Leere Sitze im Ausweichquartier des österreichischen Parlaments
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Herr, Strache und Co.

Große Rochaden im Nationalrat

Nach dem endgültigen Wahlergebnis steht der künftige Nationalrat so gut wie fest. Doch welcher bzw. welche Abgeordnete am Ende einen Platz bekommt, hängt nicht zuletzt auch von taktischen Überlegungen ab. Durch Umreihungen und Verzichtserklärungen kann der eine oder die andere noch zum Zug kommen. Eine große Rochade ist aber schon fix.

Die restlichen Briefwahl- und Wahlkartenstimmen, die am Donnerstag noch ausgezählt wurden, haben an der Mandatsverteilung nichts mehr geändert. Für die ÖVP ziehen 71 Abgeordnete (plus neun im Vergleich zu 2017) in den Nationalrat, für die SPÖ 40 (minus zwölf), für die FPÖ 31 (minus 20) und für NEOS 15 (plus fünf). Nach zweijähriger Abstinenz werden sich wieder Grün-Politiker und Politikerinnen im Nationalrat tummeln – insgesamt 26, was ein Plus von 26 ist.

Mit Bundessprecher Werner Kogler und Sigrid Maurer sind allerdings nur zwei Abgeordnete aus alten Zeiten wieder dabei. Ewa Ernst-Dziedzic und David Stögmüller waren zuvor in dem von den Ländern beschickten Bundesrat tätig, und Michel Reimon war bis vor Kurzem EU-Parlamentarier. Alma Zadic bleibt im Nationalrat, wechselt aber die Reihen, sie saß in der vergangenen Periode für JETZT im Nationalrat. Außerdem zieht für die Grünen auch Eva Blimlinger, Ex-Rektorin der Universität für Bildende Künste Wien, ins Hohe Haus ein.

Mandate VAE NR19 Wahl
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NEOS mit neuen Gesichtern, ÖVP mit Fragezeichen

Bei NEOS haben sich alle bisherigen Abgeordneten, die auch wieder angetreten sind, für einen Nationalratssitz qualifiziert. Künftig fehlen werden Irmgard Griss (keine Kandidatur) und Claudia Gamon (seit Mai im EU-Parlament). Unter die erfahrenen Parlamentarier mischen sich sieben neue Mandatare und Mandatarinnen. Der bekannteste Neuling ist der frühere „Kurier“-Herausgeber Helmut Brandstätter. Dass sich an der Besetzung noch was ändern wird, darf bezweifelt werden. Denn NEOS veröffentlichte bereits ein Foto der neuen Abgeordneten.

Über ein Plus an Abgeordneten kann sich auch die ÖVP freuen. Wobei hier über die künftige Zusammensetzung noch spekuliert werden darf. ÖVP-Chef Sebastian Kurz wird wohl seinen Platz im Nationalrat mit der Regierungsbank tauschen. Seine früheren Ex-Minister und -Ministerinnen Josef Moser, Gernot Blümel, Juliane Bogner-Strauß, Margarete Schramböck und Elisabeth Köstinger zogen in den Nationalrat ein, könnten es Kurz aber gleichtun. Und: ÖVP-Wien-Chef Blümel tritt 2020 ohnehin bei der Wien-Wahl als ÖVP-Spitzenkandidat an.

Rudolf Taschner
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Rudolf Taschner war seit 2017 Nationalratsabgeordneter, 2019 kandidierte er auf einem aussichtslosen Platz

Die Frage ist aber: Wer hat den Einzug bei der ÖVP nicht geschafft? Der Mathematiker Rudolf Taschner, der 2017 als Quereinsteiger präsentiert wurde, hatte dieses Mal das Nachsehen. Efgani Dönmez – der Ex-Grüne trat 2017 für die ÖVP an, wurde aber wegen eines sexistischen Tweets aus der Partei ausgeschlossen – kandidierte nicht mehr. Der seit 1999 im Nationalrat sitzende Nikolaus Prinz schaffte es hingegen doch noch – aber nur, weil Andrea Holzner auf ihr Direktmandat verzichtete. Der Tiroler Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Hechenberger zieht zum ersten Mal ins Parlament ein – dank seiner Vorzugsstimmen.

Viele Abgänge bei SPÖ, Herr bekommt Mandat

Bei den Sozialdemokraten müssen viele Mandatare und Mandatarinnen ihre Schreibtischschubladen räumen. Unter anderem muss mit Muna Duzdar (SPÖ) eine ehemalige Staatssekretärin (unter Bundeskanzler Christian Kern) das Hohe Haus verlassen. Ebenfalls nicht im künftigen Nationalrat sind Sicherheitssprecherin Angela Lueger, der ehemalige Bundesrat Mario Lindner und Peter Wittmann, langjähriger Verfassungssprecher der SPÖ.

Julia Herr
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Julia Herr hat es doch noch geschafft: Über die SPÖ-Bundesliste kommt sie in den Nationalrat

Ein kurzes Gastspiel im Hohen Haus war es für den früheren niederösterreichischen Landesrat Maurice Androsch sowie für die Bürgermeisterin von Altmünster, Elisabeth Feichtinger. Beide waren seit 2017 Nationalratsabgeordnete. Außerdem verabschieden sich noch Hermann Krist und Walter Bacher, der auf der Salzburger Landesliste auf Platz zwei gereiht war. Die SPÖ erreichte hier nur ein Mandat. Mit mehr als 20 Jahren Parlamentserfahrung verabschiedete sich das SPÖ-Urgestein Hannes Jarolim schon vor der Wahl. Er trat nicht mehr an.

Der ehemalige SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher schaffte es über ein Direktmandat (Obersteiermark) in den Nationalrat. Bis zuletzt musste die Chefin der Sozialistischen Jugend (SJ), Julia Herr, um ihr Mandat bangen. Nach Auszählung der restlichen Stimmen am Donnerstag ist ihr Einzug nun fix. Grund dafür ist, dass die SPÖ in Wien ein Landesmandat verlor, auf Bundesebene allerdings von vier auf fünf Sitzplätze gekommen ist. Statt Herr rutscht nun Barbara Teiber, Vorsitzende der größten Einzelgewerkschaft GPA, aus dem Nationalrat – mehr dazu in wien.ORF.at.

Strache muss noch hoffen

Auch in den Reihen der FPÖ werden bekannte Gesichter nicht mehr zu sehen sein. Dazu gehören etwa Christian Höbart und Frauen-Chefin Carmen Schimanek. Über Kärntner Listen schafften Maximilian Linder und Wendelin Mölzer den Einzug dieses Mal nicht. Weichen muss auch der frühere BZÖ- und Team-Stronach-Politiker Robert Lugar. Zur Wahl traten Anneliese Kitzmüller, bisherige Dritte Nationalratspräsidentin, und Werner Neubauer nicht mehr an. Und der Ex-FPÖ-Abgeordnete David Lasar hat die Partei verlassen und kandidierte nicht mehr.

Interessant werden wohl noch die parteiinternen Überlegungen zu Philippa Strache. Die Ehefrau des ehemaligen Parteichefs Heinz-Christian könnte über die Wiener Landesliste ins Parlament einziehen. Dafür müsste der vor ihr gereihte Harald Stefan sein Wahlkreismandat in Wien-Süd annehmen. Würde Stefan über die Landesliste einziehen, würde Strache hingegen leer ausgehen. Die Wiener FPÖ will noch abwarten, ob sie überhaupt ihr Mandat annehmen will. Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger sprach sich gegen eine Abgeordnete Strache aus.

Philippa Strache
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Wenn Harald Stefan sein Direktmandat annimmt, sitzt Philippa Strache – sofern sie will – im nächsten Nationalrat

Bereits vor der Wahl war klar, dass Ex-Verteidigungsminister Mario Kunasek nicht mehr als Abgeordneter zur Verfügung stehen wird. Deshalb rangierte er auf den hintersten Listenplätzen, quasi als seelische Unterstützung für die FPÖ. Im Wahlkreis Graz und Umgebung übersprang er aber die Hürde für eine Vorreihung (14 Prozent der Parteistimmen im betreffenden Wahlkreis). Er hätte nun Anspruch auf das Direktmandat. Annehmen wird er es aber nicht, er will sich auf die Landtagswahl in der Steiermark konzentrieren.

JETZT-Fraktion verabschiedet sich

Abschiednehmen von der Bundespolitik heißt es vorerst für Peter Pilz. Der seit 1999 durchgehend im Nationalrat sitzende Politiker schaffte dieses Mal den Sprung ins Parlament nicht mehr. 2017 erreichte er mit seiner eigenen Liste Pilz (danach JETZT) noch acht Mandate, zwei Jahre später waren es null. Auch seine Kollegen und Kolleginnen müssen bzw. wollten gehen.

Peter Pilz
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Nach mehr als 20 Jahren im Nationalrat und einigen U-Ausschüssen heißt es nun für Peter Pilz Abschied nehmen

Bruno Rossmann, Wolfgang Zinggl, Alfred Noll und Stephanie Cox haben schon vor der Wahl auf eine Kandidatur verzichtet. Daniela Holzinger-Vogtenhuber – immerhin seit 2013 im Nationalrat (zuerst für SPÖ, dann „wilde“ Mandatarin, dann JETZT) – muss auch ihre Sachen packen. Martha Bißmann, die die JETZT-Fraktion verlassen musste, weil sie ihren Platz nicht für Listengründer Pilz räumen wollte, schien auf keiner Liste mehr auf.