SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner und der neue Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch
APA/Robert Jaeger
SPÖ-Wahldebakel

Entscheidung für Deutsch sorgt für Unmut

Die Sitzung des SPÖ-Parteivorstands am Montag ist offenbar äußerst kontrovers verlaufen. Die Entscheidung, Wahlkampfmanager Christian Deutsch zum Bundesgeschäftsführer zu machen, traf nicht bei allen auf Gegenliebe. Die Jugendorganisationen zogen von der Sitzung aus Protest vorzeitig ab. Sie fordern eine umfassende Neuaufstellung der Partei – „und keine unüberlegten Schnellschüsse“.

Dass die Sitzung des Vorstands am Tag nach dem Wahldebakel anders als erwartet ablief, darauf ließ schon die Dauer schließen. Mit fast einer Stunde Verspätung trat SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner anschließend vor die Presse und bestätigte, dass Wahlkampfleiter Deutsch neuer Bundesgeschäftsführer der SPÖ wird. Thomas Drozda hatte zuvor den Posten aufgegeben – ohne Druck durch Rendi-Wagner, wie er betonte.

Rendi-Wagner dankte Drozda für „Engagement und Expertise“. Sie nehme seinen Rücktritt „mit Bedauern zur Kenntnis“. Mit dem Wahlergebnis, dem schlechtesten der Geschichte der SPÖ, könne man nicht zufrieden sein, sagte Rendi-Wagner. Doch der von Deutsch geleitete Wahlkampf sei sehr gut, sauber und strukturiert gewesen. Deutsch habe Kenntnis über Parteistruktur und Parteileben und genieße zu hundert Prozent ihr Vertrauen. Zudem sei die thematische Ausrichtung der SPÖ richtig. Die SPÖ brauche aber eine „zeitgemäße Modernisierung“, so die Parteichefin.

Protest gegen „sinnlose Diskussion“

Über die Art und Ausgestaltung dieser Modernisierung gibt es in der SPÖ aber offenbar deutliche Differenzen. Dass die SPÖ nach dem Debakel vom Sonntag, die Deutsch als Wahlkampfleiter mitzuverantworten hat, keine weiteren Konsequenzen vornehme, sorgte für Ärger – innerhalb und außerhalb der Partei. Der Kommunikationsberater Rudolf Fußi postete etwa ein Video von sich mit einer Wutrede über den Zustand der SPÖ. Er nannte Deutsch einen „Super-Apparatschik“. Der SPÖ glaube niemand ein Wort mehr.

VAE NR19 Wahl
SORA/ORF

Die Jugendorganisationen gaben via Twitter bekannt, man habe am Montag die SPÖ-Vorstandssitzung aus Protest vorzeitig verlassen. „Es braucht eine umfassende organisatorische, strukturelle und personelle Neuaufstellung und keine unüberlegten Schnellschüsse“, hieß es. Auch die Vorsitzende der Sozialistischen Jugend, Julia Herr, twitterte, sie habe die Vorstandssitzung verlassen, „weil sinnlose Diskussion“.

Krise in der SPÖ

Am Montag tagten die höchsten SPÖ-Gremien. Die erste Konsequenz: Der schwer unter Druck geratene SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda zieht sich zurück.

Hitzige Debatte

Ein Bericht des „Kurier“ über den Verlauf der Sitzung und dort angeblich gefallene Wortmeldungen, insbesondere von Julia Herr und Doris Bures, wurden am Dienstag gegenüber ORF.at von beiden dementiert. Sie wisse nicht, wie der „Kurier“ zu dem „Spin“ gekommen sei, sie hätte sich darüber empört, kein Mandat zu bekommen. Die Debatte war freilich hitzig. Den jungen Funktionärinnen und Funktionären hatte Rendi-Wagner bei der anschließenden Pressekonferenz lediglich einen „Strukturanpassungsprozess“ anzubieten. Eingebunden würden alle Teile der Partei. „Wir dürfen so gut wie keinen Tag verlieren, wenn es um die Zukunftsfitness der Sozialdemokratie geht.“

Lob und Tadel für Rendi-Wagner

Viele Parteigranden hatten sich am Montag hinter Rendi-Wagner gestellt. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig meinte etwa, Rendi-Wagner bleibe „natürlich“. Sie habe sich im Wahlkampf stark gesteigert. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser lobte ihr Engagement im Wahlkampf. Es gab aber auch Misstöne aus den Ländern. Vor allem die steirische SPÖ ist vor der Landtagswahl im November um Abgrenzung bemüht – so distanzierte sich Landeschef Michael Schickhofer am Montag von der Bundes-SPÖ. Er will sich bis auf Weiteres aus Präsidium und Vorstand der Bundes-SPÖ zurückziehen – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Debatte über Dornauer

Der Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer kritisierte die Performance der SPÖ in letzter Zeit: „Zu sagen, dass der Sebastian Kurz ganz ein Schlimmer ist, wird zu wenig sein.“ Rendi-Wagner wollte er nicht infrage stellen. Sie habe sich im Wahlkampf „bemüht“. Dennoch ließ er Zweifel durchscheinen, ob sie die richtige Wahl für diesen Urnengang war, zumindest wenn es das Ziel gewesen sei, Wähler von der FPÖ zurückzuholen: „Der klassische FPÖ-Wähler wählt keine Frau mit Doppelnamen“, so Dornauer – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Dornauer fordert Erneuerung der SPÖ

Tirols SPÖ-Chef Georg Dornauer hat seine eigene Partei inhaltlich kritisiert. Es sei zu wenig gelungen, unzufriedene FPÖ-Wähler zur SPÖ zu holen.

Am Abend relativierte Dornauer seinen Sager in der ZIB2. Diese Aussage sei beim Doorstep gefallen, als ihn eine Vielzahl von Journalisten befragt habe, wieso es der SPÖ nicht gelungen sei, Wähler von der FPÖ zurückzuholen. „Ich habe das ausführlich argumentiert. Von der fehlenden Erklärung des Misstrauensvotums, das sinnvoll gewesen ist, bis wenn Unappetitlichkeiten vom rechts-rechten Rand von hochrangigen Funktionären der FPÖ passieren. Dass dieser klassische Stammwähler nicht links der Mitte zu uns wechselt, sondern in seinem Schockkonservatismus womöglich die FPÖ weiter wählt oder zu Hause bleibt, oder eben die ÖVP.“

Politikberater Hofer über die SPÖ am Tiefpunkt

Politikberater Thomas Hofer spricht von chaotischen Zuständen in der SPÖ. Die personellen Konsequenzen nach der Wahl seien noch keine Neuausrichtung, so Hofer.

Die SPÖ brauche keine neue Vorsitzende, Rendi-Wagner sei eine moderne, fortschrittlich denkende Frau, so Dornauer. Die Partei müsse nun aber inhaltliche Themen fortführen und alle gesellschaftspolitischen Themen ansprechen, um wieder Erfolge feiern zu können.

„Absurd“ nannte am Montagabend im ORF-„Report Spezial“ der Politikwissenschafter Thomas Hofer die Aussagen Dornauers über FPÖ-Wähler und Doppelnamen. Dass „mäßig erfolgreiche“ Landesparteichefs solche Zitate lieferten, „daran sieht man auch wieder die chaotischen Zustände in der SPÖ“, so Hofer. „Das lässt tief blicken, auch was die Autorität in der Chefetage der Partei betrifft.“