Die Türme des EuGH in Luxemburg
Reuters/Francois Lenoir
Nach Glawischnig-Klage

Facebook muss Hasspostings weltweit löschen

Der Internetriese Facebook kann gezwungen werden, Hasspostings und für rechtswidrig erklärte wort- und sinngleiche Kommentare weltweit zu entfernen. Das geht aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) am Donnerstag hervor. Geklagt hatte die frühere grüne Bundessprecherin Eva Glawischnig, die auf Facebook beschimpft wurde. Kritik am Urteil kommt wenig überraschend von Facebook.

In dem EuGH-Verfahren (C-18/18) geht es um einen Artikel auf einer Facebook-Seite, auf der neben einem Foto Glawischnigs ein Begleittext („Grüne: Mindestsicherung für Flüchtlinge soll bleiben“) veröffentlicht wurde. Auf dieser Facebook-Seite wurden beleidigende Äußerungen gepostet, darunter „miese Volksverräterin“.

Glawischnig verlangte vom US-Konzern, sowohl das Posting weltweit zu löschen als auch sinngleiche, aber anders formulierte Beleidigungen aus dem Netz zu nehmen. Nachdem die unteren Instanzen der ehemaligen Grünen-Chefin weitgehend recht gegeben hatten, leitete der Oberste Gerichtshof (OGH) die Causa an das EU-Höchstgericht weiter. Dieses urteilte, dass das EU-Recht der Verpflichtung zur weltweiten Löschung nicht entgegenstehe.

Etappensieg schon im Juni

Glawischnig – sie arbeitet mittlerweile für den Glücksspielkonzern Novomatic – hatte bereits im Juni einen Etappensieg errungen: Der Generalanwalt des EuGH kam zur Auffassung, dass das EU-Recht eine solche Verfügung nicht verbiete. Auch die Verpflichtung, wortgleiche Beiträge anderer Nutzer zu löschen, sei zulässig.

Die ehemalige Grünen-Chefin Eva Glawischnig im Mai 2017
APA/Georg Hochmuth
Die frühere Bundessprecherin der Grünen, Eva Glawischnig, klagte Facebook und bekam recht

Die Suche nach sinngleichen Beiträgen (und deren Löschung) sollte dem Gutachten zufolge aber auf jenen Nutzer oder jene Nutzerin beschränkt bleiben, der oder die die ursprünglich beanstandete Beleidigung verbreitet hatte.

Glawischnig: „Historisches“ Urteil

In ihrer ersten Reaktion bezeichnete Glawischnig das Urteil als „historisch“. „Das ist ein historischer Erfolg für den Persönlichkeitsschutz gegen Internetgiganten“, sagte sie. Das Urteil biete eine klare Hilfestellung für alle Menschen, die beleidigt würden oder über die Übles geschrieben werde. Diese Menschen wollten nämlich vor allem eine schnelle Löschung der entsprechenden Einträge.

Historisch sei auch, dass die EU-Richter und EU-Richterinnen eine weltweite Löschung nicht verwehrten. In Österreich seien solche Hasspostings zwar geblockt worden, aber durch Umwege über andere Länder noch immer im Netz. Freilich müsse man sich die Durchsetzbarkeit einer weltweiten Verfügung noch anschauen, so Glawischnig. Das Posting, um das es im vorliegenden Verfahren gehe, habe klar gegen österreichisches Recht verstoßen. „Es geht nicht um die Einschränkung der Meinungsfreiheit“, betonte sie.

Facebook übt Kritik am Urteil

Während Glawischnig das Urteil begrüßt, äußerte sich Facebook wenig überraschend kritisch dazu. „Dieses Urteil wirft kritische Fragen zur Meinungsfreiheit und zur Rolle auf, die Internetunternehmen beim Monitoring, Interpretieren und Entfernen von Äußerungen, die in einem einzelnen Land illegal sein können, spielen sollen“, sagte eine Facebook-Sprecherin.

„Bei Facebook haben wir bereits gemeinsame Standards, die darlegen, was Menschen auf unserer Plattform teilen können und was nicht“, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme. „Und wir haben ein Verfahren, um Inhalte einzuschränken, falls und wenn sie örtliche Gesetze verletzen. Dieses Urteil geht darüber hinaus.“ Das Urteil untergrabe den langjährigen Grundsatz, das ein Land nicht das Recht habe, seine Gesetze zur Meinungsfreiheit einem anderen Land aufzuerlegen, wird weiter kritisiert.

„Es öffnet auch die Tür für Verpflichtungen, die Internetunternehmen auferlegt werden können, Inhalte proaktiv zu überwachen und dann zu interpretieren, ob das ‚gleichbedeutend‘ mit dem für illegal erklärten Inhalt ist.“ Um das „zurechtzurücken“, müssten die nationalen Gerichte sehr klare Definitionen erstellen, was „identisch“ und „gleichwertig“ in der Praxis bedeute. „Wir hoffen, dass die Gerichte einen angemessenen und maßvollen Ansatz wählen, um eine abschreckende Wirkung auf die Meinungsfreiheit zu verhindern“, sagte die Facebook-Sprecherin.

Glawischnig-Anwältin begrüßt Entscheidung

Ganz anders sieht das Glawischnigs Anwältin, Maria Windhager. Das Urteil sei ein „Meilenstein im Kampf gegen Hass im Netz“. Der EuGH sei nicht nur weitgehend den Schlussanträgen des Generalanwalts gefolgt, sondern sei sogar einen Schritt weitergegangen, sagte Windhager. „Die Durchsetzung von Persönlichkeitsrechten wurde damit deutlich gestärkt.“

Die besonders strittige Frage, ob auch sinngleiche Äußerungen zu entfernen seien, werde vom EUGH „sehr differenziert beantwortet“ und entspreche der Rechtsprechung in Österreich zum Verständnis von sinngleichen Äußerungen. Auch die Klarstellung zur weltweiten Löschungsverpflichtung sei von weitreichender Bedeutung.

„Facebook hat bis dato den inkriminierten Anlassartikel nur in Österreich gesperrt und schon damit laufend gegen die unstrittige einstweilige Verfügung verstoßen“, erklärte Windhager. „Das Urteil ist damit ein voller Erfolg für Eva Glawischnig-Piesczek und die Grünen, die dieses Musterverfahren unterstützen.“

Urteil für Bürgerrechtsorganisation „überbordend“

Für die Bürgerrechtsorganisation epicenter-works ist das EuGH-Urteil jedoch kritischer zu sehen. In einer ersten Stellungnahme verwies die Organisation darauf, dass auch autoritäre Staaten ähnliche Regeln erlassen könnten, die zur Sperrung von Inhalten in Europa führen würden. Außerdem drohe „Over-blocking“ durch automatisierte Filter, was auch Satire treffen könne.

„Die Meinungsfreiheit und die Reichweite der Persönlichkeitsrechte sind in Europa nicht harmonisiert. Hier eine weltweite Anwendbarkeit der Urteile von nationalen Gerichten zu fordern ist aus unserer Sicht überbordend“, heißt es in einer Aussendung. Die Organisation will das Urteil nun eingehend analysieren. „Hochgradig problematisch“ sei insbesondere die Verpflichtung, auch sinngleiche Aussagen zu sperren.

Das muss dem Spruch der EU-Höchstrichter zufolge nämlich möglich sein, ohne die jeweilige Internetplattform zu einer „autonomen Beurteilung“ des Inhalts zu zwingen. Epicenter.works betonte diesbezüglich, dass die automatisierte Erfassung des Kontextes einer Aussage – der ja den Sinn auch einer wortgleichen Äußerung verändern könne – derzeit nicht möglich sei: „Damit droht eine enorme Gefahr des Over-blocking von Inhalten durch Uploadfilter, die etwa Satire oder Remixes, die eigentlich von der Meinungsfreiheit geschützt sein sollten, sperren.“