Anfang Oktober 1769 legte die „Endeavour“ von Cook in Neuseeland an – „entdeckt“ war der Inselstaat zu diesem Zeitpunkt freilich schon länger. Dennoch spielt das Datum in der Geschichte des Landes eine wesentliche Rolle, war es doch das erste Aufeinandertreffen von Maori, den indigenen polynesischen Einwohnern Neuseelands, und Pakeha – den europäischen Siedlern.
Die von der neuseeländischen Regierung finanzierten Veranstaltungen zum Jubiläum wollen das „pazifische Seefahrterbe Neuseelands“ feiern, heißt es auf der offiziellen Seite des Kulturministeriums. Gleichzeitig wird dazu aufgerufen, „ehrliche Gespräche über die Vergangenheit und die Gegenwart“ zu führen, wohl vor allem im Hinblick auf die konfliktgeladene Geschichte.
Großbritannien „bedauert“ Ereignisse im 18. Jahrhundert
Denn bald nach Cooks Landung in der Poverty Bay – am Rande der heutigen Stadt Gisborne – eröffnete Cooks Mannschaft das Feuer auf die Maori. Ein Anführer soll in den ersten Minuten nach der Ankunft erschossen worden sein, weitere acht Maori in den Tagen danach, ehe es zu einer Einigung zwischen Cook und den Einwohnern kam. Erst vor wenigen Tagen äußerte Großbritannien „Bedauern“ über die Ereignisse – eine Entschuldigung gab es bisher nicht.
Premierministerin nimmt an Feiern teil
Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern traf am Wochenende zu den Feierlichkeiten in Gisborne ein, wo über die nächsten Tage mehrere Schiffe – inklusive eines Nachbaus von Cooks „Endeavour“ – einlaufen sollen. Schon am Samstag nahmen mehrere tausend Menschen an den Feiern teil. In der 37.000-Einwohner-Stadt gab es im Vorfeld aber immer wieder Proteste gegen das umstrittene Erbe: Eine Statue des britischen Seefahrers wurde mehrfach mutwillig beschädigt. Sprüche wie „Das ist unser Land“ und „Dieb Pakeha“ waren darauf zu lesen, schreibt der „Guardian“.
Auch Vertreterinnen und Vertreter der Maori sehen die Festlichkeiten kritisch. In einem Interview mit Radio New Zealand sagte Tina Ngata, die sich für die Rechte indigener Völker einsetzt, dass man das Jubiläum als Anlass zum Nachdenken statt zum Feiern sehen sollte. Cook sei „ein Mörder“ gewesen, so Ngata, „er war ein Eindringling und die Vorhut der Expansion des britischen Königreichs“.
Iwi
Ein Iwi, häufig als „Stamm“ übersetzt, ist die größte soziale Einheit der Maori in Neuseeland. Übersetzt bedeutet der Ausdruck „Volk“ oder „Nation“. Iwi spielen heute eine wesentliche Rolle in der Politik Neuseelands.
Bereits vorherige Termine abgesagt
Schon im September kam es zu Auseinandersetzungen wegen des Cook-Schiffs. Die „Endeavour“ hätte in der Region Northland einlaufen sollen, doch das zuständige Ministerium sagte die Feiern ab, nachdem sich Volksgruppenvertreter beschwert hatten. „Er (Cook, Anm.) hat hier nichts entdeckt, und wir wehren uns gegen Ausdrücke wie ‚Begegnungen‘ und ‚Treffen‘, um Invasionen zu umschreiben“, sagte etwa Anahera Herbert-Graves vom Ngati-Kahu-Volk.
Um die Wogen zu glätten, trifft Premierministerin Ardern mit mehreren „Iwi“ zusammen, um mit ihnen über die Situation und die aufgeladene Geschichte zu reden. Thema könnten aber wohl auch die Aussagen ihres Vizes Winston Peters sein, der zuletzt behauptete, Maori seien „nicht schuldlos“, zitierte der „Guardian“ den „New Zealand Herald“. Die „Bilanz“ einiger Maori sei nicht „rein“, so Peters.
„Tuia“
Die Feierlichkeiten wurden nach dem Maori-Wort für „zusammenweben“ benannt – als Symbol für die Einheit der Menschen Neuseelands. Es stammt aus einem Sprichwort (Whakatauki) und bezieht sich auf die immaterielle Bindung zwischen Menschen, wenn sie zusammenarbeiten.
Konflikte zuletzt wiederaufgeflammt
Das Cook-Jubiläumsjahr fachte den Konflikt zwischen Neuseelands Indigenen und der Regierung wieder an. Bereits seit Jahrzehnten kritisieren die Indigenen die Vorgehensweise der neuseeländischen Regierung als Auswirkung der Kolonisierung und als institutionellen Rassismus. Die Maori sprechen von einer „gestohlenen Generation“, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete.
Die „Tuia“-Feierlichkeiten verdeutlichen diesen Konflikt, der als große Herausforderung für Ardern gilt – nächstes Jahr wird in Neuseeland gewählt. Vom zuständigen Ministerium heißt es laut „Guardian“: „Wir wussten immer, dass ‚Tuia‘ gemischte Reaktionen hervorrufen würde. Wir verstehen den ‚mamae‘ (Maori für Schmerz, Anm.) sehr, der in einigen Gemeinden noch sehr stark existiert. Unsere Aufgabe ist es, die Bücher zu öffnen, die ganze Geschichte zu betrachten und darüber zu sprechen.“