Reisende am Flughafen von Antalya
AP/IHA
Thomas-Cook-Pleite

4.600 Österreicher bangen im Ausland

Nach den Milliardenverlusten und der Zahlungsunfähigkeit des in London börsennotierten Reiseveranstalters Thomas Cook Group sind auch Tausende Urlauber und Urlauberinnen aus Österreich verunsichert. Per Montag befinden sich 4.600 österreichische Gäste in den Zielgebieten, wie ein Sprecher von Thomas Cook Österreich der APA mitteilte. Montag und Dienstag seien je 400 Anreisen geplant.

Die Thomas Cook Austria AG beschäftigt den Angaben zufolge aktuell 57 Mitarbeiter. Im Geschäftsjahr 2017/18 waren es noch 75. Der heimische Reiseveranstalter Verkehrsbüro und der zu ihm gehörende Vermittler Ruefa bemühen sich um Lösungen für verunsicherte Urlauber der Reisegruppe Thomas Cook. Kunden, die in den nächsten Tagen abfliegen, sollten sich unbedingt mit ihren Ruefa-Beratern in Verbindung setzen. Pauschale Aussagen, dass Reisende am Dienstag und Mittwoch nicht befördert werden könnten, seien nicht zulässig.

Ruefa ersuchte am Montagnachmittag in einer Aussendung die Urlauber und Urlauberinnen, auf jeden Fall zum Flughafen zu fahren und dort zu sehen, ob die Reise angetreten werden könne. Damit sei die „Reisebereitschaft“ seitens der Kunden sichergestellt. Gleiches gelte für Reisende, die schon am Urlaubsort sind und die Heimreise antreten wollen.

Reisende warten auf Flughafen
AP/Francisco Ubilla
Thomas-Cook-Kundschaft auf dem Flughafen von Mallorca

Was zu beachten ist

Weiters gelte das für Abreisen zu einem späteren Zeitpunkt, wird betont. Hier evaluiere das Krisenteam von Ruefa laufend die Situation und melde sich bei den Kunden, sollten Reisen nicht durchgeführt werden können. Besonders wichtig sei es, Bestätigungen für eventuell an Ort und Stelle noch zu zahlende Leistungen (Hotel, Mietwagen etc.) unmittelbar einzufordern und nach der Rückkehr einzureichen, da das jedenfalls Versicherungsfälle seien.

Hotline für Österreicher

Für heimische Urlauber steht eine eigene Serviceline der Abwicklungsgesellschaft Allianz Worldwide Partners unter der Rufnummer +43152503681 zur Verfügung. Die E-Mail-Adresse lautet thomascook.at@allianz.com.

Mit Vertretern von Thomas Cook Austria bzw. Neckermann Austria suche man derzeit aktiv das Gespräch – denn es gebe verschiedene Veranstalterkonstellationen und Buchungskombinationen, die so rasch wie möglich im Sinne der Kunden und Kundinnen zu klären seien. Aufgrund der derzeit unsicheren Situation setze Ruefa auf direkte Kundenkommunikation.

Hat jemand eine Reise beim größten österreichischen Tourismuskonzern Verkehrsbüro als Veranstalter gebucht, können im Package auch einzelne Bausteine aus dem Thomas-Cook-Portfolio mit dabei sein, erläuterte man bei der Verkehrsbüro Group auf Anfrage. An sich greift bei solchen Buchungen die Pauschalreise-Verordnung. Anders bei Buchungen über Ruefa: Der Vermittler verkauft verchiedenste Reisen aus dem Thomas-Cook- oder Neckermann-Angebot; „diese Kunden sollten sich bei uns melden“, hieß es aus dem Verkehrsbüro.

Hunderttausende weltweit betroffen

Rund 600.000 Urlauberinnen und Urlauber sind insgesamt von der Thomas-Cook-Pleiste betroffen. Die ersten Rückholaktionen für die Gestrandeten haben bereits begonnen. Erste Urlauber auf den griechischen Ferieninseln Kos, Korfu und Zakynthos können bald abreisen. Die ersten 15 Flugzeuge für die Menschen seien organisiert, teilte am Montag das griechische Tourismusministerium mit.

Passagiere von Thomas Cook stehen in Kreta Schlange beim Check-In
Reuters/Stefanos Rapanis
Auf den Flughäfen herrscht Verunsicherung bei den Thomas-Cook-Touristen

In den kommenden drei Tagen sollen rund 22.000 Touristen zurückgeholt werden. Insgesamt seien in Griechenland etwa 50.000 Touristen von der Insolvenz des Reisekonzerns betroffen. „Der finanzielle Zusammenbruch von Thomas Cook ist eine unglückliche Entwicklung für die gesamteuropäische Tourismusbranche, die auch den griechischen Markt betrifft“, hieß es aus dem Ministerium. Man arbeite eng mit allen Beteiligten an Lösungen; es sei eine Schaltstelle eingerichtet worden, um die Rückreise der Menschen zu ermöglichen.

Thomas Cook ist pleite

Alle Rettungsversuche sind gescheitert, der britische Reisekonzern Thomas Cook ist pleite. Und das trifft Hunderttausende Touristen, die ihren Urlaub nicht mehr antreten können oder im Urlaubsland festsitzen.

Auf Zypern sind rund 15.000 Reisende aktuell betroffen, hieß es am Montag vonseiten des zypriotischen Tourismusministeriums. Nach verschiedenen Schätzungen waren in Spanien 25.000 bis 30.000 Touristen und Touristinnen vor allem aus Großbritannien, aber auch aus Deutschland und anderen Ländern betroffen. Auch in Großbritannien wurde man aktiv. Die britische Luftfahrtbehörde CAA hatte für den Notfall am Sonntag zahlreiche Flugzeuge bereitgestellt. Damit laufe die „größte Rückholaktion in Friedenszeiten“ an, um rund 150.000 Urlauberinnen und Urlauber aus verschiedenen Ländern nach Hause zu holen.

Auch Skandinavier sitzen fest

Auch Zehntausende Skandinavier und Skandinavierinnen sind betroffen. Insgesamt befänden sich 34.460 Kunden aus Schweden, Norwegen, Finnland und Dänemark an verschiedenen Reisezielen, teilte der Reiseanbieter Ving, eine Thomas-Cook-Tochter, am Montag mit. Schätzungsweise 6.500 Menschen waren am Montag von Flugstreichungen der skandinavischen Töchter von Thomas Cook betroffen, davon sollten rund 3.400 in die Heimat zurückfliegen. Alle 31 für Montag angesetzten Flüge von Thomas Cook Airlines Scandinavia blieben auf dem Boden, alle Reisen aus Skandinavien wurden bis auf Weiteres eingestellt.

200 Millionen Pfund fehlten zur Rettung

Trotz Bemühungen konnte Thomas Cook nicht mehr gerettet werden. 21.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Konzerns sind betroffen. Der Flugbetrieb wurde in Großbritannien mit sofortiger Wirkung eingestellt, teilte die CAA Montagfrüh mit. Konzernchef Peter Fankhauser bedauerte das Scheitern der Gespräche und sprach in der Erklärung von einem „tieftraurigen Tag“ für den Konzern.

Noch bis Sonntagabend war mit Investoren über eine zusätzliche Finanzierung in Höhe von 200 Millionen Pfund (226 Mio. Euro) verhandelt worden. Diese wären zu einem bereits ausgehandelten 900 Millionen Euro schweren Rettungspaket hinzugekommen. Thomas Cook verhandelte zum einen mit dem chinesischen Mischkonzern Fosun, der den TUI-Konkurrenten übernehmen wollte, zum anderen mit Banken und Anleihegläubigern.

Condor darf Thomas-Cook-Fluggäste nicht mehr annehmen

Der Ferienflieger Condor, ein Tochterunternehmen, teilte am Montag mit, man dürfe aus rechtlichen Gründen Urlauberinnen und Urlauber, die mit Thomas-Cook-Veranstaltern gebucht haben, nicht mehr an ihr Reiseziel bringen. Condor hat derzeit rund 240.000 Kunden auf Rückflügen gebucht. Der Flugbetrieb werde aufrechterhalten, bekräftigte ein Sprecher von Condor.

Condor will von der deutschen Regierung einen Überbrückungskredit von rund 200 Millionen Euro. Das erfuhr die dpa am Montag aus Regierungskreisen. Dieses „Unterstützungsersuchen“ werde derzeit intensiv geprüft. Condor hatte erklärt, einen staatlich verbürgten Überbrückungskredit beantragt zu haben, um „Liquiditätsengpässe“ zu verhindern.

Die deutschen Veranstaltertöchter, zu denen Marken wie Neckermann Reisen, Bucher Last Minute, Öger Tours, Air Marin und Thomas Cook Signature gehören, haben den Verkauf von Reisen nach eigenen Angaben komplett gestoppt. Man könne nicht gewährleisten, dass gebuchte Reisen mit Abreisedatum 23. und 24. September stattfinden, teilte die Thomas Cook GmbH in der Früh in Oberursel bei Frankfurt mit.

Negative Auswirkungen in Spanien

Für Spanien habe die Pleite „sehr negative Auswirkungen“, sagte die spanische Tourismusministerin Maria Reyes Maroto am Montag in Madrid. Sie sei mit den Hotelierverbänden in Kontakt, um Strategien zu erarbeiten.

Auch auf Mallorca war man alarmiert. „Das ist ein sehr harter Schlag für die (Balearen-)Inseln“, sagte der für Tourismus zuständige Regionalminister Iago Negueruela dem Radiosender SER. Der finanzielle Schaden sei noch gar nicht abzuschätzen. Mit Thomas Cook waren im vergangenen Jahr rund 3,6 Millionen Touristen nach Spanien gereist, vor allem auf die Balearen und Kanaren sowie nach Andalusien, Valencia und Katalonien. In Spanien betrieb der britische Konzern zuletzt 45 Hotels.

Griechenland sorgt sich um wirtschaftliche Auswirkungen

Einige Unternehmen und Verbände im griechischen Tourismussektor befürchten nachhaltige Auswirkungen. „Das ist ein Erdbeben der Stärke sieben, und der Tsunami kommt erst“, sagte am Montag der Präsident des kretischen Tourismusverbands, Michalis Vlatakis, griechischen Medien. So hätten auf der griechischen Insel Kreta rund 70 Prozent aller Tourismusunternehmen Verträge mit dem Reiseriesen.

Allein 2019 habe Thomas Cook gut 400.000 Besucherinnen und Besucher nach Kreta gebracht. „Derzeit sind noch etwa 20.000 da“, sagte Vlatakis. Nun gelte es, diese Kundinnen und Kunden bestmöglich zu versorgen, damit sie Kreta auch künftig treu blieben. Dennoch werde die Insolvenz von Thomas Cook den griechischen Tourismus nachhaltig prägen, glaubt der Fachmann.

Das griechische Finanzministerium sei bereits eingeschaltet, um betroffenen griechischen Tourismusunternehmen unter die Arme zu greifen, hieß es am Montag vom griechischen Ministerium. Tourismus ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Griechenlands. Laut deutschem Auswärtigen Amt trägt er direkt und indirekt rund 23 Prozent zur Wirtschaftsleistung des Landes bei.

„Schwerer Schlag“ für Zypern

Die Insolvenz ist „ein schwerer Schlag für den Tourismus auf Zypern“. Das sagte am Montag der stellvertretende zyprische Tourismusminister Savvas Perdios bei einer Krisensitzung, wie örtliche Medien berichteten. Jährlich brachte Thomas Cook laut öffentlich-rechtlichen Rundfunk RIK bisher rund 250.000 Besucherinnen und Besucher auf die Mittelmeerinsel.

Perdios mahnte die örtlichen Hoteliers und Unternehmer zur Besonnenheit. „Es ist wichtig, dass unsere Besucher alle Gastfreundschaft erfahren und ihre Rückkehr reibungslos verläuft“, sagte er. Die Betroffenen sollten das Land „mit den bestmöglichen Eindrücken verlassen“. Zyprische Medien gehen davon aus, dass sich der Schaden der Thomas-Cook-Pleite für örtliche Hoteliers auf bis zu 50 Millionen Euro belaufen könnte.

Auch Türkei sorgt sich um Tourismusunternehmen

Das türkische Tourismusministerium stellte ein Unterstützungspaket für betroffene türkische Unternehmen in Aussicht. Tourismusminister Mehmet Nuri Ersoy sagte am Montag, dass das Kreditpaket 50 Millionen Euro umfassen werde. In der Türkei seien 21.033 Reisende mit Thomas Cook England untergekommen, hieß es weiter. Hotels dürften keine Zahlungen von Gästen verlangen oder sie dazu auffordern, ihre Zimmer zu räumen, sonst drohten ihnen gerichtliche Konsequenzen. Die Zahlungen von Reisenden, die bis 22. September eine Unterkunft gebucht hatten, seien abgesichert.

Schuldenberg in Milliardenhöhe

Thomas Cook war in den vergangenen Jahren immer wieder in Schieflage geraten. Bereits im Jahr 2012 retteten mehrere Banken den Konzern nach immensen Abschreibungen auf das britische Geschäft und IT-Systeme mit frischem Geld vor dem Untergang. Auch dadurch sitzt Thomas Cook auf einem Schuldenberg in Milliardenhöhe und ächzt unter der hohen Zinslast. Der jüngste Preiskampf im Reise- und Fluggeschäft kam erschwerend hinzu.

Um dringend benötigtes Geld zu bekommen, hatte der Konzern im Februar sogar seine Fluggesellschaften samt Condor zum Verkauf gestellt. Im Juli blies er das Vorhaben wieder ab und präsentierte stattdessen einen umfangreichen Rettungsplan – der nun scheiterte. Das Sommerhalbjahr bis Ende September werde deutlich schwächer als 2018, hatte Konzernchef Fankhauser Mitte Juli gesagt – und die Vorlage der Quartalszahlen abgeblasen. Dass es noch immer keine Klarheit über den Brexit gibt, dürfte die Lage verschärft haben. Großbritannien ist neben Deutschland der wichtigste Absatzmarkt für Thomas Cook.