikel teilen, setzt letztlich wie bei google.news voraus, dass Beiträge frei verfügbar sind.

Wales kritisierte in Wien vor allem das Werbemodell in der Internetnutzung, wo man auf allen Plattformen von derselben Werbung verfolgt werde. Dieses Modell würde nicht genügend Aufkommen generieren und auch an den Interessen der Nutzer vorbeigehen. Medien würden auf die Bedürfnisse der Werbeindustrie zu sehr auf Clickbait-Headlines setzen, die letztlich das Prinzip von Qualitätsjournalismus torpedierten.

Wrabetz: „Müssen wissen, wer Beiträge gestaltet“

In der gemeinsamen Diskussion nach seiner Keynote mit ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz wurden Unterschiede zwischen Wiki-Medien und öffentlich-rechtlichen Medienanstalten deutlich. „Wir brauchen Qualitätsjournalismus für den Bestand der Demokratie und brauchen auch eine Transparenz, wer einen bestimmen Beitrag gestaltet“, so Wrabetz, der die Anonymität der Wikipedia-Artikel als einen Mangel beschrieb.

Wales hielt entgegen, dass auch gezeichnete Artikel wieder ihre Quellen schützten und diese auch zu wenig deutlich machten, etwa, wenn man in der „New York Times“ von „Quellen im Weißen Haus“ höre. Wikipedia sehe die Neutralität als zentrales Kriterium der Qualität.