Filmstill aus „In my skin“
/slash filmfestival
„Female Terror“

Der Horrorfilm ist kein Männergenre

Der Horrorfilm – ein Männergenre? Stimmt nicht: Die historische Filmreihe „Female Terror“ beim /slash Festival des Fantastischen Films in Wien tritt den Gegenbeweis an. „Es gilt, die Lücke in der Filmgeschichte zu schließen“, sagt die britische Filmwissenschaftlerin Alison Peirse, die das Programm zusammengestellt hat.

Teenagerburschen, die Mädchen niedermetzeln – der Horrorfilm hat den Ruf, tendenziell ein frauenfeindliches Genre zu sein. Wer allerdings Programm und Publikum des /slash Filmfestivals kennt, das sich nun schon seit zehn Jahren zur Aufgabe macht, Fantastischen Film nach Wien zu holen, weiß es besser. Festivaldirektor Markus Keuschnigg und sein Team achten darauf, eine große Vielfalt zu zeigen, nicht nur bei den Formaten und Geschichten, sondern auch bei den Urheberinnen und Urhebern der Filme.

Regisseurinnen und Autorinnen feiern im Horrorgenre zunehmend auch kommerzielle Erfolge, von Karyn Kusamas Horrorkomödie „Jennifer’s Body“ (2009) über Jennifer Kents Mutterschaftshorror „Der Babadook“ (2014), Ana Lily Amirpours Vampir-Film-Noir „A Girl Walks Home Alone at Night“ bis Coralie Fargeats Vergewaltigungsrachefantasie „Revenge“. Viele dieser Filme waren in Österreich zuerst oder sogar ausschließlich bei /slash zu sehen.

Filmstill aus „Pet Cemetary“
/slash filmfestival
Die legendäre Erstverfilmung von Stephen Kings „Friedhof der Kuscheltiere“ hat Horrorfilmregisseurin Mary Lambert inszeniert

13 ausgewählte Filme

Dass auch Regisseurinnen sich mit Angst und Schrecken befassen, ist wenig bekannt, hat aber durchaus Tradition im Kino: Ida Lupinos Psychothriller „The Hitch-Hiker“ schockte schon 1953 das Publikum, Stephanie Rothmans Horrorkomödie „The Velvet Vampire“ von 1971 wurde zum Kultfilm. Um an diesen ignorierten Teil der Filmgeschichte zu erinnern, hat /slash mit Peirse eine Filmhistorikerin eingeladen, die sich mit Horrorfilm in gleich mehrerlei Hinsicht auskennt: als Fan, als Wissenschaftlerin und als Drehbuchautorin sowie Script Consultant.

Veranstaltungshinweis:

Alison Peirse spricht am Montag um 16.00 Uhr über das „Female Terror“-Programm und ihre Arbeit im Festivalzentrum Haus of /slash im Metro Kinokulturhaus in Wien.

Peirse, die an der University of Leeds unterrichtet und forscht, hat für das Festival ein historisches Filmprogramm unter dem Titel „Female Terror“ zusammengestellt, das in 13 ausgewählten Filmen eine ausschließlich weibliche Horrorfilmgeschichte erzählt. Ältester Beitrag ist Germaine Dulacs surrealistisches Meisterwerk „The Seashell And the Clergyman“ (1927), der jüngste Film „The Grudge: Black Ghost“ der Japanerin Mari Asato aus dem Jahr 2009.

„Mutterschaft, ein fruchtbarer Ort“

Eine „typisch weibliche“ Perspektive gebe es dabei nicht, betont Peirse gegenüber ORF.at: „Diese Filme eint keine universelle weibliche Erfahrung, in der sich jede Frau wiederfindet.“ Aus diesem Grund hat sie auch nur wenige Filme vorgeschlagen, in denen Mutterschaft vorkommt, obwohl sie sagt, „ich liebe Horrorfilme über Mutterschaft und über Kinder. Ich habe zwei Töchter, ich weiß also, dass das ein fruchtbarer Ort ist, um die finstersten Gefühle und Gedanken zu erkunden“, doch sie wolle weibliche Künstlerinnen auf keinen Fall auf ihre Biologie reduzieren.

Filmstill aus „The Hitch Hiker“
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In Ida Lupinos Psychothriller „The Hitch-Hiker“ nehmen zwei Männer einen Autostopper mit – der sich als gesuchter Serienmörder entpuppt

Das „Female Terror“-Programm umfasst dabei süffige Exploitation wie Amy Holden Jones’ „The Slumber Party Massacre“ (1982) wie auch die hinterfotzige Horrorkomödie „The Office Killer“ (1997) von Starfotografin Cindy Sherman, in dem eine brave Informatikerin ihre Lust am Morden entdeckt.

„Nicht jeder Film muss das Patriarchat stürzen“

Die Filme von Regisseurinnen seien dabei nicht unbedingt feministisch, sagt Peirse: „Es ist schon schwer genug, als Frau einen Film finanziert zu bekommen. Ich finde, da muss dann nicht jeder Film dann gleich das Patriarchat stürzen.“ Die Unterdrückung weiblicher Stimmen zu bekämpfen, sei aber essenziell, in egal welcher Disziplin: „Wenn wir in der Horrorfilmgeschichte die Regisseurinnen ignorieren, bedeutet das nicht nur eine unvollständige, sondern eine total deformierte Geschichtsschreibung.“

Nicht deformiert, sondern umfassend unterdessen ist das Programm des /slash Festivals: Mit knapp 70 Filme in drei Kinos ist es bei der Jubiläumsausgabe so umfangreich wie nie zuvor, und läuft nach der Eröffnung mit „The Lodge“ von Veronika Franz und Severin Fiala noch bis kommenden Sonntag.