Abstimmung im Nationalrat
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Nationalrat

Steuerreform und Pensionserhöhung fix

Der Nationalrat hat am Donnerstag Steuerreform und Pensionserhöhung beschlossen. In beiden Fällen profitieren Bezieher und Bezieherinnen niedriger Einkommen. Dazu kamen weitere Verbesserungen wie die Möglichkeit, abschlagsfrei auch vor 65 in Pension zu gehen. Die Steuerreform wird erst 2021 zu spüren sein, Unternehmer und Bauern erhalten sofort eine Entlastung. Für einige Debatten sorgte zuvor eine „Dringliche“ zum ÖVP-Hack.

Künftig kann man mit 45 Versicherungsjahren wieder abschlagsfrei mit 62 in Pension gehen, wobei Frauen bis zu fünf Jahre Kindererziehungszeit angerechnet werden. Für sie gilt vorerst ohnehin noch das Antrittsalter 60. Für Nacht- bzw. Schwerarbeiter wird ihr Sonderruhegeld abschlagsfrei. Nicht zuletzt wurde auch noch fixiert, dass die erste Pensionserhöhung bereits mit Jahresbeginn nach Pensionsantritt schlagend wird. Derzeit gibt es das erste Plus erst im übernächsten Jahr.

Die Pensionsanpassung, die gegen die Stimmen von NEOS verabschiedet wurde, begünstigt Bezieher niedrigerer Pensionen. Pensionen bis zur Steuergrenze von 1.111 Euro, darunter auch die Ausgleichszulage und Opferrenten, erhalten damit ab 1. Jänner eine Erhöhung um 3,6 Prozent. Von 1.112 Euro bis zu einer Pensionshöhe von 2.500 Euro erfolgt eine graduelle Absenkung bis auf den gesetzlichen Inflationswert von 1,8 Prozent. Alle Pensionen darüber bekommen bis zur Höchstbeitragsgrundlage von 5.220 Euro eine Erhöhung mit 1,8 Prozent. Darüber liegende Pensionen werden um 94 Euro erhöht.

Thomas Drozda, Christian Hafenecker und Karl Nehammer
APA/Robert Jaeger
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda und die Generalsekretäre Christian Hafenecker (FPÖ) und Karl Nehammer (ÖVP)

Steuerreform mit ÖVP, FPÖ und NEOS

Die Steuerreform erhielt die Zustimmung von ÖVP, FPÖ und in der dritten Lesung von NEOS. Arbeitnehmer und Pensionisten mit geringen Einkommen sollen durch die Reform mittels einer höheren Negativsteuer entlastet werden. Arbeitnehmer mit einem Jahreseinkommen bis 21.500 Euro erhalten zusätzlich zur regulären Negativsteuer bis zu 300 Euro pro Jahr zurückerstattet („Sozialversicherungsbonus“), für Pensionisten steigt die Negativsteuer von 110 auf 300 Euro jährlich.

Die Neuregelung tritt zwar 2020 in Kraft, fließen wird das Geld aber erst im Nachhinein – erstmals also 2021. Unternehmer und Bauern erhalten die Entlastung unabhängig vom Einkommen: Ihnen werden die Krankenversicherungsbeiträge pauschal gesenkt (um 0,85 Prozentpunkte auf 6,8 Prozent), und das sofort.

Tabaksteuer und Onlinewerbeabgabe

„Aufkommensneutral“ neu geregelt wird die Normverbrauchsabgabe, die Tabaksteuer wird ab 2020 jährlich valorisiert. Eingeführt wird außerdem eine fünfprozentige Steuer auf Onlinewerbeumsätze, die unter anderem Facebook und Google treffen soll. Die Umsatzsteuer für E-Books und elektronische Zeitungen soll dagegen auf zehn Prozent sinken. Die Grenze für die sofortige Abschreibung „geringwertiger Wirtschaftsgüter“ wird von 400 auf 800 Euro angehoben, Kleinunternehmer bis 35.000 Euro sollen die Einkommensteuer pauschalieren können.

Voller Kostenersatz für Pflegeregress

Ferner wurde gegen die Stimmen von NEOS der Verkehrsminister – im Einvernehmen mit dem Finanzminister – zu budgetären Vorbelastungen im Ausmaß von 11,02 Mrd. Euro ermächtigt. Mit diesem Betrag sollen in den kommenden 15 Jahren Verkehrsdienstleistungen auf der Schiene finanziert werden. Schließlich wurden – wieder gegen die Stimmen von NEOS – auch die Länder bedacht: Sie erhalten einen vollen Kostenersatz für die Abschaffung des Pflegeregresses für die Jahre 2019 und 2020.

Blutspenden bei mobilen Einrichtungen werden zudem künftig auch ohne Anwesenheit von ärztlichem Personal möglich sein, beschloss der Nationalrat gegen die Stimmen der FPÖ und Teilen der JETZT-Fraktion.

Indirektes Comeback der Aktion 20.000

Beschlossen wurde zuvor auf rot-blaue Initiative hin und gegen die Stimmen von NEOS auch eine indirekte Neuauflage der Aktion 20.000, zwar nicht in der ursprünglichen Form, Langzeitarbeitslose über 50 werden aber wieder verstärkt gefördert. Vorgesehen ist, dass bis zu 50 Millionen aus dem Budgethaushalt für Menschen über 50 eingesetzt werden, die arbeitslos sind. Die genaue Ausgestaltung der Förderung übernimmt das AMS, so Initiator Josef Muchitsch von der SPÖ.

Der Beschluss zur Neugestaltung der Finanzverwaltung erfolgte ohne die Stimmen von SPÖ und JETZT. Die 40 Finanzämter und neun Zollämter werden ab 1. Juli 2020 zu drei Behörden mit Zuständigkeit für das gesamte Bundesgebiet zusammengefasst: das „Finanzamt Österreich“, das „Finanzamt für Großbetriebe“ und das „Zollamt Österreich“. Außerdem soll es ein „Amt für Betrugsbekämpfung“ geben, das für Finanzpolizei, Steuerfahndung und Finanzstrafen zuständig ist.

Staatsbürgerschaft für Nachfahren von NS-Opfern

Der Zugang zur Staatsbürgerschaft für direkte Nachfahren von NS-Opfern wird ebenfalls erleichtert. Den privilegierten Zugang zum österreichischen Pass erhalten bis in die Urenkelgeneration Nachfahren von NS-Opfern, die bis 1955 nach Verfolgung durch die Nazis das Land verlassen haben bzw. wegen des NS-Regimes nicht nach Österreich zurückkehren konnten. Ursprünglich lag die Grenze bei 1945.

Eine weitere eingebrachte Änderung hat zur Folge, dass nicht nur die Nachfahren von österreichischen Staatsbürgern profitieren können. Auch Bürger der ehemaligen Donaumonarchiestaaten werden nun umfasst, sofern sie in Österreich gelebt haben. Schließlich wird noch neu festgehalten, dass auch adoptierte Kinder von der Regelung umfasst sind. Den österreichischen Pass gibt auch zusätzlich.

„Dringliche“ zu ÖVP-Hack

Wegen zahlreicher Abänderungsanträge erfolgten die Abstimmungen zur Steuerreform und der Pensionserhöhung im Rahmen der Sondersitzung erst am späten Abend. Zuvor sorgte am Nachmittag noch eine Dringliche Anfrage der Liste JETZT zum Hackerangriff auf die ÖVP für eine hitzige Debatte, bei der sich die anderen Parlamentsparteien gegen die ÖVP stellten. So gab es etwa Zweifel an einem Angriff von außen, auch ein Ablenkungsmanöver wurde vermutet.

Justizminister Clemens Jabloner bestätigte in seiner Antwort jedoch einen Hackerangriff. Die bisherigen Ermittlungen würden den Verdacht eines Hackerangriffs bestätigen, so Jabloner. Ein Unbekannter habe sich in Wien Zugriff zu ÖVP-Daten verschafft, mindestens ein Passwort geändert und eine große Menge Daten abgesaugt. Im Moment gebe es Ermittlungen gegen unbekannt wegen des Verdachts des widerrechtlichen Zugriffs auf ein Computersystem und der Datenbeschädigung zum Nachteil der ÖVP, so Jabloner, der keine Angaben zur Zahl der Verdächtigen machte.

Bisher gebe es auch keine Anhaltspunkte zur Vortäuschung einer Straftat durch die ÖVP und daher auch keine Ermittlungen in diese Richtung, so Jabloner weiter. Seinen Informationen zufolge gibt es keine Verbindung zwischen dem vermeintlichen Hack und der E-Mail-Affäre in der ÖVP. Die ÖVP hatte behauptet, dass E-Mails gefälscht wurden, wonach die Spitzen der Volkspartei schon frühzeitig von der „Ibiza-Affäre“ informiert waren. Daran gibt es einige Zweifel.

Schuldenbremse und Bargeld kommende Woche Thema

Für die Sitzung kommende Woche, die letzte vor der Wahl, wurde das Programm kaum noch geändert. Von den eingebrachten Gesetzesinitiativen erhielt nur der FPÖ-Antrag, Bargeld in die Verfassung zu schreiben, bei der Fristsetzung zum Abschluss des Plenums in der Nacht die nötige Mehrheit.

Freilich stimmten vorerst nur FPÖ und ÖVP dafür, für einen Beschluss am Mittwoch kommender Woche braucht es jedoch eine Zweidrittelmehrheit. Ansonsten kamen nur unverbindliche Entschließungsanträge (jeweils gegen die FPÖ) durch. So müssen beim nächsten Plenum Anliegen zur Aufstockung des Extremismusreferats und der Gleichbehandlungsanwaltschaft diskutiert werden. Auch das Festschreiben einer Schuldenbremse in der Verfassung steht nächste Woche auf dem Programm.

All jene Initiativen, die erst am Donnerstag eingebracht wurden wie das von der ÖVP angepeilte Identitären-Verbot, konnten nicht abgestimmt werden, da es dazu eine Zuweisungssitzung gebraucht hätte, die aber nicht anberaumt war. Damit werden die Materien, so es nicht noch unerwartet zu einer weiteren Sondersitzung kommt, frühestens in der kommenden Gesetzgebungsperiode beschlossen.