Britisches Parlament soll bald über Neuwahl abstimmen

Die britische Regierung will demnächst erneut über eine Neuwahl im Parlament abstimmen lassen. Das sagte der britische Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox heute bei der ersten Sitzung des Unterhauses nach Aufhebung der Zwangspause, die fünf Wochen hätte dauern sollen. Die Opposition lehnt eine Neuwahl ab, solange ein ungeregelter EU-Austritt am 31. Oktober nicht ausgeschlossen ist. Bei der ersten Sitzung kam es zu heftigen Wortgefechten zwischen den Abgeordneten.

Cox hatte dem Parlament das „moralische Recht“ abgesprochen zu tagen. „Dieses Parlament ist ein totes Parlament“, sagte der Tory-Politiker. Der juristische Berater der Regierung wirft den Abgeordneten vor, den Brexit verhindern zu wollen und das Ergebnis des Referendums von vor drei Jahren zu untergraben.

Rücktrittsforderung an Johnson

Der Labour-Abgeordnete Barry Sheerman reagierte empört: „Für einen Mann wie ihn, eine Partei wie diese und einen solchen Anführer (Premierminister Boris Johnson, Anm.) ist es eine Schande, von Sitten und Anstand zu sprechen“, so Sheerman.

Die Richter des Obersten Gerichts hatten gestern die von Johnson verfügte Zwangspause gekippt. Kritiker hatten dem Regierungschef vorgeworfen, dass er mit der Suspendierung das Unterhaus kaltstellen wollte, um seinen Brexit-Kurs durchzuboxen. Johnson und Cox sehen sich wegen der Zwangspause Rücktrittsforderungen ausgesetzt. Beide machten jedoch deutlich, dass sie ihre Ämter nicht niederlegen wollen.

Johnson muss sich auf eine Reihe unangenehmer Fragen einstellen – nicht nur zur Zwangspause. Seit Tagen machen Vorwürfe die Runde, eine mit Johnson befreundete US-Geschäftsfrau habe Geld aus Kassen der britischen Hauptstadt erhalten, als Johnson Bürgermeister war. Und die Abgeordneten könnten auch weitere Dokumente aus den No-Deal-Plänen der Regierung verlangen.

Gove sieht „große Fortschritte“

Der in der britischen Regierung für die Notfallpläne für einen ungeregelten EU-Ausstieg zuständige Minister Michael Gove sieht die Verhandlungen mit der Europäischen Union unterdessen auf gutem Weg. Es habe in den „vergangenen Wochen große Fortschritte“ gegeben, so Gove vor dem Unterhaus.

Die EU kann die optimistische Sichtweise nicht teilen. EU-Brexit-Unterhändler Michel Barnier zeigte sich vielmehr wenig hoffnungsvoll, dass ein Austritt Großbritanniens aus der EU ohne Vertrag vermieden werden kann. Er sehe keinen Grund für Optimismus, dass die EU und Großbritannien eine Lösung für die umstrittene Ausgestaltung der Grenzkontrollen zwischen Irland und dem britischen Nordirland finden werden, hatte er in Berlin gesagt.