Der ehemalige französische Präsident Jacques Chirac
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1932–2019

Jacques Chirac ist tot

Frankreichs ehemaliger Staatspräsident Jacques Chirac ist tot. Er starb am Donnerstag im Alter von 86 Jahren, wie seine Familie mitteilte. Chiracs politische Karriere vom Pariser Bürgermeister bis ins höchste Staatsamt war außergewöhnlich, wenn auch umstritten.

Chiracs Schwiegersohn Frederic Salat-Baroux sagte, er sei im Kreis seiner Angehörigen gestorben. Sein Gesundheitszustand war zuletzt wiederholt Anlass für Schlagzeilen, mehrfach musste er ins Krankenhaus. Er litt seit längerer Zeit unter schweren Gedächtnisproblemen. Noch während seiner Amtszeit hatte er 2005 einen Schlaganfall.

Chirac prägte vier Jahrzehnte lang die französische Politik. Er galt als leutselig, aber auch machtbewusst. Der 1932 in Paris geborene Chirac besuchte die Elitehochschule ENA und heiratete Bernadette Chodron de Courcel, eine Aristokratin, mit der er zwei Töchter hatte und die er zeitlebens siezte. Als junger Mann liebäugelte er zunächst mit dem Kommunismus, dann verortete er sich aber bei der Konservativen.

Zahlreiche Posten bekleidet

Nach seinem Einsatz im Algerien-Krieg legte er eine beeindruckende Karriere hin. Die politische Laufbahn des Gaullisten begann in den 1960er Jahren im Fahrwasser des späteren Präsidenten Georges Pompidou, der ihn „meinen Bulldozer“ nannte. Im Alter von 34 Jahren trat der Abgeordnete der zentralfranzösischen Region Correze erstmals in die Regierung in Paris als Staatssekretär damals noch unter Charles de Gaulle ein. Mit 41 Jahren wurde er zum Premierminister unter Präsident Valery Giscard d’Estaing ernannt. Doch der liberale Staatschef ließ ihm wenig Spielraum, und so trat Chirac 1976 zurück.

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Jacques Chirac im Jahr 1977
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1977 wurde Chirac Bürgermeister von Paris, das Amt hatte er 18 Jahre lang inne, bis 1995
Jacques Chirac im Jahr 1981 mit Nicolas Sarkozy
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1981 mit dem jungen Nicolas Sarkozy
Jacques Chirac und George W. Bush im Weißen Haus in Washington
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Das Zerwürfnis mit Washington war 2003 groß: Chirac verweigerte dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush eine Teilnahme am Irak-Krieg
Jacques Chirac und Queen Elizabeth II.
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Chirac und Queen Elizabeth II.
Jacques Chirac mit Blumenschmuck auf dem Kopf bei einem Besuch in Neukaledonien
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Besuch in Neukaledonien: Chirac galt als leutseliger Präsident
Jacques Chirac und Angela Merkel
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2007 mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel
Jacques Chirac im Jahr 2014
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Ein Bild aus dem Jahr 2014: In den letzten Jahren zog sich Chirac weitgehend zurück

1995 gelang ihm im dritten Anlauf der Einzug in den Elysee-Palast. Im Vorfeld hatte sich sein politischer Ziehsohn Nicolas Sarkozy, der spätere Präsident Frankreichs, auf die Seite seines internen Rivalen Edouard Balladur geschlagen. Aus dieser Zeit rührte das tiefe Misstrauen Chiracs gegen Sarkozy, den er später offen als „nervös, ungestüm und ohne Selbstzweifel“ kritisierte.

Höhe- und Tiefpunkte eines politischen Lebens

Sowohl außen- als auch innenpolitisch setzte Chirac Zeichen. Als erster französischer Staatschef erkannte er die Mitschuld seines Landes an der Verfolgung der Juden während der deutschen Besatzungszeit an. 2003 verweigerte er sich dem amerikanischen Irak-Krieg. Das Zerwürfnis zwischen Washington und Paris war tief, als „käsefressende Kapitulationsaffen“ wurden die Franzosen in den USA geschmäht, Boykottaufrufe waren die Folge. In den USA sollten fortan keine „French Fries“ mehr gegessen werden, sondern „Freedom Fries“. Unbeirrt hielt Chirac aber an seinem Kurs eines außenpolitisch unabhängigen Frankreich in der Tradition von Republikgründer De Gaulle fest.

Eine Niederlage für Chirac war das Nein der Franzosen zum Entwurf einer europäischen Verfassung, das die EU in eine Identitätskrise stürzte. Weltweite Kritik erfuhr Chirac nach einer Serie von Atombombentests in der Südsee.

Jacques Chirac ist tot

Der frühere französische Staatschef Jacques Chirac ist im Alter von 86 Jahren verstorben.

Front-National-Chef Jean-Marie Le Pen bescherte ihm 2002 eine Wiederwahl mit 82 Prozent der Stimmen – weil der Rechtsextreme zum Schock vieler Franzosen in die Stichwahl um das Präsidentenamt einzog, stimmten auch Linke zähneknirschend für Chirac.

Verurteilung wegen Untreue

Als erster französischer Ex-Präsident nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er strafrechtlich verurteilt, zu zwei Jahren Haft auf Bewährung wegen Untreue und Unterschlagung öffentlicher Gelder. Vom Rathaus bezahlte Mitarbeiter hatten in Wahrheit für Chiracs Partei gearbeitet.

Dem Prozess musste er wegen ärztlich attestierter Gedächtnisstörungen nicht beiwohnen. Nach seiner Zeit im Elysee-Palast zogen sich Chirac und seine Frau Bernadette weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück.

Macron würdigt Chirac als „großen Franzosen“

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron würdigte Chirac als „großen Franzosen“. „Wir verlieren einen Staatsmann, den wir so sehr geliebt haben wie er uns“, sagte Macron am Donnerstagabend in einer Fernsehansprache. Um Chirac werde nicht nur in Frankreich getrauert, sondern auch in anderen Teilen der Welt. Chirac sei ein Mann gewesen, der sowohl die Sympathie des Bauern als auch des Industriellen gehabt habe.

Juncker: Erbe bleibt erhalten

Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker würdigte am Donnerstag die Verdienste Chiracs. Er verliere einen engen persönlichen Freund, sagte Junckers Sprecherin Mina Andreeva in Brüssel. „Der Präsident findet keine Worte, seine Trauer auszudrücken“, sagte sie. Chiracs politisches Erbe für Frankreich und Europa werde ewig Bestand haben.

Der ehemalige französische Präsident Jacques Chirac
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Chirac im Jahr 1996 nach einem Jahr im Amt als Staatspräsident

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel würdigte Chirac als „herausragenden Partner und Freund“. „Ich trauere mit seiner Familie und mit dem französischen Volk um einen großen Staatsmann und Europäer“, so Merkel nach Angaben ihres Regierungssprechers. Merkels Vorgänger Gerhard Schröder, an dessen Seite Chirac den USA eine Beteiligung am Einmarsch im Irak verweigert hatte, sagte am Donnerstag: „Er war ein erfahrener Politiker, ein geschichtsbewusster Europäer, ein charmanter Mensch. (…) Ich werde einen Mann vermissen, der mir zum Freund geworden ist.“

Trauer bei Sarkozy

Auch der mit Chirac in zwiespältigem Verhältnis stehende Sarkozy meldete sich zu Wort. Chirac habe „ein Frankreich verkörpert, das seinen universellen Werten und seiner historischen Rolle treu ist“. Heute sei „ein Teil meines Lebens verschwunden“, so Sarkozy.

Großbritanniens Premierminister Boris Johnson bezeichnete Chirac als großartigen Politiker. Russlands Präsident Wladimir Putin sagte: „Jacques Chirac hat sich den verdienten Respekt seiner Landsleute erworben und ein hohes internationales Ansehen als weiser und visionärer Staatenlenker, der immer die Interessen seines Landes verteidigt hat.“

Eiffelturm bleibt dunkel

In Gedenken an Chirac bleibt die traditionelle Nachtbeleuchtung des Eiffelturms am Donnerstagabend aus. Die Lichter sollten ab 21.00 Uhr ausgeschaltet werden, bestätigte die Betreibergesellschaft des Pariser Wahrzeichens. Außerdem sollte der Turm früher schließen als normalerweise.

Am Montag würdigt Frankreich Chirac mit einer eintägigen Staatstrauer. Das teilte das Büro von Präsident Macron mit. Außerdem wird es einen Trauergottesdienst in der Kirche Saint-Sulpice in Paris geben. Trauernde können bereits ab Donnerstagabend bis Sonntag im Elysee-Palast kondolieren.