Ein Airbus A321-200 des Reiseanbieters „Thomas Cook“
Reuters/Paul Hanna
600.000 Urlauber betroffen

Reisekonzern Thomas Cook insolvent

Der britische Tourismuskonzern Thomas Cook ist pleite. Man habe keine Alternative gehabt, als mit sofortiger Wirkung das Konkursverfahren einzuleiten, teilte der älteste Touristikkonzern der Welt in der Nacht auf Montag mit. Unmittelbar vom Zusammenbruch betroffen sind etwa 600.000 Urlauberinnen und Urlauber und 21.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Trotz Bemühungen konnte der Reiseanbieter nicht mehr gerettet werden. Der Flugbetrieb wurde in Großbritannien mit sofortiger Wirkung eingestellt, teilte die britische Luftfahrtbehörde CAA in der Früh mit. Konzernchef Peter Fankhauser bedauerte das Scheitern der Gespräche und sprach in der Erklärung von einem „tieftraurigen Tag“ für den Konzern.

Noch bis Sonntagabend war mit Investoren über eine zusätzliche Finanzierung in Höhe von 200 Millionen Pfund (226 Mio. Euro) verhandelt worden. Diese wären zu einem bereits ausgehandelten 900 Millionen Euro schweren Rettungspaket hinzugekommen. Thomas Cook verhandelte zum einen mit dem chinesischen Mischkonzern Fosun, der den TUI-Konkurrenten übernehmen wollte, zum anderen mit Banken und Anleihegläubigern.

Der chinesische Großaktionär reagierte nach eigenen Worten „enttäuscht“: „Fosun Travel ist enttäuscht, dass die Thomas-Cook-Gruppe nicht in der Lage war, eine praktikable Lösung für ihre vorgeschlagene Rekapitalisierung mit anderen Partnern, wichtigen Kreditgebern, führenden Investoren und zusätzlich beteiligten Parteien zu finden“, hieß es in einer Mitteilung am Montag.

Zahl der betroffenen Österreicher noch unklar

Zu den Folgen für österreichische Reisende findet am Montag eine Koordinationssitzung von Außen- und Verkehrsministerium mit Reisebürounternehmen statt. Dabei werde die Betroffenheitslage in Österreich analysiert, hieß es aus dem Außenministerium in Wien zur APA. Derzeit sei die Lage bzw. die Zahl der österreichischen Betroffenen unklar. Normalerweise werde bei Pauschalreisen auch eine Reiseversicherung abgeschlossen, diese sollte im Insolvenzfall für eine Rückholung sorgen.

Condor darf Thomas-Cook-Fluggäste nicht mehr annehmen

Der Ferienflieger Condor, ein Tochterunternehmen, versicherte kurz nach Bekanntwerden der Insolvenzpläne erst, dass der Flugbetrieb weitergehe. Am Montag jedoch teilte die Airline mit, man dürfe aus rechtlichen Gründen Urlauberinnen und Urlauber, die mit Thomas-Cook-Veranstaltern gebucht haben, nicht mehr an ihr Reiseziel bringen.

Die deutschen Veranstaltertöchter, zu denen Marken wie Neckermann Reisen, Bucher Last Minute, Öger Tours, Air Marin und Thomas Cook Signature gehören, haben den Verkauf von Reisen nach eigenen Angaben komplett gestoppt. Man könne nicht gewährleisten, dass gebuchte Reisen mit Abreisedatum 23. und 24. September stattfinden, teilte die Thomas Cook GmbH in der Früh in Oberursel bei Frankfurt mit.

„Das Unternehmen lotet derzeit letzte Optionen aus“, hieß es weiter. Sollten diese Optionen scheitern, sehe sich die Geschäftsführung gezwungen, auch für die Thomas Cook GmbH und weitere Gesellschaften Insolvenz zu beantragen. In Großbritannien bezahlt der Staat für die Rückholung gestrandeter Urlauberinnen und Urlauber aus dem Ausland. Deshalb sagte der britische Außenminister Dominic Raab bereits am Sonntag besorgten Kunden die Unterstützung der Regierung in London zu.

Johnson bestätigt: Finanzierungsbitte an Regierung

Premierminister Boris Johnson bestätigte das am Montag. „Wir werden unser Bestes tun, um sie nach Hause zu holen. Es wird Pläne dafür geben, wenn es notwendig wird“, sagte Johnson. Er äußerte sich der Nachrichtenagentur PA zufolge in der Nacht auf Montag noch vor der Einstellung des Unternehmensbetriebs an Bord einer Regierungsmaschine auf dem Weg nach New York. „Der Staat muss auf die eine oder andere Weise eingreifen, um gestrandeten Urlaubern zu helfen.“

Ein Reisebüro von Thomas Cook
Reuters/Suzanne Plunkett
Die Thomas-Cook-Reisebüros schließen

Jedoch lehnte die britische Regierung nach Angaben Johnsons eine Finanzierungsbitte des Reisekonzerns über 150 Millionen Pfund (knapp 170 Mio. Euro) ab. „Das ist natürlich eine Menge Steuergeld und stellt, wie die Menschen anerkennen werden, eine moralische Gefahr für den Fall dar, dass Unternehmen künftig mit solchen wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert werden.“ „Es ist wahr, dass an die Regierung eine Bitte für eine Unterstützung in Höhe von etwa 150 Millionen (Pfund) ergangen ist“, ergänzte der Premier.

Einem BBC-Bericht zufolge sollen rund 14.000 betroffene britische Urlauberinnen und Urlauber schon am Montag in ihre Heimat zurückkehren. Die Regierung habe für die Rückholaktion 45 Maschinen gechartert, die am Montag auf 64 Strecken fliegen sollen, wie die BBC weiter berichtete. Das Verkehrsministerium in London wollte diese Zahlen auf Anfrage zunächst weder bestätigen noch dementieren.

Gewerkschaft macht Regierung verantwortlich

Die britische Transportgewerkschaft TSSA machte unterdessen die Regierung in London für die Thomas-Cook-Pleite verantwortlich. „Die Regierung hatte viele Möglichkeiten, Thomas Cook zu helfen, hat sich aber für das ideologische Dogma entschieden, anstatt Tausende Jobs zu retten“, sagte Gewerkschaftschef Manuel Cortes einer Mitteilung zufolge. „Dass sie (die Regierung) unsere Mitglieder lieber hängen lassen, als Thomas Cook zu retten, ist beschämend und falsch.“

„Man muss kein Mathegenie sein, um zu wissen, dass die Rettung eines Eckpfeilers der britischen Wirtschaft billiger und kostengünstiger gewesen wäre“, sagte Cortes. Er betonte, Wirtschaftsministerin Andrea Leadsom habe ein Treffen mit der Gewerkschaft abgelehnt, obwohl 9.000 Jobs in Großbritannien betroffen seien.

Pilotengewerkschaft: Hoffnung „brutal zerschlagen“

Die Pilotengewerkschaft BALPA erhob ebenfalls schwere Vorwürfe gegen die britische Regierung. Während es für die Rückholaktion betroffener Urlauber detaillierte Pläne gebe, „wurde der Belegschaft ohne Zögern in den Rücken gestochen“, hieß es in einer Mitteilung. Die Mitarbeiter hätten in den vergangenen Monaten alles gegeben, dass Thomas Cook weitermachen kann, so BALPA weiter.

Währenddessen sei heimlich über die Zukunft dieser Mitarbeiter entschieden worden, und es sei unklar, ob sie diesen Monat überhaupt ihr Gehalt bekommen. „Es ist verabscheuungswürdig. Die Piloten und Mitarbeiter von Thomas Cook haben Besseres verdient.“ Die Hoffnungen der Angestellten seien am Montag „brutal zerschlagen“ worden.

Auch die oppositionelle Labour-Partei warf der Regierung Untätigkeit vor. „Ich bin enttäuscht“, sagte Labour-Finanzsprecher John McDonnell der BBC. „Ich glaube, die Regierung hätte bereit sein sollen, einfach mehr zu tun: intervenieren, die Situation stabilisieren und dann einen längerfristigen Plan ermöglichen.“

„Größte Rückholaktion in Friedenszeiten“

Die Luftfahrtbehörde CAA hatte für den Notfall bereits am Sonntag zahlreiche Flugzeuge bereitgestellt. Damit laufe die „größte Rückholaktion in Friedenszeiten“ an, um rund 150.000 Urlauberinnen und Urlauber aus verschiedenen Ländern nach Hause zu holen. Die Rückholaktion trägt nach BBC-Angaben den Codenamen „Matterhorn“. In der Nacht seien bereits die ersten Flugzeuge zu verschiedenen Zielen gestartet, um britische Touristinnen und Touristen nach Hause zu holen, hieß es bei CAA. Dafür wurde sogar eine eigene Website (Thomascook.caa.co.uk) geschaltet.

Am Wochenende hatte Thomas Cook via Twitter mehrfach Kundinnen und Kunden zu beschwichtigen versucht, die sich wegen Medienberichten über die Finanzierungsprobleme des Konzerns Sorgen um ihre Buchungen machten. „Alle unsere Urlaube finden normal statt“, schrieb das Unternehmen via Twitter.

Schuldenberg in Milliardenhöhe

Thomas Cook war in den vergangenen Jahren immer wieder in Schieflage geraten. Bereits im Jahr 2012 retteten mehrere Banken den Konzern nach immensen Abschreibungen auf das britische Geschäft und IT-Systeme mit frischem Geld vor dem Untergang. Auch dadurch sitzt Thomas Cook auf einem Schuldenberg in Milliardenhöhe und ächzt unter der hohen Zinslast. Der jüngste Preiskampf im Reise- und Fluggeschäft kam erschwerend hinzu.

Um dringend benötigtes Geld zu bekommen, hatte der Konzern im Februar sogar seine Fluggesellschaften samt Condor zum Verkauf gestellt. Im Juli blies er das Vorhaben wieder ab und präsentierte stattdessen einen umfangreichen Rettungsplan – der nun scheiterte. Das Sommerhalbjahr bis Ende September werde deutlich schwächer als 2018, hatte Konzernchef Fankhauser Mitte Juli gesagt – und die Vorlage der Quartalszahlen abgeblasen. Dass es noch immer keine Klarheit über den Brexit gibt, dürfte die Lage verschärft haben. Großbritannien ist neben Deutschland der wichtigste Absatzmarkt für Thomas Cook.

50.000 Menschen in Griechenland gestrandet

In Griechenland seien nun rund 50.000 Touristinnen und Touristen gestrandet, die über Thomas Cook angereist seien, berichtete ein Vertreter des griechischen Tourismusministeriums. Die Urlauber befänden sich vor allem auf den griechischen Inseln wie Zakynthos, Kos, Korfu, Skiathos und Kreta. „Die oberste Priorität ist jetzt, sie in ihre Heimat zurückzubringen“, betonte er.

Einige Unternehmen und Verbände im Tourismussektor befürchten unterdessen nachhaltige Auswirkungen. „Das ist ein Erdbeben der Stärke sieben, und der Tsunami kommt erst“, sagte am Montag der Präsident des kretischen Tourismusverbands, Michalis Vlatakis, griechischen Medien. So hätten auf der griechischen Insel Kreta rund 70 Prozent aller Tourismusunternehmen Verträge mit dem Reiseriesen. Allein 2019 habe Thomas Cook gut 400.000 Besucherinnen und Besucher nach Kreta gebracht. „Derzeit sind noch etwa 20.000 da“, sagte Vlatakis. Nun gelte es, diese Kundinnen und Kunden bestmöglich zu versorgen, damit sie Kreta auch künftig treu blieben. Dennoch werde die Insolvenz von Thomas Cook den griechischen Tourismus nachhaltig prägen, glaubt der Fachmann.

Türkei sorgt sich um Tourismusunternehmen

Das türkische Tourismusministerium stellte ein Unterstützungspaket für betroffene türkische Unternehmen in Aussicht. Das Paket werde „in kürzester Zeit“ verabschiedet, teilte das Ministerium in Ankara am Montag via Twitter mit. Details wurden nicht genannt. In der Türkei seien 21.033 Reisende mit Thomas Cook England untergekommen, hieß es weiter. Hotels dürften keine Zahlungen von Gästen verlangen oder sie dazu auffordern, ihre Zimmer zu räumen, sonst drohten ihnen gerichtliche Konsequenzen. Die Zahlungen von Reisenden, die bis 22. September eine Unterkunft gebucht hatten, seien abgesichert.

Thomas Cook war 1841 gegründet worden und betreibt Hotels, Ferienresorts, Airlines und veranstaltet Kreuzfahrten. Von den 105 Flugzeugen im Konzern fliegen 58 für Condor. Weltweit hat Thomas Cook rund 21.000 Mitarbeiter in 16 Ländern. Davon sind etwa 4.500 in Deutschland bei Condor beschäftigt.