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Instagram (Montage)
Russland

Frauen kämpfen gegen Schönheitsideale

Unter dem Hashtag „#SoMnoyVsyoTak“ (Dt.: „Mir geht es so gut“) hat eine russische Teenagerin eine Social-Media-Kampagne gegen gesellschaftliche Schönheitsideale ins Leben gerufen. Diese seien gerade in Russland noch stark vorherrschend, meinen Experten und Expertinnen.

Instagram ist bekannt für seine perfekt inszenierten Fotos. Viele zeigen meist junge Menschen mit makelloser Haut und idealen Körperproportionen – natürlich nicht zuletzt dank entsprechender Fotofilter. Unter dem Hashtag „#SoMnoyVsyoTak“ lassen sich teilweise jedoch ganz andere Bilder finden – ohne Make-up, ohne Retusche und ohne Filter.

„In einer neuen Welle des russischen Feminismus veröffentlichen Tausende von Frauen Selfies in den sozialen Medien, in denen sie Pickel, Cellulite und Haarausfall zeigen, um Schönheitsstereotype infrage zu stellen“, wie die Nachrichtenagentur Reuters am Freitag berichtete.

Jüngste „Body Positivity“-Bewegung

Die russische Social-Media-Kampagne gilt als die jüngste Initiative der „Body Positivity“-Bewegung, die sich gegen gängige Schönheitsideale auflehnt und den Körper in all seinen Erscheinungsformen zelebriert. Dass gerade junge Frauen und Mädchen unter einem enormen Druck leiden, unrealistischen Körperbildern entsprechen zu müssen, ist, so ist sich die Wissenschaft einig, auch auf die Sozialen Netzwerke zurückzuführen. Die dort vorzufindenden Bilder könnten sich sowohl auf die psychische als auch physische Gesundheit der Betroffenen auswirken, wie zahlreiche Studien belegen.

Auch die russische Kampagne wurde von einer Teenagerin ins Rollen gebracht, die selbst mit Anorexie zu kämpfen hatte. Natalia Semlianuchina rief ihre 1,2 Millionen Follower Ende September in einem Video dazu auf, Selfies ohne Make-up zu posten. Mittlerweile finden sich unter dem Hashtag „#SoMnoyVsyoTak“ dazu mehr als 2.500 Beiträge. Auf Deutsch übersetzt bedeutet der Hashtag so viel wie „Mir geht es so gut – genauso wie ich bin“.

„In Russland werden wenige Personen mit einem normalen Körper gezeigt“, sagte Semlianuchina gegenüber Reuters. Mädchen, die nicht dünn sind, Akne oder sonstige körperliche Besonderheiten haben, würden deshalb häufig verspottet oder unter Druck gesetzt, abnehmen zu müssen. Ihre Kampagne möchte die Tatsache in den Mittelpunkt stellen, dass jeder Körper, genau so wie er ist, schön und gut sei. „Es gibt keine Körper, an denen man arbeiten muss, die verbessert oder verändert gehören“, sagt die Influencerin.

Dehnungsstreifen am Bauch
Getty Images/Michael Heim/Eyeem
Pickel, Cellulite, Narben, Hüftspeck oder Dehnungsstreifen – all das sei natürlich, wie die „Body Positivity“-Bewegung propagiert

„Russland ist ein patriarchales Land“

Auch die Russland-Beraterin für die Frauenrechtsgruppe Equality Now, Janette Achilgowa, sieht Handlungsbedarf: „Russland ist immer noch ein sehr patriarchalisches, körperbewusstes Land, in dem strenge Schönheitsstandards und ‚Body Shaming‘ alltägliche Realität sind.“ Unter „Body Shaming“ versteht man das Phänomen, bei dem Menschen, hauptsächlich Frauen, aufgrund ihrer körperlichen Eigenheiten wie ihrer Figur kritisiert und beleidigt werden.

Achilgowa sieht Social-Media-Kampagnen als einen positiven Weg, um Menschen dabei zu unterstützen, sich von gesellschaftlichen Zwängen zu befreien und ihren eigenen Körper zu akzeptieren. Sie lobt auch progressive Werbekampagnen und Frauenmagazine, die feministische Themen setzen würden. Denn „bis vor ein paar Jahren war die profeministische Agenda in Russland kaum sichtbar, aber heute hat sie einen viel höheren Stellenwert“, sagte die Frauenrechtlerin.

Strenge Geschlechterrollen

Neben Achilgowa kritisieren Reuters zufolge auch andere Feministinnen die in Russland so stark vorherrschenden Geschlechterstereotype. So werde etwa von Frauen erwartet, dass sie sich so anziehen, wie es Männern gefällt.

Auch weisen sie auf den zunehmenden Konservatismus im Land hin. Dieser äußere sich zum Beispiel in einem Gesetz von 2017, das häusliche Gewalt, die keine Krankenhausbehandlung erfordert, entkriminalisierte. Laut einem Bericht der „Zeit“ sterben jährlich Tausende Frauen an den Folgen häuslicher Gewalt. Zudem seien 456 Berufe in Russland für Frauen verboten und zwei Drittel aller Russen, die unter der Armutsgrenze leben, seien Frauen und Kinder.