Sebastian Kurz und Norbert Hofer blicken nebeneinader stehend in unterschiedliche Richtungen
APA/Helmut Fohringer
Kurz-Triumph und FPÖ-Absturz

Wahlergebnis lässt viel Koalitionsspielraum

Die Nationalratswahl ist geschlagen, die Sieger und Verlierer stehen fest. Klare Nummer eins wurde mit deutlichen Zugewinnen die ÖVP mit Spitzenkandidat Sebastian Kurz. Er wird von Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten – und angesichts des Wahlergebnisses stehen ihm zumindest rechnerisch mehrere Varianten offen.

Laut Ergebnis inklusive Briefwahlprognose kommt die ÖVP auf gut 37 Prozent. Die Grünen schaffen mit 14 Prozent und einem Plus von über zehn Prozent den Wiedereinzug in den Nationalrat. Die SPÖ fährt hingegen mit unter 22 Prozent ihr historisch schlechtestes Ergebnis bei einer Bundeswahl ein, bleibt aber auf dem zweiten Platz vor der FPÖ, die auf gut 16 Prozent abstürzt.

Ergebnis inklusive Briefwahlprognose
ORF/SORA

NEOS legt leicht zu und erreicht 7,8 Prozent, JETZT erhält beim zweiten Antreten nur noch zwei Prozent und verfehlt den Einzug in den Nationalrat. Ebenfalls nicht im Nationalrat vertreten werden die KPÖ (0,7 Prozent) und Wandel (0,4 Prozent) sein. Die Wahlbeteiligung lag laut Ergebnis inklusive Briefwahlprognose bei knapp über 75 Prozent. 2017 waren 80 Prozent der Wahlberechtigten zu den Urnen gegangen.

Drei Zweierkoalitionen möglich

Dementsprechend liegen drei Zweierkoalitionen im Bereich des Möglichen: jeweils die ÖVP mit SPÖ, FPÖ oder Grünen. Wahlsieger Kurz ließ sich am Sonntag nicht in die Karten blicken, was außer Gesprächen mit allen Parteien er zu tun gedenkt.

Grafik zu den Koalitionsvarianten
Grafik: ORF.at; Quelle: ORF/SORA

Ebenfalls bedeckt bis ablehnend hielten sich die Parteichefs der potenziellen Partner. Der grüne Bundessprecher Werner Kogler sagte, jetzt gehe es einmal um Gespräche über die Sinnhaftigkeit, überhaupt an Verhandlungen zu denken. Dann müsste sich jedenfalls etwas radikal ändern gegenüber dem türkis-blauen Kurs. Insbesondere in der Umweltpolitik, bei der Bekämpfung der Korruption und der Armut müsse sich etwas ändern, sagte Kogler im ORF-Interview.

Sebastian Kurz mit Anhängern
ORF.at/Christian Öser
Wahlsieger Kurz stehen schwierige Koalitionsverhandlungen bevor

SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner möchte einmal Schnittmengen orten, muss sich aber zunächst mit dem historisch schlechtesten Ergebnis der Sozialdemokratie auseinandersetzen. Rendi-Wagner kündigte an, trotz der schweren Wahlniederlage weiterzumachen. „Heute ist eine Zwischenstation, der Weg geht weiter.“ Infrage gestellt wurde die Vorsitzende am Sonntag nicht, Wiens Bürgermeister Michael Ludwig schloss personelle Konsequenzen gar aus. Doch gibt es Landesorganisationen wie jene im Burgenland, in Niederösterreich und Tirol, wo man zumindest strategisch neue Wege zu gehen wünscht.

FPÖ ablehnend zu ÖVP-Blau-Neuauflage

In der FPÖ hieß es am Wahlabend Nein zu einer Neuauflage von ÖVP-Blau. Parteichef Norbert Hofer avisierte, dass sich die Freiheitlichen auf die Opposition vorbereiten werden. Sämtliche Landesspitzen hatten davor bereits diese Linie vorgegeben. Personelle Konsequenzen wurden nicht gefordert, Hofer will denn auch ebenso wie der geschäftsführende Klubchef Herbert Kickl weitermachen.

Für NEOS ginge sich ausschließlich die Beteiligung an einer Dreierkoalition aus. Parteichefin Beate Meinl-Reisinger sagte am Sonntag jedoch, sie habe das Gefühl, dass die Zukunftsaufgabe ihrer Partei die Oppositionsarbeit sein werde.

Spitzenkandidaten- und kandidatinnen im Interviews
APA/AFP/Joe Klamar
Nach teils sehr angriffigem Wahlkampf gaben sich alle Spitzenkandidatinnen und -kandidaten am Wahltag deutlich sanfter

Gremienberatungen starten am Montag

Die parteiinternen Beratungen starten Anfang der Woche. Die Gremien von SPÖ, NEOS und JETZT treten bereits am Montag zusammen, jene von ÖVP, FPÖ und Grünen folgen am Dienstag. Während die ÖVP nach ihrem triumphalen Ergebnis wohl auch schon künftige Koalitionsoptionen besprechen dürfte, wird sich die FPÖ nicht nur mit ihren Verlusten, sondern auch mit dem weiteren Umgang mit Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache nach dessen Spesenaffäre beschäftigen.

Erfreulicheres haben die Grünen zu besprechen, die nach ihrem Rekordergebnis vom Sonntag ebenfalls am Dienstag die weiteren Schritte erörtern werden.

Die Spitzenkandidaten über das Wahlergebnis

Nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses diskutierten die Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten unter der Leitung von Claudia Reiterer in „Im Zentrum Spezial“.

Kanzlerin Bierlein bleibt vorerst im Amt

Bundespräsident Alexander Van der Bellen kündigte für die kommende Woche Gespräche mit den Nationalratsparteien an. Die Übergangsregierung von Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein wird dem Staatsoberhaupt routinegemäß ihren Rücktritt anbieten. Van der Bellen wird die Regierungschefin und die Minister mit der Fortführung der Amtsgeschäfte betrauen, bis eine neue Regierung gefunden ist. Im Anschluss daran dürfte der Präsident in einem nächsten Schritt die Parteichefs der Parlamentsparteien zu ersten Gesprächen einladen.