Spitzenkandidat Werner Kogler in der Wahlzentrale der Grünen im Metropol
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Über zehn Prozent plus

Grüne nach fulminantem Comeback im Glück

Von 3,8 Prozent und dem vorübergehenden Verschwinden von der politischen Bühne auf vermutlich über 14 Prozent: Die Grünen können sich mit Recht als zweiter großer Wahlsieger fühlen – und damit rechnen, von der ÖVP als Koalitionspartner umworben zu werden. Eine schwarz-grüne Mandatsmehrheit im Parlament steht praktisch fest.

Das Comeback der Grünen bei der Wahl am Sonntag fiel eindrucksvoll aus: Nach ihrem Rausflug aus dem Parlament vor zwei Jahren kommen sie nun den Hochrechnungen zufolge auf ihr bundesweites Rekordergebnis von über 14 Prozent. „Es ist ein historischer Abend für die österreichischen Grünen“, kommentierte Wahlkampfleiter Thimo Fiesel. „Das ist das größte politische Comeback der Zweiten Republik.“

Man werde nun ausgiebig feiern, alles weitere werde sich in den kommenden Wochen erst zeigen. Bezüglich möglicher Koalition gab sich Fiesel zurückhaltend. In erster Linie sei nun die ÖVP unter Sebastian Kurz am Zug. An den inhaltlichen Differenzen mit Kurz habe sich aber nichts geändert. Allerdings bemerkenswert: Im Wahlkampf hatten die Grünen keine expliziten Koalitionsbedingungen gestellt.

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Spitzenkandidat Werner Kogler in der Wahlzentrale der Grünen im Metropol
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Mit rund 14 Prozent und einem Plus von über zehn Prozent gegenüber 2017 schafften die Grünen souverän den Wiedereinzug
Grüne tanzen im Metropol
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Am Abend wurde erleichtert das Tanzbein geschwungen
Spitzenkandidat Werner Kogler in der Wahlzentrale der Grünen im Metropol
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Mit Riesenjubel wurde Spitzenkandidat Werner Kogler in der Wahlzentrale der Grünen im Wiener Metropol empfangen
Grüne im Wiener Metropol
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Im Vorfeld war die Anspannung sichtbar noch groß gewesen
Jubel nach der ersten Hochrechnung in der Wahlzentrale der Grünen im Metropol
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Daran, dass Grün wieder ins Parlament kommt, bestand zuletzt wenig Zweifel – das Ergebnis sorgte dennoch für Verblüffung
Jubel nach der ersten Hochrechnung in der Wahlzentrale der Grünen im Metropol
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Im gut gefüllten Metropol feierten Anhängerinnen und Anhänger der Partei das Comeback
Wahlparty der Grünen
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Schon früh füllte sich auch die Tanzfläche
Essen in einem Buffet in der Wahlzentrale der Grünen
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Mit veganem Essen wurden die Wahlhelferinnen und Wahlhelfer belohnt – anders als in den dürren Jahren zuvor wieder auf Kosten der Grünen

Skeptisch zu Kooperation mit ÖVP

Das werde sich vorerst auch nicht ändern, sagte Spitzenkandidat Werner Kogler in einer ersten Reaktion. Einen Auftrag zur Regierungsbildung sieht er in dem guten Ergebnis nicht unbedingt. Vielmehr gelte es nun, die Nationalratsarbeit mit vermutlich 27 neuen Mandataren wieder aufzubauen. Zu Gesprächen bezüglich Gemeinsamkeiten mit der ÖVP – gemeinsam kommen die beiden Parteien auf eine Mandatsmehrheit im Parlament – zeigte er sich skeptisch: „Alle die, die die christlichen Grundsätze verschüttet haben, vielleicht graben sie.“

Die Grünen wollten jedenfalls das „strengste Transparenz- und Parteiengesetz in Europa“. Fraglich sei, wie die ÖVP auf eine solche Initiative reagiere: „Dann werden wir ja sehen, wie sich die Sektenmitglieder des Kanzlerdarstellers verhalten.“ Später zeigte er sich gemäßigter: Man nehme den Auftrag der Wähler – „egal an welcher Stelle“ – jedenfalls an, so Kogler. Die Devise laute „immer schön am Boden bleiben“. Kogler: „Von diesem Boden werden wir versuchen, Speerspitze in Europa zu sein für eine gerechtere und ökologischere Welt. Das ist ja schon was.“

Erstes Statement von Kogler

Spitzenkandidat Kogler ist zu einer Koalitionsbeteiligung noch zurückhaltend.

„Das Comeback ist gelungen“, jubelte auch die Wiener Vizebürgermeisterin Birgit Hebein und sprach gegenüber ORF.at von einem „sensationellen Ergebnis“. Auf die Frage, was das Wahlergebnis für die Wien-Wahl 2020 bedeutet, gab sich Hebein zurückhaltend. Es gebe eine aufrechte Koalition, und es werde für Wien weitergearbeitet.

Im Bund sollten nun ernsthafte Sondierungsgespräche geführt werden – fraglich sei aber, ob es einen Sinn hat: „Ob Kurz umdenken kann oder ob er seinen eingeschlagenen Weg fortsetzt.“ Bis zuletzt hätte der ÖVP-Chef nämlich noch gemeint, er hätte gerne eine Mitte-rechts-Regierung. „Eine Mitte-rechts-Koalition mit den Grünen wird sich nicht ausgehen“, sagte Hebein.

Zu verdanken haben die Grünen ihre Wiederauferstehung nicht nur dem weltweit wachsenden Interesse am Klimaschutz, sondern eben auch Kogler. Als die Grünen bei der Nationalratswahl am 15. Oktober 2017 auf 3,8 Prozent abstürzten, opferte Kogler sich, verzichtete ein Jahr auf ein Gehalt und versuchte zu retten, was noch möglich war. Kogler sorgte für die Fokussierung auf die Themen Ökologie und Gerechtigkeit und erzwang eine Öffnung der oft lernresistenten Funktionärspartei.

Unfreiwillig an die Spitze

Für Kogler war die Rolle an der Spitze neu, dort hingezogen hatte es ihn vormals nicht. Bei seinem ersten eher unwilligen Versuch als Spitzenkandidat bei der steirischen Landtagswahl 2010 hatte er nicht reüssieren können. Die EU-Wahl am 26. Mai, bei der die Grünen 14,1 Prozent erreichten, zeigte allerdings, dass Kogler öffentlich gut ankam – vorgesehen war ein Wechsel des Spitzenkandidaten nach Brüssel.

Der „Ibiza-Skandal“ schwemmte die ÖVP-FPÖ-Regierung zu dieser Zeit allerdings weg und erforderte ein Verbleib von Kogler als Wahlkämpfer in Wien. Das war klar, da die der Partei von ihm verordnete Verjüngung noch keine breit bekannten Persönlichkeiten hervorgebracht hatte. Der Weg ins Parlament wird für den 57-Jährigen kein ungewohnter sein. Schon 1994 heuerte er im Klub der Grünen als Referent an, 1999 wurde er zum Abgeordneten und hatte sein Mandat ohne Unterbrechung bis zum unfreiwilligen Auszug 2017.

Rekord im Dauerreden

Einen Namen machte sich der Steirer speziell bei U-Ausschüssen, wobei jener zur Hypo ihm das meiste Prestige brachte. Ins parlamentarische Geschichtsbuch schrieb er sich, als er im Budgetausschuss zu einer zwölf Stunden und 42 Minuten dauernde Filibusterrede gegen den Budgetvoranschlag der Regierung antrat, die er mit den Worten „Das ist eigentlich schon alles, was ich sagen wollte“ beendete.