Nationalratssitzung
ORF.at/Roland Winkler
Beschlüsse im Nationalrat

Weniger Spielraum für nächste Regierung

Zahlreiche Maßnahmen sind vom Nationalrat am späten Abend mit wechselnden Mehrheiten beschlossen worden. Auch wenn es nicht mit dem schon legendär teuren Beschlussmarathon vor der Wahl 2008 vergleichbar ist: Der finanzielle Spielraum für die nächste Regierung ist seit Freitagfrüh wohl geringer.

Viele der eineinhalb Wochen vor der Wahl beschlossenen Maßnahmen finden wohl jeweils bei großen Bevölkerungsgruppen Zustimmung: die Anhebung der Pensionen, das Vorziehen von Teilen der von ÖVP und FPÖ geplanten Steuerreform und das 50-Millionen-Euro-Paket für Langzeitarbeitslose. IHS-Chef Martin Kocher zeigte sich im Ö1-Interview allerdings überzeugt, dass dadurch die nächste Regierung weniger Möglichkeiten haben wird.

Das Budget sei nach der Abwahl der Minderheitsregierung von ÖVP-Chef Sebastian Kurz in gewisser Weise zur „Allmende“, dem Allgemeingut der Parteien, geworden. Diese, nicht die Übergangsregierung von Kanzlerin Brigitte Bierlein, würden darauf „zugreifen“. Das überfordere das Budget in gewisser Weise. Kocher sagte weiter: „Dadurch werden die Spielräume für nächstes Jahr geringer – gerade zu einem Zeitpunkt, wo wir dringend eine größere Steuerreform gerade beim Einkommensteuertarif brauchen würden“ – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Nulldefizit 2020 wird „eng“

Der Ökonom spielte damit auf das erwartete geringere Wirtschaftswachstum an. Man sei die gute Konjunktur und damit sprudelnde Steuereinnahmen gewöhnt. Auch Kocher glaubt, dass sich eine Summe von etwa einer halben Milliarde jährlich im Budget „unterbringen“ lasse. Tatsache ist, dass einige der Maßnahmen jedenfalls gekommen wären, etwa die Anrechnung von Beamtenvordienstzeiten. Zieht man diese ab, verringert sich die zusätzliche Belastung für das Budget deutlich. Langfristig, so Kocher, seien Maßnahmen wie Pensionserhöhungen aber teuer.

Heuer, so Kocher, werde sich ein Nulldefizit ausgehen, im nächsten Jahr werde es knapp. Es hänge davon ab, wie fest die Regierung „auf dem Budget sitzt“ und wie eng der Budgetvollzug werde. Der IHS-Chef verwies darauf, dass es im Justiz- und Verteidigungsbereich gröbere Probleme gebe – und Österreich bei der Grundlagenforschung und Zukunftsinvestitionen Nachholbedarf habe.

ÖVP-Chef Kurz, dessen Partei in allen Umfragen vorne ist, wertete die Nationalratsbeschlüsse, die großteils mit den Stimmen der ÖVP erfolgten, übrigens als „Herausforderung“ für das Budget. Er wolle den Budgetkurs der abgewählten Regierung trotzdem fortsetzen – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Einigung auf Ökostrompaket

Das Gros der Maßnahmen, die sich stärker aufs Budget auswirken, wurde am Donnerstag beschlossen. Die letzte Sitzung vor der Wahl in der kommenden Woche wird aber zumindest noch einen größeren Beschluss sehen. Denn die fünf Parlamentsparteien einigten sich im freien Spiel der Kräfte in einem weiteren lange umstrittenen Thema. Sie einigten sich darauf, „für die kommenden Jahre“ rund 540 Mio. Euro für den Ausbau von Ökostrom freizugeben, wie die fünf Parteien in einer gemeinsamen Aussendung bekanntgaben.

Zahlreiche Reaktionen

Zu den Beschlüssen vom Donnerstag gab es am Tag danach von den Parteien und Interessenvertretungen zahlreiche Reaktionen. Während Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite generell positiv auf die zahlreichen Maßnahmen reagierten, warnte vor allem NEOS, dass die Sitzung die Bürgerinnen und Bürger „teuer zu stehen kommen wird“.

NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker kritisierte vor allem die Beschlüsse im Pensionsbereich. Diese würden „den Aspekt der Finanzierbarkeit und die Folgen für die nächsten Generationen vollkommen ignorieren“. Loacker sprach wörtlich von einem „Zukunftsraub-Paket für die nächsten Generationen“.

„Notwendig und fair“

Die anderen vier Parteien, die dafür stimmten, sahen die Anhebung für kleinere Pensionen naturgemäß anders. FPÖ-Seniorensprecher Werner Neubauer etwa sagte, im Sinne der Armutsbekämpfung sei es „unerlässlich, diesen Pensionisten die Kaufkraft zu erhalten“. Der Chef des Pensionistenverbandes, Peter Kostelka (SPÖ), dankte den Abgeordneten für die Zustimmung und betonte: „Die Pensionserhöhung ist notwendig, netto spürbar, fair und finanzierbar.“ Der ÖGB begrüßte, dass es künftig bei 45 Beitragsjahren keine Abschläge mehr geben soll, wenn man vor Erreichen des gesetzlichen Alters in Pension geht.

ÖVP-Klubchef August Wöginger wiederum lobte das von seiner Partei mitbeschlossene Paket für Langzeitarbeitslose. Die Abschaffung der vorangegangenen „Aktion 20.000“ und die Zustimmung zum nunmehrigen Paket begründete er damit, dass nun alle über 49-Jährigen davon profitieren könnten, und das „nicht nur in gemeinnützigen Jobs, sondern in allen Unternehmen, in denen eine Chance auf nachhaltige Arbeitsplätze besteht“.

Wirtschaft lobt Erleichterungen

Die Wirtschaftskammer lobte in einer Aussendung die zahlreichen Erleichterungen für Unternehmen durch das Steuerpaket, unter anderem die Anhebung des Grenzbetrags für geringwertige Wirtschaftsgüter und die Ausweitung der Kleinunternehmerbefreiung durch Anhebung der Umsatzgrenze auf 35.000 Euro.