Zerrissenes FPÖ-EU-Wahlplakat mit HC Strache
APA/Harald Schneider
FPÖ und Strache

Zeichen stehen auf Bruch

Nach dem Debakel bei der Nationalratswahl will sich die FPÖ neu aufstellen. Die zentrale Frage dabei lautet: Wie umgehen mit dem über die „Ibiza-Affäre“ gestolperten und durch eine Spesenaffäre belasteten Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache? Am Dienstag tagen die Parteigremien – und vieles deutet darauf hin, dass die Freiheitlichen mit ihrem ehemaligen Obmann brechen werden.

Noch wenige Tage vor der Wahl waren Fachleute von einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPÖ und FPÖ um Platz zwei ausgegangen. Dann wurden mutmaßliche Unregelmäßigkeiten in den Spesenabrechnungen von Ex-Parteichef Strache bekannt. Am Wahlsonntag wurde es nichts mit dem Kampf um Platz zwei – im Gegenteil: Die FPÖ verlor fast zehn Prozent und erlitt ihre größte Wahlschlappe nach 2002. „Es war ein unfassbar schwieriger Wahlkampf“, resümierte Parteiobmann Norbert Hofer bei der Wahlparty der FPÖ in der Wiener Prater Alm. „Wir haben alle einen Rucksack zu tragen gehabt, und jeden Tag ist ein weiterer Stein in den Rucksack hineingelegt worden.“

Wer der Partei die „Steine“ in den „Rucksack“ gelegt hat, sagte Hofer nicht. Viele in der Partei und der Basis dürften aber einen konkreten Verdacht haben. Am Tag nach der Wahl wuchs jedenfalls die parteiinterne Kritik an Ex-Obmann Strache: „Hätte Strache nach Ibiza das Gleiche getan wie Gudenus, wäre uns das erspart geblieben“, sagte der niederösterreichische FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl. Gudenus war direkt nach „Ibiza“ aus der Partei ausgetreten und hatte sich im Wahlkampf nicht zu Wort gemeldet.

Rufe nach Parteiausschluss Straches

Der steirische Parteichef Mario Kunasek sprach sich als Erster offen für den Parteiausschluss Straches aus, sollten sich die Vorwürfe in der Spesenaffäre erhärten. „Wenn das stimmt, sehe ich keine andere Möglichkeit. So leid es mir tut.“

Philippa und Heinz-Christian Strache
GEPA/Walter Luger
Heinz-Christian Strache und Ehefrau Philippa: Die Rufe nach Konsequenzen für den Ex-Parteichef werden in der FPÖ lauter

Der Spitzenkandidat der steirischen FPÖ, Hannes Amesbauer, erwartete, dass Strache nach dem Wahldebakel selbst Konsequenzen zieht: „Man muss schon fairerweise sagen, auch für H. C. Strache gilt die Unschuldsvermutung, und die Sachen gehören natürlich geprüft. Aber wenn sie mich nach meiner persönlichen Meinung fragen, wäre es das Beste, wenn H. C. Strache in sich geht und von sich aus die Mitgliedschaft bei der Freiheitlichen Partei zurücklegt, also austritt“ – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Noch deutlichere Worte wählte Montagnachmittag Vorarlbergs FPÖ-Chef Christof Bitschi. Durch das inakzeptable Verhalten von Strache sei der FPÖ und dem Land großer Schaden zugefügt worden, erklärte Bitschi gegenüber dem ORF-Landesstudio Vorarlberg. Es brauche nun einen systematischen Neustart und einen Weg der Erneuerung. Diesen könne man aber nur gehen, wenn Strache aus der Partei ausgeschlossen werde. Es müsse klar sein, dass mit Parteigeldern verantwortungsvoll umgegangen werde, sagte Bitschi – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at. Parteiobmann Hofer wollte sich am Wahlabend nicht zu einem möglichen Parteiausschluss Straches äußern. „Es ist heute nicht der Tag, wo man solchen Dingen nachgeht“, sagte Hofer, der sich für eine Neuaufstellung der Partei aussprach: „Es wird eine modernere Partei, lassen Sie sich überraschen.“

Rumoren auf Straches Facebook-Seite

Auch auf Straches privater Facebook-Seite rumorte es. Zahlreiche Wählerinnen und Wähler der FPÖ machten ihrem Unmut über den Wahlausgang Luft – und äußerten scharfe Kritik an Strache. „Gratuliere Sie und Gudenus haben die Partei fast zerstört und es ist wie immer die Gier nach Macht und noch mehr Macht und Geld“, postete eine offensichtlich enttäuschte Wählerin der Freiheitlichen. „Sei endlich mal ruhig für längere Zeit“, schrieb ein anderer Poster dem ehemaligen Parteiobmann. Ein weiterer riet Strache, zu „schauen, dass er sein Leben in den Griff bekommt“.

Facebook-Kommentare auf der Facebook-Seite von HC Strache
Screenshot facebook.com

Strache teilte am Wahlabend eine Videobotschaft des steirischen FPÖ-Chefs Kunasek. Dazu schrieb er: „Richtige Worte… Ein trauriger Tag… Aber es geht weiter… Danke für Eure Unterstützung und FPÖ-Stimme!“ An der Diskussion unter dem Posting beteiligte sich der Ex-Parteichef selbst. Dabei sprach er neuerlich von einem „kriminell jahrelang aufgebauten Angriff gegen meine Person und die FPÖ“.

Strache sieht „Anbiederung an ÖVP“ kritisch

Zudem übte er Kritik an seinem Nachfolger Hofer. Auf die Anmerkung eines Posters, „Sie haben die FPÖ groß gemacht und gleichzeitig zerstört und ein Norbert Hofer soll jetzt in kürzester Zeit alles wieder gut machen“, antwortete Strache: „Ob nicht die Anbiederung an die ÖVP und die fehlende Verteidigung bei den miesen Angriffen und Verleumdungen gegen meine Person vielen Bürgern missfallen hat!“

Laute Kritik an Strache aus der FPÖ

Nach dem Wahldebakel wird die Kritik an dem wegen des „Ibiza-Skandals“ zurückgetretenen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache lauter.

Anders als SPÖ-Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner hat die FPÖ im Wahlkampf nicht den Anspruch auf Platz eins gestellt. Stattdessen warb man offensiv für eine Fortsetzung der am „Ibiza-Skandal“ zerbrochenen Koalition mit der ÖVP.

Philippa Strache will Mandat nicht annehmen

Unklar ist unterdessen, ob Straches Ehefrau Philippa den Einzug ins Hohe Haus schafft – und ob sie das Mandat im Falle des Falles überhaupt annimmt. Strache war Drittgereihte auf der Wiener Landesliste. Laut einem Bericht der Tageszeitung „Österreich“ (Onlineausgabe) soll sie intern bereits den Verzicht auf ihren Sitz im Nationalrat angekündigt haben. Als Grund habe sie die „immer stärkeren Anfeindungen gegen ihren Mann“ genannt, berichtete das Blatt – mehr dazu in wien.ORF.at.

Politologe: „Kein Mittelweg“ für FPÖ möglich

Im Umgang mit Strache sei es für die FPÖ nun notwendig, „einen klaren Strich zu ziehen oder eine Versöhnung herbeizuführen“, sagt der Wahlforscher Jakob-Moritz Eberl von der Uni Wien gegenüber ORF.at, „ein Mittelweg ist unmöglich.“ Nachsatz: „Es schaut nach einem blauen Strich aus.“ Die FPÖ werde nicht das Risiko eingehen, Strache zu halten. Und auch auf „persönlicher Ebene“ dürfte „einiges zu Bruch gegangen sein“ zwischen Strache, Hofer und FPÖ-Klubchef Herbert Kickl.

Die Zukunft Straches in der FPÖ

Die FPÖ habe sich mit einem Bruch mit Strache ob dessen Beliebtheit vor der Wahl zurückgehalten – das sei nun vorbei, so ORF-Reporter Thomas Langpaul.

„Die Häufung der Skandale hat das Fass zum Überlaufen gebracht“, so Eberl. Besonders die wenige Tage vor der Wahl publik gewordene Spesenaffäre um Strache und seine Ehefrau hätte viele Wählerinnen und Wähler der FPÖ verunsichert, so Eberl. Eine Viertelmillion von ihnen blieb am Sonntag zu Hause. „Die FPÖ hat den Mobilisierungskampf verloren“, sagt Eberl.

Auch für den Politikexperten Thomas Hofer deutet viel darauf hin, dass die FPÖ „diesen Schnitt macht. Denn Strache ist und war schon im Wahlkampf ein massiver Unruheherd“, sagte er dem ORF-Landesstudio Wien. Trete Strache mit einer eigenen Liste bei der Wien-Wahl im kommenden Jahr an, „wäre das noch einmal der Mega-GAU aus Sicht der FPÖ“, sagte Hofer – mehr dazu in wien.ORF.at.